Zwei HSV-Talente, zwei Wege: Demirbay kämpft um einen Platz im Team, Calhanoglu mit fragwürdigen Methoden um seinen Wechsel. „Er hat wohl seine Handynummer gewechselt“, mutmaßt Kreuzer.
Glücksburg. „Dass es bei ihm so schnell geht, hätte ich nicht gedacht. Er gefällt mir, spielt einen guten Ball und ist zweikampfstark.“ Das sagte vor elf Monaten der damalige HSV-Trainer Thorsten Fink nach dem Telekom-Cup über Kerem Demirbay. Und auch Hakan Calhanoglu, wie Demirbay 19 Jahre jung, erhielt ein Sonderlob: „Das war schon gut. Aber er kann noch viel mehr. Da kommt noch einiges“, prognostizierte Oliver Kreuzer. Wie recht der Sportchef haben sollte.
Für die beiden Deutschtürken verlief ihre erste Saison beim HSV extrem unterschiedlich. Während der aus Dortmund nach Hamburg gewechselte Demirbay aufgrund zweier schwerer Verletzungen (Muskelfaserriss und Bänderriss) schließlich nur auf drei Bundesliga-Einsätze kam, weckte Calhanoglu mit seinen elf Treffern Begehrlichkeiten bei der Konkurrenz. Während sich sein Kollege in Glücksburg die nötige Fitness für den Start holt, ist Calhanoglu vorerst für vier Wochen krankgeschrieben (Abendblatt berichtete).
Demirbay sitzt im Restaurant des „Alten Meierhofs“. Marcell Jansen läuft vorbei und ruft: „Kerem, der Gewinner der Vorbereitung!“ Eine Anspielung auf seinen Fünferpack gegen die Nordfriesland-Auswahl. Demirbay schmunzelt, aber tatsächlich fühlt er sich „topfit, auch mental“. Sichtlich schwer tut er sich aber damit, die Ereignisse rund um seinen Kumpel öffentlich zu kommentieren. „Das ist nicht unser Job, dafür sind andere Leute zuständig“, antwortet er. Nur so viel: „Einige Spieler sind mit ihm in Kontakt, ihm geht es nicht so gut. Ich wünsche ihm definitiv alles Gute, vor allem Gesundheit. Er ist Teil dieser Mannschaft, wir freuen uns, wenn er wieder hier ist und mit der Mannschaft Fußball spielen kann.“
Leverkusen stellt Bemühungen um Calhanoglu ein
Viele vermuten, dass Calhanoglu den HSV nur erpressen will, die Freigabe für einen Wechsel nach Leverkusen zu erteilen. Ein Angebot über 12,5 Millionen Euro Ablöse steht im Raum. Doch nachdem sich die Hamburger stur stellten und Clubchef Carl Jarchow dem Werksclub schriftlich mitteilte, dass man an einem Verkauf nicht interessiert sei, ruderte Bayer-Geschäftsführer Michael Schade offiziell zurück: „Für mich ist die Sache abgeschlossen. Der Mann hat ja einen Vertrag.“
Eine Äußerung, die wohl nicht mehr als eine Momentaufnahme ist, was auch eine weitere Äußerung Schades zeigt: „Wenn sich die Umstände ändern sollten, können wir über das Thema noch einmal reden. Wir haben dem HSV ein Angebot gemacht. Wir wollen den Spieler, und der Spieler will zu uns.“
Dringend reden wollen übrigens auch die Verantwortlichen des HSV gern direkt mit Calhanoglu. Allerdings ist es Trainer Mirko Slomka bisher nicht gelungen, zum Spieler vorzudringen. „Er hat wohl seine Handynummer gewechselt“, mutmaßte Kreuzer am Montag, einst die absolute Vertrauensperson des Talents. „Eigentlich sollte er uns als Angestellter des Vereins seine neue Nummer mitteilen. Aber vielleicht geht es ihm so schlecht, dass er nicht in der Lage ist, sie uns zu geben.“
Doch auch Kreuzer und Slomka dürfte nicht entgangen sein, dass Calhanoglu für seine Freunde durchaus erreichbar ist. Die vom HSV bestellten Ärzte, die den Freistoßspezialisten eigentlich Anfang dieser Woche untersuchen sollten, konnten bisher deshalb nicht aktiv werden.
Zwei Talente, zwei Wege. Wie eine „Beziehung“ zum HSV auch aussehen kann, fühlt man bei einer Unterhaltung mit Demirbay bereits nach wenigen Minuten. Am 11. Januar 2013 unterschrieb er seinen ersten Profivertrag bei den Rothosen. Das Datum hat er sich riesengroß in römischen Zahlen auf den linken Unterarm tätowieren lassen. „Es war ein Kindheitswunsch von mir, einmal zu den Profis zu gehören. Ich brenne darauf, dem HSV das Vertrauen zurückzahlen zu können, und will endlich die Bundesliga erleben. Ich will angreifen, mir einen Stammplatz erkämpfen.“ Ob auf der Sechs, der Acht oder der Zehn? Egal, Hauptsache im Zentrum.
Auf den Bolzplätzen in Gelsenkirchen-Buer holte sich der Mittelfeldspieler die auffällig filigrane Technik. „Für mich gab es immer nur Fußball. Ich habe mich oft mit meinen Eltern gestritten, die meinten, ich müsste besser in der Schule sein. Aber ich habe ihnen schon damals gesagt, dass ich sowieso Fußballprofi werde.“
Rund um das Datum seiner Vertragsunterschrift ziert jetzt ein weiteres Tattoo mit den Namen seiner Familie den Arm. Ein Symbol für die ewige Dankbarkeit. „Selbst mit Geld kann ich das nicht zurückzahlen, welche Unterstützung ich durch sie erfahren habe.“
Für Calhanoglu dient die Familie in Mannheim derzeit als Zufluchtsort. Ob die Eltern aber die richtige Rückendeckung geben, ist zumindest zweifelhaft. Dem Vernehmen nach soll vor allem Papa Calhanoglu sehr erfreut gewesen sein über das Angebot Leverkusens, seinem Sohn künftig drei Millionen Euro Gehalt pro Jahr zu zahlen. Der dominate Vater soll Druck auf Berater Bektas Demirtas ausüben, den Transfer abzuwickeln, nach dem Motto: Sonst wirst du einen Klienten verlieren. Die Frage, die sich stellt, ist, ob Calhanoglu gut beraten ist. Die Indizien sprechen eher für eine Täuschung.
Der Fall Calhanoglu beschäftigt auch die Mannschaft, klar, auch wenn Demirbay die Stimmung im Team lobt: „Wir sind eine gute Einheit, alle fühlen sich wohl. Wir wollen hart dafür arbeiten, eine ruhigere Saison zu erleben.“ Sollte der HSV jedoch wirklich vorhaben, Calhanoglu wieder im Verein zu „sozialisieren“, dürfte der Weg dorthin noch weit sein.