Beim HSV laufen nach der Saison zwölf Spielerverträge über 19,5 Millionen Euro aus. Profis wie Gojko Kacar, Marcell Jansen und Rafael van der Vaart könnten als „überbezahlt“ bewertet werden.
Hamburg. Ab Oktober, ungefähr, setzt bei Sportchefs, Managern und Vorständen in der Fußball-Bundesliga stets eine gewisse Nervosität beim Blick auf ihre bestehenden Kader ein. Wessen Vertrag läuft zum Saisonende aus? Oder dem Jahr darauf? Wem muss ich eine Verlängerung anbieten, damit er nicht ablösefrei geht? Beziehungsweise, wen kann ich noch vor Vertragsende im Winter verkaufen? Spielerberater fordern höhere Gehälter, Profis wollen „Entwicklungen“ abwarten, bevor sie einen neuen Kontrakt unterschreiben, oder sie fabulieren von „Herausforderungen“. Doch nichts davon ist zurzeit beim HSV zu bemerken.
Dabei laufen im Sommer ’15 nicht weniger als zwölf Verträge aus. Acht von Profis aus dem Bundesliga-Kader, zwei von Nachwuchskräften aus dem erweiterten Aufgebot und zwei Leihverträge. Das sind so viele Spieler, dass schon beinahe die Planungssicherheit für die Zukunft gefährdet scheint. Die sportliche Führung des HSV um Dietmar Beiersdorfer (Vorstandschef der HSV Fußball AG), Bernhard Peters (Direktor Sport) und neuerdings Peter Knäbel (Direktor Profifußball) aber sieht die außergewöhnliche Situation sehr entspannt. Mehr noch: als große Chance.
Es laufen schließlich Verträge mit einem Gehaltsvolumen von insgesamt rund 19,5 Millionen Euro einschließlich Prämien aus. Bei der angestrebten Reduzierung des Lizenzspieleretats auf rund 38 Millionen Euro ist das eine entscheidende Summe. Aber nicht nur das. Es sind auch einige Spieler dabei, deren Gehalt zu einem Zeitpunkt ausgehandelt wurde, als der HSV noch europäisch spielte, beziehungsweise diesen Anspruch selbst stellte.
Profis wie Gojko Kacar und Ivo Ilicevic aber auch Heiko Westermann, Marcell Jansen und Rafael van der Vaart könnten nach den Kriterien Alter und Leistungsvermögen als „überbezahlt“ bewertet werden. Sie werden bei Verhandlungen über einen neuen Vertrag mit Sicherheit erhebliche Gehaltsreduzierungen in Kauf nehmen müssen. Ob sie das wollen oder ob der HSV sie in Zukunft noch will, wird sich noch zeigen. Konkrete Anfragen von anderen Clubs gab es im Sommer übrigens für keinen von ihnen. Man darf aber davon ausgehen, dass der eine oder andere den Verein nach dieser Spielzeit verlassen wird. Für lau.
Einige dieser Spieler haben bei den Fans nach der vergangenen Saison einen außerordentlich schweren Stand. Sie gelten als Sündenböcke, personifizieren geradezu die enttäuschenden Leistungen der vergangenen Jahre. Westermann polarisiert die Anhänger ebenso stark wie van der Vaart, Jansen oder auch Tolgay Arslan, dessen Vertrag ebenfalls im Juni 2015 endet.
Beiersdorfer und Knäbel können also den Umbau der Mannschaft konsequent fortsetzen. So steht der HSV nach Abendblatt-Informationen kurz vor der Verpflichtung eines jungen Stürmers aus dem Ausland in der Winterpause. Der Kauf von Innenverteidiger Cléber für drei Millionen Euro ist auch eher eine perspektivische Entscheidung denn als Sofortmaßnahme gedacht. Neben Westermanns Vertrag endet schließlich auch das Arbeitspapier von Abwehrspieler Slobodan Rajkovic. Die Maßnahme, den 23 Jahre alten Cléber, der in Brasilien als eines der größten Verteidigertalente gilt, jetzt schon zu verpflichten und ihm ein Jahr zur Eingewöhnung zu geben, erscheint da sinnvoll.
Neben dem personellen Umbruch ist auch die seit zwei Jahren angestrebte und noch nicht umgesetzte Reduzierung der Kaderkosten möglich. In dieser Saison werden einschließlich Prämien etwa 50 Millionen Euro für Lohn und Brot des Bundesligateams ausgegeben. Man muss deshalb mit Sicherheit davon ausgehen, dass auch die HSV Fußball AG im ersten Jahr ihres Bestehens einen Verlust verbuchen wird, nachdem bereits der „alte“ HSV vier Jahre lang rote Zahlen schrieb.
23,7 Millionen hat der HSV in diesem Sommer an Transfererlösen erzielt, 29,3 Millionen aber für neue Spieler ausgegeben. Das war nur durch das auf 25 Millionen-Euro aufgestockte Darlehen von Investor Klaus-Michael Kühne möglich. Ein weiterer Teil dieses Geldes wird aber auch gebraucht, um Finanzlöcher im Gehaltsetat zu stopfen. Außerdem entstehen durch die Beurlaubungen von Sportchef Oliver Kreuzer und Cheftrainer Mirko Slomka weitere Kosten in Höhe von über drei Millionen Euro – je nachdem, wie der anstehende Slomka-Prozess verläuft.
Der HSV hat in diesem Sommer zwar Spieler wie Milan Badelj (Gehalt 1,5 Millionen Euro), Michael Mancienne (2 Mio.) und Per Skjelbred (1 Mio.) abgegeben, die Verträge von Robert Tesche (1 Mio.) und Tomas Rincon (1,3 Mio.) wurden nicht verlängert. Jonathan Tah (0,6 Mio.), Kerem Demirbay (0,2 Mio.) und Jaques Zoua (0,7 Mio.) wurden verliehen. Tah und Demirbay sollen zurückkommen. Zoua nicht.
Dagegen stehen aber Neuzugänge wie Pierre-Michel Lasogga (3 Mio.), Lewis Holtby (2,5 Mio.), Valon Behrami (2,3 Mio.), Nicolai Müller (2,2 Mio.) und Matthias Ostrzolek (1,4 Mio.). Mit ihnen wurde bereits der Kader-Umbruch eingeleitet. Unter Trainer Joe Zinnbauer zeigte die Mannschaft zuletzt Ordnung, Disziplin und eine taktische Spielidee, die am Sonnabend durch den Sieg in Dortmund gekrönt wurde. Offenbar ist beim HSV etwas in Bewegung geraten.
Da ist es kein Wunder, dass Knäbel kurzfristig mit Zinnbauer über einen neuen Vertrag sprechen will. Mit den Spielern will er das (vorerst) nicht.