So viele Gelbe Karten gab es für den HSV zuletzt vor 17 Jahren. Das Team ging aggressiv und mit viel Kampf ins Spiel gegen Leverkusen und wurde am Ende belohnt. Westermann: „Der Rasen hat gebrannt.“

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Hamburg. Bernd Hollerbach und David Jarolim, diese Name kommen bei der Betrachtung der Gelben Karten des HSV beim 1:0-Sieg gegen Bayer Leverkusen unweigerlich ins Gedächtnis. Sechs Gelbe Karten haben die Rothosen beim hitzigen Aufeinandertreffen mit der Werkself und Rückkehrer Hakan Calhanoglu gesammelt. Das sind Werte, die an einen aggressiven HSV erinnern. Eine Eigenschaft, die vor allem den beiden ehemaligen Hamburger Defensivspieler zugeschrieben wird, führen sie doch die Gelbe-Karte-Statistik des HSV an. Hollerbach sammelte in seinen 197 Spielen 89 Karten, Jarolim in 257 Spielen 85. Und tatsächlich muss man lange zurück gehen, um ein Spiel mit derart vielen Gelben Karten für den HSV zu finden. Und ein Name taucht dabei auch wieder auf.

Der HSV hat zuletzt in der Saison 1997/98 in einem Spiel sechs Karten bekommen. Damals bekamen Hollerbach, Yeboah (Gelb-Rot), Schopp (Gelb-Rot), Böger den gelben Karton gezeigt. Trainer damals: Frank Pagelsdorf. Das Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern ging allerdings mit 1:2 am Betzenberg verloren. Die Saison schloss der HSV damals auf Platz neun ab. Vergangene Saison gab es im Spiel gegen Eintracht Braunschweig 11 Gelbe Karten, fünf davon für den HSV. Neun Karten für den Gegner gab es in der Saison 2007/08 - für den Nordrivalen Werder Bremen. Der HSV war in dem Spiel vergleichsweise harmlos, nur drei Gelbe Karten. Das Spiel ging aber ebenfalls verloren.

Nun also Drobny, Diekmeier, Behrami, Müller van der Vaart und Holtby, die mit Gelb verwarnt worden sind. Rekordverdächtig sind auch die gespielten Fouls. 54 Fouls begingen beide Mannschaften in der Partie. Das ist Saisonrekord. Allerdings nicht das Allzeithoch. Der derzeitige Foul-Rekord mit 70 Stück fiel im Spiel zwischen Frankfurt und Duisburg im März 2006.

Nun kann man kritisieren, dass so, ein ansehnliches Spiel nicht zu Stande kommen kann. Das muss es aus Sicht der Hamburger aber auch nicht. Was am Ende zählt, ist das Ergebnis. Vor allem wurde letzte Saison des Öfteren moniert, der HSV agiere zu passiv, nicht aggressiv genug. Das gilt allerdings nicht in dieser Saison und erst recht nicht für das Spiel gegen Leverkusen. Und diese Taktik hat sich am Ende auch bewährt, immerhin gewann der HSV mit 1:0 - nach einer Standard-Situation. Rafael van der Vaart verwandelte einen Elfmeter.

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Und eben dieser HSV-Kapitän wollte wochenlang öffentlich nicht sprechen. Doch nach seinem Treffer in der 26. Minute und dem ersten Heimsieg seit über einem halben Jahr machte der Niederländer nur allzu gern vor jedem Mikrofon Halt. „Es war nicht nur für mich persönlich eine Befreiung, sondern auch für die ganze Mannschaft. So zu kämpfen war schon geil. Für uns war es wichtig, zu zeigen, dass wir hier die Chefs sind“, sagte der 31-Jährige und hielt den Schienbeinschützer mit dem Namen seines Sohnes Damian hoch.

Von Trainer Joe Zinnbauer gab es Lob für den Holländer: „Rafa war kämpferisch vorbildlich.“ Der Coach sieht aber auch Reserven: „Spielerisch ist er aber noch nicht bei hundert Prozent.“ Erstmals ließ der Zinnbauer mit Raute und van der Vaart zentral neben Lewis Holtby spielen, bis der alternde Regisseur nach einer Stunde auf die Bank durfte.

„Lewis ist sensationell, was der für Wege geht“, schwärmte Zinnbauer, dessen Bilanz mit acht Punkten aus sieben Spielen allmählich besser aussieht. Der ehemalige U23-Coach schaffte es, Leben in die verängstigte und kommunikationsarme Truppe zu bringen. Als Belohnung gab er den Sonntag trainingsfrei.

Westermann: „Die Hütte hat gebrannt“


Zwar bot der HSV keine fußballerische Feinkost, das Abwehrverhalten der ganzen Mannschaft war aber vorbildlich. Vor allem Rückkehrer Hakan Calhanoglu hatte nichts zu lachen: Mindestens zwei Gegenspieler kümmerten sich stets um den Deutsch-Türken, wenn er am Ball war. „Man hat gesehen, was für einen großen Charakter die Mannschaft hat. Wir haben richtig gekämpft und waren sehr heiß. Diese Mentalität brauchen wir in jedem Spiel“, betonte Innenverteidiger Johan Djourou.

„Die Hütte hat gebrannt, der Rasen hat gebrannt“, fasste Heiko Westermann zusammen. Wie gut das Team unter Zinnbauer zusammengewachsen ist, hörte man nach Spielende, als aus der HSV-Kabine laute Popmusik dröhnte.

Freude auf Seiten der Hamburger, Kritik gab es aber vom geschlagenen Gegner. „Das war eine Treibjagd vor der Halbzeit. Das ist nicht in Ordnung, wie viele Spieler auf uns einstürzen“, sagte Leverkusens-Trainer Roger Schmidt.

Nächsten Sonntag geht es für die Hamburger nach Wolfsburg. Hoffnung macht, dass die Hanseaten gegen die starken Teams bisher besser spielen: Sieben Punkte gab es aus den Vergleichen gegen Bayern, Dortmund und Leverkusen. Gegen Teams wie Paderborn und Berlin holte der HSV dagegen nichts. „Wir müssen in Wolfsburg genau da weitermachen, wo wir heute aufgehört haben. Wolfsburg hat eine Top-Mannschaft mit Top-Qualität“, sagte Nicolai Müller. Und der neue Direktor Profifußball, Peter Knäbel, ist gar nicht so pessimistisch: „Zu erleben, wie die Mannschaft gekämpft hat, macht Hunger darauf, genau das zu wiederholen. Das darf der Anspruch der Leute sein. Und das ist auch unser Anspruch.“