Trainer Mirko Slomka zieht jetzt sogar Gojko Kacar in die Innenverteidigung zurück. Ex-Kapitän Westermann soll dagegen nur noch variabel eingesetzt werden – Grund für einen Wechsel des 27-fachen Nationalspielers?

Graz/Stegersbach . Nach der knallharten Einheit am Dienstag durfte Heiko Westermann Mittwoch früh mit seinen Kollegen durchschnaufen, schließlich stand der Test bei Erstligist Sturm Graz (mit Ex-St.-Paulianer Benedikt Pliquett) an. „Nur“ ein Kraftzirkel musste am Morgen bewältigt werden. Abends reichte den Hamburgern eine mäßige Leistung, um nach Toren von Artjoms Rudnevs (41.) und Anel Hadzic (45, Eigentor) vor 5698 Zuschauern im Dauerregen 2:0 zu gewinnen. Westermann durfte anfangs die Binde tragen und verteidigte 45 Minuten hinten rechts resolut.

Die Hamburger (erstmals mit GPS-Westen) hatten die Partie stets unter Kontrolle, ließen aber in der ersten Hälfte lange die nötige Zielstrebigkeit in der Offensive vermissen und leisteten sich viele Abspielfehler. Nach dem Wiederanpfiff – Mirko Slomka tauschte ordentlich durch – und das Niveau in dem zunehmend zerfahrenen Spiel ließ stetig nach. Peinlich, wie Jacques Zoua nach Vorlage von Zoltan Stieger den Ball aus einem halben Meter Entfernung am Tor vorbeischob (78.). „Viele Spieler waren an der Grenze ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit“, nahm der HSV-Trainer die Spieler in Schutz.

Auch wenn der Bundesliga-Start gefühlt noch endlos weit weg ist, so bog der HSV mit dem Spiel in Graz in die Zielgeraden seiner Vorbereitung ein. Drei Tests, gegen Akhisar Belediyespor (4.8.), Lazio Rom (Lübeck, 8.8.) und bei Rot-Weiß Erfurt (12.8.) hat der HSV-Trainer noch, um seine (vorläufige) Startformation einspielen zu lassen. René Adler, Dennis Diekmeier, Johan Djourou, Marcell Jansen, Milan Badelj, Tolgay Arslan, Ivo Ilicevic, Petr Jiracek, Rafael van der Vaart und Pierre-Michel Lasogga haben (ohne Neuzugänge) gute Einsatzchancen. Aber ausgerechnet Westermann darf sich seines Stammplatzes nicht mehr sicher sein. Der HSV ohne Westermann, das war lange nicht vorstellbar. Nur fünf Ligapartien hat der Franke seit seinem (7,5-Millionen Euro Ablöse schweren) Wechsel 2010 von Schalke nach Hamburg verpasst.

Wohl kaum ein HSV-Profi spaltet aber das Fanlager so wie Westermann. Wer ihn schätzt, rühmt seine professionelle Einstellung, seinen Kampfgeist und die Charakterstärke. Als ihm in der Rückrunde gegen Leverkusen das wichtige 2:1-Siegtor gelang, ließ ein Fan aus Limburg spontan T-Shirts drucken mit der Aufschrift „#HW4“, eine Anspielung auf Cristiano Ronaldo (#CR7).

Es gibt aber auch jene HSV-Fans, die auf die überschaubaren technischen Fertigkeiten Westermanns hinweisen, der im April 2013 sein Kapitänsamt an van der Vaart verlor. Diese kamen in der Vergangenheit oft zum Vorschein, wenn er außen verteidigte. Und das war zuletzt häufiger der Fall. Als die Verletzungsmisere groß war, hat sich Westermann, der selbst alles andere als topfit war nach seiner Knie-Operation, in den Dienst der Mannschaft gestellt. Mal lief er als rechter, mal als linker Verteidiger auf – oder in der Innenverteidigung. Genau dort würde er gerne spielen, aber der Coach gab ihm diese Garantie in einem Gespräch nicht: „Er wollte sich bei mir auf keine Position festlegen“, sagt Westermann. Und schaut etwas traurig.

Kacar wird Westermann-Konkurrent

Die Lage gestaltet sich schwierig für ihn. Auf Djourou hat Slomka bereits in Hannover gesetzt, somit kämpft der Rest um einen freien Platz. Mit Gojko Kacar, der bereits im Telekom-Cup zweimal in der Innenverteidigung auflaufen durfte, ist Westermann ein echter interner Konkurrent erwachsen. Auch in Graz wurde der 27-Jährige in der Abwehrzentrale eingesetzt.

„Der Trainer hat zu mir gesagt, dass er mich auf der Sechs und hinten ausprobieren will. Und jetzt habe ich zuletzt immer wieder in der Innenverteidigung gespielt“, sagt Kacar, der sich hinten durchaus wohlfühlt. Einen Wechsel schließt der Serbe aus: „Definitiv. Ich bleibe beim HSV. Das ist mein Verein. Der Trainer hat mir gesagt, dass er mich schon früher wollte. Und, dass er mich auf jeden Fall behalten will.“

Erschwerend für Westermann kommt hinzu, dass der HSV noch einen hochkarätigen Innenverteidiger verpflichten möchte. Nachdem mit Lasse Sobiech (St. Pauli) und Michael Mancienne (Nottingham Forest) zwei Verteidiger abgegeben wurde, gibt es mit Talent Jonathan Tah und dem derzeit noch verletzten Slobodan Rajkovic, der ebenfalls von Slomka geschätzt wird, auf Sicht zwei weitere Konkurrenten.

„So eine Konkurrenz ist sehr wichtig, diesen Druck braucht jedes Team, weil sonst die Gefahr bestehen würde, einen Tick nachzulassen, weil du sowieso weißt, dass du spielst“, sagt Djourou, der dabei an seine Zeit beim FC Arsenal denkt: „Dort habe ich den Ausscheidungskampf extrem erlebt, weil es so viele großartige Spieler gab und ich versuchen musste, mich dennoch durchzusetzen. So gehe ich heute jeden Tag mit dem Gedanken ins Training, ein besserer Spieler werden zu wollen.“

Wird sich Westermann dem Wettbewerb aussetzen? Eigentlich konnte er sich vorstellen, beim HSV seine Karriere zu beenden. Noch drei, vier Jahre will er spielen, sein Vertrag endet jedoch 2015. Gewöhnlich gibt es zwei Varianten: Entweder, ein Verein will zügig verlängern, um seinen Spieler nicht ablösefrei ziehen lassen zu müssen, oder er strebt einen Verkauf an. Der Marktwert des 27-fachen Nationalspielers wird bei „Transfermarkt.de“ derzeit auf 1,75 Millionen Euro taxiert. Und dass der HSV frisches Kapital benötigt und zweitens Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer den Kader neu strukturieren möchte, ist kein Geheimnis.

HSV: Adler – Westermann (46. Diekmeier), Djourou (46. Kacar), Tah, Jiracek (46. Jansen) – Badelj (46. van der Vaart), Skjelbred (46. Jung) – Arslan (63. Steinmann), Demirbay (63. Nafiu), Ilicevic (46. Stieber) – Rudnevs (46. Zoua).