Valon Behrami ist das erste wichtige Puzzleteil von Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer auf dem Weg zu einer besseren sportlichen Zukunft. Es soll nicht das letzte bleiben.

Stegersbach. Die Anreise verlief planmäßig. Um kurz vor 14 Uhr stieg Valon Behrami mit dem Vorstandsvorsitzenden Dietmar Beiersdorfer und Teambetreuer Thomas Westphal vor dem „Falkensteiner Balance Resort” aus dem Van. Ein kurzer Willkommensplausch mit Trainer Mirko Slomka, der in der Lobby gewartet hatte, und schon gehörte der Mittelfeldspieler zur HSV-Familie. Na ja, fast. Im Schriftverkehr seien noch kleinere Arbeiten zu verrichten, sagte Beiersdorfer über den noch nicht unterzeichneten Transfervertrag mit dem SSC Neapel: „Die deutschen und italienischen Rechtsanwälte versuchen sich noch auf eine Sprache zu einigen.“ Bis zum Abarbeiten dieser Formalien durfte der Schweizer Nationalspieler am Freitag noch nicht offiziell als Neuzugang vorgestellt oder im HSV-Trikot fotografiert werden.

Trotz dieser minimalen Verzögerung war Beiersdorfer war prächtig gelaunt. Auf die Frage, wie der Neue denn so neben dem Sportplatz sei, scherzte der 50-Jährige: „Er hat sich angeschnallt, keinen Alkohol getrunken während des Fluges. Ein sehr gut erzogener Junge.“ Tatsächlich hatte sich der HSV-Chef vor einigen Tagen in Mailand mit seinem Wunschspieler zum Abendessen getroffen und ihn von einem Wechsel nach Hamburg überzeugt. Man sprach Italienisch, aber Beiersdorfer vergewisserte sich nebenbei auch, dass der 29-Jährige, der in der italienischsprachigen Schweiz aufgewachsen ist, vorzüglich Deutsch redet. Am Donnerstag bekam der Neue eine private Stadtrundfahrt vom HSV-Boss.

Behrami soll, so der Wunsch Beiersdorfers, mit seiner Erfahrung und Reife von „vielen internationalen Schlachten“, mit seiner Persönlichkeit und seinem Verantwortungsbewusstsein gerade den jungen Spielern Orientierung geben. Wie er dem zentralen Mittelfeldspieler die Entscheidung schmackhaft gemacht habe, von einem Champions-League-Teilnehmer zu einem Fast-Absteiger zu wechseln? „Ich habe ihm reinen Wein eingeschenkt, dass die Aufgabe heftig werden kann und ihm gesagt, dass es durchaus ein oder eineinhalb Jahre nicht so richtigen Spaß machen kann.“

Behrami sei sich bewusst, dass er die Mannschaft an vorderer Stelle ziehen soll, damit die Entwicklung in die richtige Richtung geht. Zugleich betonte Beiersdorfer, dass der HSV noch immer einen großartigen Ruf in Fußball-Europa genieße aufgrund besserer Zeiten in der Vergangenheit.

Wann mit Nicolai Müller der nächste Neue für die HSV-Familie präsentiert werden kann, ist noch offen. Beiersdorfer bestätigte, dass er mit dem Mainzer Manager Christian Heidel häufiger telefoniert habe („Aber er ist ein harter Knochen“). Noch sei nichts entschieden, auch wenn er auf ein positives Ende hoffe. Dass der Offensivmann mit den Gedanken schon beim HSV ist, machte der Mainzer Trainer Kasper Hjulmand deutlich, der den 26-Jährigen aus dem Kader für das Play-off-Hinspiel in der Europa League gegen den griechischen Club Asteras Tripolis (1:0) gestrichen hatte: „Wir brauchen nur Spieler, die 100 Prozent für den Verein und die Mannschaft geben. Das war meine Entscheidung.“

Beiersdorfer bestätigte nach seiner Ankunft in Österreich aber auch die Einschätzung, dass der HSV ohne das sich ankündigende Darlehen von Klaus-Michael Kühne nicht handlungsfähig auf dem Transfermarkt wäre: „Wir brauchen nicht groß drumherum zu reden, dass wir aus dem normalen Geschäftsbetrieb heraus nach der zugrunde liegenden Planung keine großen Sprünge machen können.“

Er sei aber in guten Gesprächen mit Kühne, derzeit fast jeden Tag. Dennoch gab er zu, dass er bei Transferverhandlungen die ersten Gespräche mit dem Satz beginne: „Wir erwarten noch einen Zahlungseingang.“ Zwischen 15 und 20 Millionen Euro soll der HSV-Investor dem Club als Darlehen zur Verfügung stellen. Voraussichtlich in der kommenden Woche soll die Einigung der Öffentlichkeit präsentiert werden. Natürlich hofft Beiersdorfer auch, dass sich Kühne medial zurückhält. Direkt würde er so etwas nie fordern, auch wenn er offen erzählt, dass er mit dem Mäzen über dieses Thema gesprochen hat. Stattdessen formulierte er: „Ich hoffe, dass wir Berechenbarkeit und Zuverlässigkeit in die Beziehung bringen können.“

Kühnes Geld ist teilweise schon verplant. Neben den bekannten Kandidaten Müller (Flügel) und Matthias Ostrzolek (Augsburg, Linksverteidiger) sucht der HSV nach einem Innenverteidiger. Zu Gerüchten über ein mögliches Leihgeschäft von Schalkes Felipe Santana, 28, antwortete Beiersdorfer ausweichend: „Wir schauen im defensiven Bereich. Natürlich beobachten wir auf dem Markt, was sich bewegt.“

Als Rückflugdatum auf seinem Ticket ist der Sonntag eingetragen, doch wie lange Beiersdorfer wirklich bei der Mannschaft sein wird, ist offen. Seinen Wunsch, alle Spieler einmal persönlich kennenzulernen, wird er sich ganz sicher nicht erfüllen können, ein Termin mit Kapitän Rafael van der Vaart ist aber fest vereinbart. „Bisher hatten wir noch keine Gelegenheit, uns hinzusetzen. Ich bin gespannt, wie es ihm geht.“

Die Frage, ob van der Vaart definitiv beim HSV bleiben wird, beantwortete Beiersdorfer so: „Ich muss mir erst einmal ein Bild machen, unvorbelastet und in Erinnerung an Zeiten vor ein paar Jahren. Ich glaube immer noch daran, dass Rafael, wenn er fit und voll konzentriert ist, ein sehr, sehr guter Spieler ist. Bisher habe ich nur positive Rückmeldungen bekommen. Und von sehr, sehr guten Spielern wollen wir uns natürlich nicht trennen.“ Klingt nicht nach einem baldigen Abschied.