Der neue Vorstandschef des HSV bittet bei seinem offiziellen Amtsantritt um Geduld für den ersehnten Aufschwung und hält die Zukunft von Sportchef Kreuzer offen.
Hamburg. Er trug diese Nadel am Revers. Die HSV-Raute eingearbeitet in einen goldenen Hintergrund. „Die habe ich 1987 bekommen, als wir Pokalsieger wurden“, erklärt Dietmar Beiersdorfer. Er hat sie aufgehoben, die Vereins-Ehrennadel, über all die Jahre. Ungewöhnlich für einen, der damals ja nur seinen Job als Verteidiger ausgeführt hat. Aber da ist eben wirklich mehr zwischen dem Franken und dem Hamburger Traditionsverein. „Ich wusste immer, dass ich irgendwann zurückkehren werde“, sagte der 51-Jährige am Mittwoch.
Jetzt ist es also soweit. Dietmar Beiersdorfer ist in Amt und Würden, der neue Vorstandschef der HSV Sport AG. Der starke Mann, der Hoffnungsträger, unter dem nun alles besser werden soll. Zwölf Kamerateams hatten ihre sperrigen Stative zur offiziellen Vorstellung aufgebaut, ungezählte Fotografen hatten schon 40 Minuten vor dem Beginn der Pressekonferenz ihre Apparate platziert und damit die besten Plätze reserviert. Der fensterlose Raum war proppevoll, die Luft zum Schneiden. „Es fühlt sich ein bisschen an, als ob ich das alles schon kennen würde“, sagte Beiersdorfer auf dem Podium, blickte in die Runde der Berichterstatter, nickte dem einen oder anderen zu. „Es ist für mich ein sehr emotionaler Moment, wieder zurückzukehren.“
Bereits am Vortag hatten er seine Mitarbeiter in der Geschäftsstelle versammelt. Diese rechneten mit einer längeren Rede. Doch stattdessen stellte sich der neue Chef per Handschlag bei jeder neuen Kollegin und jedem neuen Kollegen vor.
Am Mittwoch dann erinnerte er an seine persönlichen HSV-Momente. Wie er als Jungprofi in Ochsenzoll in die Dusche wollte, und da stand der große Ernst Happel mit nichts an außer einem Goldamulett: „Komm rein, Zauberer.“ Wie Daniel van Buyten seinen Mitspieler Alexander Laas nach dem Trommelstockwurf eines Kölner Fans vom Rasen trug. Und an seinen Verkauf an die Weser 1992 aus finanziellen Gründen („damals schon“): „Als ich das letzte Mal am Stadion vorbeigefahren bin, habe ich geweint.“ Dass der einstige Aufsichtsratschef Udo Bandow 2002 den Mut hatte, den damals 38-Jährigen als Sportchef anzuheuern, „dafür bin ich dankbar“.
Jarchow bleibt vorerst Präsident
Jetzt also beginnt seine dritte Ägide beim HSV. Durch die juristischen Auseinandersetzungen um die Eintragung der AG ins Vereinsregister hatte sich seine Amtsübernahme noch um neun Tage verzögert. Keine einfache Zeit, wie Karl Gernandt, der Aufsichtsratsvorsitzende der neuen Sport AG, einräumte. Eine Hängepartie mit Unsicherheiten über Unterschriftberechtigungen. „Und wenn man mit möglichen Partnern spricht, ist es einfacher zu sagen ,das ist der Vorsitzende’ als ,der soll mal Vorsitzender werden.’“
Um 12.04 Uhr hatten Beiersdorfer, Gernandt und Mediendirektor Jörn Wolf den Konferenzraum in der Arena betreten. Strahlend, Zahnpastalächeln, beste Laune. Der bisherige Vorstandschef Carl Jarchow stand im Hintergrund, plötzlich in der zweiten Reihe. Er bleibt jedoch bis zur Mitgliederversammlung (voraussichtlich im Januar) Präsident des e.V. und Mitglied im Vorstand. Auch Joachim Hilke wird seinen Vorstandsjob im Bereich Marketing fortsetzen. Oliver Scheel kümmert sich weiterhin um die Belange der Mitglieder und Fans, ist aber organisatorisch dem e.V. angegliedert.
Kein Bekenntnis zu Kreuzer
Und Sportchef Oliver Kreuzer? Über ein Vorstandsamt verfügt er nicht, er will es auch gar nicht haben. Er würde gern im sportlichen Bereich Beiersdorfer zuarbeiten und hat auch noch einen Vertrag bis 30. Juni 2016. „Ich werde für das Ressort Sport verantwortlich sein und gleichzeitig den Vorsitz führen“, sagte Beiersdorfer unmissverständlich. Vor vier Wochen habe er mit Kreuzer gesprochen. „Ich habe ihm gesagt, dass wir über alles reden, wenn ich im Amt bin.“
Ein Bekenntnis zu Kreuzer war das nicht, auch wenn Beiersdorfer ausdrücklich dessen und Jarchows Rolle beim Kauf von Pierre-Michel Lasogga lobte. Der Name Peter Knäbel schwirrt weiterhin als Gerücht durch die Arena. Der ehemalige St.-Pauli-Profi hat als Nachwuchschef beim FC Basel und Technischer Direktor des Schweizer Verbandes Meriten gesammelt. Genau in den Bereichen, in denen Beiersdorfer Schwächen sieht. „Wir haben die Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu einigen anderen Clubs verloren“, stellte er fest. Den Nachwuchsbereich will er ausweiten, sieben Trainingsplätze insgesamt an der Arena schaffen, das Scouting-System verbessern.
Doch konkret wollte und konnte Beiersdorfer gar nicht werden. Er wirkte aber überzeugt von sich und seinem Job. „Ich bin kein Heilsbringer, aber ich will meinen Teil beitragen, diesem großartigen Club wieder Orientierung zu geben. Wir wollen eine Kultur aufbauen, die aus Respekt und Miteinander besteht. Alle, die den Club lieben, sollen wieder aufrecht gehen können.“
Man brauche Geduld, der „Weg muss unser Ziel sein“. Keine Versprechungen über einen sofortigen, sportlichen Aufschwung. Beiersdorfer kennt auch die finanzielle Situation, die er so beschrieb: „Wir haben aktuell kaum Investitionsmöglichkeiten.“ Deshalb sei das Geld von Klaus-Michael Kühne und anderen Investoren wichtig. Mit der neuen Gesellschaftsform sei es einfacher geworden, sich diese Quellen zu erschließen. „Ich bin nicht zum HSV gekommen, um gar keine finanziellen Möglichkeiten zu haben“, sagte er.