Am Donnerstag soll der Zugang aus Mainz erstmals mittrainieren. Ex-Trainer Gerd Dais bescheinigt Müller einen einwandfreien Charakter. Und auch die fußballerischen Qualitäten bezweifelt niemand.
Hamburg. Während sich seine neuen Kollegen nach den aufreibenden Einheiten im Trainingslager einen Tag ausruhen durften, hatte Nicolai Müller am Mittwoch ganz anderes im Sinn: Der Neuzugang des HSV stand frühmorgens auf, um vor seiner offiziellen Präsentation im Stadion noch ein paar Runden durch den Volkspark zu drehen. Müller befindet sich zwar auch schon seit dem 20. Juni im Training, doch auch er habe gehört, dass sie in Hamburg vor dieser Saison „ein bisschen was getan haben“. Noch leidet der Offensivmann unter leichten Adduktoren-Problemen, doch an diesem Donnerstag soll er das erste Mal mit der Mannschaft trainieren.
Aber ist der Wechsel vom Europapokal-Qualifikanten Mainz 05 zum Fast-Absteiger HSV nicht ein Rückschritt? Müller verneint. „Der HSV ist immer noch ein großer Verein. Ich will beim Umbruch mithelfen, damit es mit dem HSV wieder aufwärts geht“, erklärt der 26-Jährige seine Unterschrift bis 2018. Überzeugt hätten ihn vor allem die guten Gespräche mit Dietmar Beiersdorfer und Coach Mirko Slomka, dessen bevorzugtes Spielsystem mit schnellem Umschalten mitentscheidend für den Wechsel war. „Dafür bin ich prädestiniert.“
Müller wirkt bei seiner Vorstellung klar im Kopf und aufgeräumt. Große Ziele will er nicht ausgeben, spricht von „stabilisieren“ und von „Spiel zu Spiel gucken“. Hört sich jetzt doof an, schiebt Müller hinterher, aber so sei es nun mal. Doch dann lehnt sich der Vater von fünf Monate alten Zwillingen ein wenig aus dem Fenster: Die neue HSV-Mannschaft sei „richtig gut“, das sage ihm sein Gefühl. Mit Zoltan Stieber und Ivo Ilicevic kennt Müller zwar nur zwei seiner neuen Kollegen aus früheren Zeiten etwas besser, dazu die deutschen Nationalspieler des HSV von der USA-Reise im vergangenen Jahr. Dennoch ist sich Müller sicher, dass er die richtige Entscheidung getroffen hat.
Eines scheint jetzt schon klar zu sein: Skandale wird man vom zweifachen Nationalspieler nicht erwarten dürfen. Das sieht auch Gerd Dais so. Der Fußballlehrer hatte Müller vor fünf Jahren beim SV Sandhausen unter seinen Fittichen, als die Karriere des gebürtigen Lohrers richtig in Schwung kam. „Nicolai ist bodenständig, lernfähig und aufgeschlossen. Er passt einfach ins Leben. Flausen hat er nie im Kopf gehabt, was von einer guten Erziehung herrührt“, erinnert sich Dais.
Damals kam Müller aus der Regionalliga von Greuther Fürth II und sorgte in der Rückrunde in der Dritten Liga derart für Furore, dass plötzlich der große VfB Stuttgart an den Verhandlungstisch kam. Doch Müller wählte den kleineren Karrieresprung, ging zurück nach Fürth, wo er dann aber bei den Profis in der Zweiten Liga richtig durchstartete. „Ihm fehlte damals vielleicht noch ein wenig die körperliche Robustheit, doch die Anlagen für eine ambitioniertere Karriere hatte Nicolai schon vor fünf Jahren“, sagt Dais.
Spätstarter in der Bundesliga
Müller selbst sieht sich im Vergleich zum heutigen Nachwuchs auch durchaus als Spätstarter, schließlich gab er sein Bundesliga-Debüt erst im Alter von 24 Jahren. Mit 17 wurde er bei Eintracht Frankfurt noch ausgemustert, da er als zu klein und schmächtig galt. Doch der Karriereweg der kleinen Schritte sei für ihn genau richtig gewesen. Deshalb passe er auch so gut zum HSV – meint zumindest Beiersdorfer. „Auch wir haben das Ziel, uns Schritt für Schritt zu verbessern. Nicolai ist immer in der Lage, ein neues und höheres Niveau zu erreichen“, sagte der Vorstandsvorsitzende. „Er wird uns vor allem durch seine Vielseitigkeit im Offensivbereich, sein Tempo und seine Abschlussstärke weiterhelfen.“ Bei Slomka dürfte Müller zunächst auf der rechten Seite gesetzt sein, seiner Lieblingsposition. „Ich denke, in der offensiven Dreierreihe kann ich alles spielen, aber als Rechtsaußen fühle ich mich am wohlsten“, erklärt der Ex-Mainzer.
Zunächst muss sich Müller in Hamburg allerdings zurechtfinden. Großstadtleben kennt er allenfalls aus seiner Jugendzeit in Frankfurt, doch noch nie zuvor hat der Flügelspieler in einer Millionenmetropole gewohnt. Bis auf zwei Gastspiele beim HSV mit Mainz war er zuvor auch noch nie länger als eine Nacht an der Elbe. „Irgendwo im Grünen“ will sich Müller, für den außer Fußball nur noch seine Familie zählt, jetzt in einem Haus niederlassen. Ausgefallene Hobbys sucht man bei ihm vergebens. Privates behält Müller lieber für sich. Ganz gegen den Trend twittert er nicht und hat auch sonst keinen Account bei sozialen Netzwerken.
Doch all das ist nebensächlich, wenn am 18. August das erste Pflichtspiel im Pokal bei Energie Cottbus ansteht. Vom 4,5-Millionen-Mann wird erwartet, dass er den HSV nach vorne bringt – schon ein gewisser Druck, der auf ihm lastet. Doch Müller geht entspannt damit um. „Diesen Druck spüre ich nicht. Ich spüre eine riesige Freude auf die neue Saison.“