Im Aktuellen Sportstudio schilderte der ehemalige Hamburger Fußball-Profi äußerst offen seine letzten Tage beim Bundesliga-Dino. Auch die unheimliche Begegnung mit Gökhan Töre erzählte Hakan Calhanoglu nach.

Hamburg/Mainz. Nach gerade einmal einer Bundesliga-Saison hat Hakan Calhanoglu bereits so viele Anekdoten geliefert wie mancher Fußball-Profi nach 15-jähriger Karriere nicht.

Jetzt bezog der 20 Jahre alte Deutsch-Türke erstmals umfassend vor laufenden Kameras Stellung zu den zahlreichen Geschichten, die sich vor allem um seinen von vielen HSV-Fans als unrühmlich empfundenen Abgang aus Hamburg ranken.

Im „aktuellen Sportstudio“ des ZDF nahm Calhanoglu am Sonnabendabend bei den Fragen von Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein jedenfalls kein Blatt vor den Mund - erstaunlich offen, wenn auch teilweise mit gedämpfter Stimme.

Dass ihn letztlich die Unruhe im gegen den Abstieg und um neue Strukturen kämpfenden Verein zum Abschied vom Bundesliga-Dino bewog, ist hinlänglich bekannt. Dennoch führte Calhanolgu im Sportstudio noch einmal aus: „Was mich in Hamburg gestört hat: Es gab immer Diskussionen, es gab immer irgendetwas.“ Daher sei Bayer Leverkusen mit seinem ruhigen Umfeld die beste Option gewesen.

Dass er nach der Vertragsverlängerung beim HSV zu Beginn der Rückrunde nicht nur die Hamburger Öffentlichkeit mit seinem vorzeitigen Abschied verblüffte und er für diesen Schritt heftige Kritik einstecken musste, sei vor allem die Schuld des damaligen Sportdirektors Oliver Kreuzer gewesen.

Der einstige Ziehvater habe ihn einfach im Stich gelassen, nachdem Calhanoglu den umstrittenen Manager mit seinem neuen Arbeitspapier einen Gefallen getan haben wollte. „Ich wollte Herrn Kreuzer stark machen, dann ist er mir in den Rücken gefallen“, sagte Calhanoglu rückblickend über die mündliche Zusicherung eines vorzeitigen Wechsels, die in der öffentlichen Darstellung der HSV-Verantwortlichen jedoch keine Rolle mehr gespielt habe.

Calhanoglu hatte im Februar seinen Vertrag in Hamburg bis 2018 verlängert, Anfang Juli unterschrieb er bei Bayer bis 2019. Der Werksklub soll etwa 14 Millionen Euro für den Mittelfeldspieler und Freistoßspezialisten gezahlt haben.

„In Hamburg konnte ich nicht mehr rausgehen“

Dass er mit einem ärztlichen Attest aufgrund psychischer Instabilität am Ende seinen Transfer forcierte, begründete Calhanoglu mit den Anfeindungen, denen sich der türkische Nationalspieler nach der Offenbarung seines Wechselwunsches in Hamburg ausgesetzt sah. „In Hamburg konnte ich kaum mehr rausgehen, mein Auto wurde kaputt geschlagen, es gab Beschimpfungen und Drohungen im Internet“, schilderte der Offensivspieler.

Die überraschende Rückkehr auf den Leverkusener Trainingsplatz noch vor Ablauf seines ärztlichen Attestes erklärte Calhanoglu mit zurückgewonnener Motivation durch seinen neuen Arbeitgeber: „Der Wechsel war wie eine Befreiung für mich.“

Auch der ehemalige HSV-Vorstandsvorsitzende Carl Jarchow kam im Sportstudio noch einmal zu Wort und blieb dabei bei der Version des Vereins: „Die Umstände finde ich noch immer nicht in Ordnung“, sagte Jarchow zur Wechselposse.

„Beweg dich nicht, sonst erschieß ich dich“

Alles andere als eine Posse war indes das Geschehen, was sich in einem Istanbuler Hotelzimmer rund um ein Länderspiel der türkischen Nationalmannschaft im Oktober 2013 abgespielt haben soll. Dabei wurde unter anderen Calhanoglu Opfer eines mutmaßlichen Racheaktes des ehemaligen HSV-Profis Gökhan Töre. „Ich weiß nicht, was mit Töre war, ob er etwas genommen hatte“, schilderte Calhanoglu die Situation, in der er von einem Freund seines Nationalmannschaftskollegen mit einer Waffe bedroht worden sein soll. „Beweg dich nicht, sonst erschieß ich dich“, habe der Mann dem auf dem Boden liegenden Calhanoglu zugerufen. Hintergrund für das Droh-Szenario soll laut Calhanoglu ein Beziehungsstreit um einen Freund des Leverkusener Profis Ömer Toprak und Töres Ex-Freundin gewesen sein.

Als Calhanoglu die Actionfilm reifen Szenen ohne Punkt und Komma abspulte, kam im Sportstudio-Publikum stellenweise sogar verhaltenes Gelächter auf. „Einige lachen jetzt, aber es war gar nicht lustig“, sagte Calhanoglu. Von den Geschehnissen habe er sogar seinen Eltern lange nicht erzählt. Als er sich dann doch öffnete, habe seine „Mutter jeden Tag geweint“.

Vorfreude auf Rückkehr nach Hamburg

Spannend dürfte nun vor allem seine Rückkehr auf den Rasen der Imtech Arena sein, wenn Calhanoglu in zwei Wochen in der Bundesliga mit Leverkusen zu Gast beim HSV ist. „Ich freue mich auf das Spiel. Angst vor Pfiffen habe ich nicht“, bekundete der einstige Fan-Liebling.

Gleichwohl wird dem Jung-Profi in einschlägigen Internet-Foren bereits ein heißer Tanz für das Hamburger Gastspiel angekündigt. Wie auch immer der Empfang ausfallen wird, im ZDF-Sportstudio gelang Calhanoglu ein versöhnlicher Abgang: Mit drei Treffern an der Torwand machte der Zauberfuß noch einmal deutlich, weshalb gerade der Werdegang des Riesentalents derart kritisch beäugt wird.