Nach der Vorlizenzierung der DFL ist klar, dass es selbst bei Klassenerhalt keinen Spielraum gibt. Kacar und Djourou belasten den Etat außerplanmäßig.
Hamburg. Es dauerte nicht lange, bis Carl Jarchow auch offiziell reagierte. „Wir werden die Bedingungen für den Erhalt der Lizenz innerhalb der vorgegebenen Frist erfüllen“, ließ sich der Vorstandsvorsitzende des HSV am Dienstagnachmittag auf der vereinseigenen Homepage zitieren (das Abendblatt berichtete).
Nicht einmal zwei Stunden nach der Pressemitteilung der Deutschen Fußball-Liga DFL, dass mehrere Profivereine – darunter eben auch der HSV – die Spielberechtigung für die kommende Saison lediglich unter Bedingungen und Auflagen erhalten, war die Botschaft des Vereinschefs mehr als deutlich: alles halb so wild.
Tatsächlich wurde im Lizenzierungsverfahren der DFL keinem Verein aus der Ersten oder Zweiten Liga in erster Instanz die Lizenz verweigert – was allerdings nicht bedeutet, dass alle Clubs automatisch eine Lizenz für die kommende Spielzeit erhalten. Aktuelles Beispiel hierfür ist der MSV Duisburg, dem vor einem Jahr erst in zweiter Instanz die Lizenz abgesprochen wurde. Der damalige Zweitligist konnte mehrere von der DFL gestellte Bedingungen nicht erfüllen und musste am Ende in die Dritte Liga absteigen.
Und obwohl die genauen Bedingungen für den HSV öffentlich noch nicht kommentiert wurden, gilt eine etwas salopp formulierte Auflage schon jetzt als sicher: Sparen! Der HSV, das ist längst kein Geheimnis mehr, hat in den vergangenen vier Jahren kolossal über seine Verhältnisse gelebt. In der Spielzeit 2010/2011, als Jarchow und Joachim Hilke die geschassten Vorgänger Bernd Hoffmann und Katja Kraus beerbten, schloss der Verein das Geschäftsjahr nach sieben Jahren mit positiven Ergebnissen in Folge noch mit einem vergleichsweise moderaten Minus von 4,9 Millionen Euro ab. Ein Jahr später wuchs der Verlust bereits auf 6,6 Millionen Euro, ehe in der vergangenen Saison ein Rekordminus von 9,8 Millionen Euro erwirtschaftet wurde. Und bereits jetzt ist klar, dass – anders als vor Saisonbeginn anvisiert – auch das laufende Geschäftsjahr mit einem Millionen-Minus abgeschlossen wird.
Hauptgrund für die desaströse Wirtschaftsbilanz der vergangenen vier Spielzeiten ist der seit Jahren überteuerte Kader, der von den Gehältern her auch in der vierten Saison ohne internationalen Wettbewerb noch immer europäisch anmutet. Mit Bayern, Schalke, Dortmund, Wolfsburg und Leverkusen zahlen lediglich fünf Bundesligaclubs im Durchschnitt bessere Gehälter als der HSV, der sich seine Mannschaft auch in dieser Spielzeit wieder mehr als 40 Millionen Euro hat kosten lassen.
Zum Vergleich: Der Tabellenachte FC Augsburg, kommender Gegner des HSV, zahlt seinen Profis bei einem Gesamtetat von 39 Millionen Euro gerade mal 17 (!) Millionen Euro. So ist es auch kein Wunder, dass der HSV in finanzielle Schieflage geraten ist, obwohl sich die Hamburger über deutlich höhere Marketingeinnahmen, mehr als doppelt so hohe Zuschauereinnahmen und mehr als dreimal so hohe Sponsoringgelder wie die Augsburger freuen dürfen.
Während es beim FCA keinen einzigen Gehaltsmillionär gibt – Nationalspieler André Hahn verdiente bislang lediglich 200.000 Euro –, gibt es beim HSV kaum einen Profi, der unter einer Million Euro verdient. Topverdiener ist Rafael van der Vaart mit 3,5 Millionen Euro, zudem sollen auch René Adler, Heiko Westermann, Marcell Jansen und Slobodan Rajkovic mehr als zwei Millionen Euro pro Saison kassieren.
Ivo Ilicevic, der seit seinem Wechsel vom 1. FC Kaiserslautern gerade mal fünf Tore erzielte, erhält nach Angaben des „Spiegels“ 1,92 Millionen Euro Grundgehalt und wird zudem wie alle anderen Profis zusätzlich über ein individuelles Prämiensystem entlohnt. So darf sich der Kroate bei einem Einsatz von Beginn an über weitere 10.000 Euro pro Punkt freuen, bei einer Einwechselung zwischen der 45. und 75. Minute erhält er immer noch 7500 Euro pro Punkt, und von der 75. Minute an gibt es noch 5000 Euro pro Punkt. So erhielt Ilicevic in der laufenden Saison Bonuszahlungen von insgesamt 90.000 Euro.
Doch während Ilicevic zumindest in der Rückrunde überwiegend zu den Leistungsträgern des HSV zählt, bereiten Sportchef Oliver Kreuzer zwei ganz andere Topverdiener in den Finanzplanungen für die kommende Saison Kopfzerbrechen. Zum einen durfte sich gerade erst Johan Djourou, dessen Festgehalt von 1,8 Millionen Euro durch Prämienzahlungen bis auf 2,4 Millionen Euro anwachsen kann, über die nach 20 Saisoneinsätzen vertraglich vereinbarte Verlängerung bis 2016 freuen, die von den Verantwortlichen des HSV im Winter nicht einkalkuliert war.
Noch viel weniger plante Kreuzer aber in der kommenden Saison mit Gojko Kacar, der bis Sommer an Cerezo Osaka in Japan verliehen ist. Nach Abendblatt-Informationen will der Serbe allerdings unter keinen Umständen in Fernost bleiben, womit sein üppiges Salär (1,8 Millionen Euro) in der kommenden Saison den ohnehin bis zum Anschlag aufgepumpten HSV-Gehaltsetat erneut belasten wird.
Wie tief der HSV tatsächlich in der Finanzfalle steckt, wurde bereits im vergangenen Sommer überdeutlich. Da schaffte es Kreuzer lediglich durch hohe Abfindungen, die Topverdiener Marcus Berg und Paul Scharner zum Gehen zu bewegen. Michael Mancienne, Robert Tesche und Rajkovic ließen sich dagegen nicht einmal durch eine zeitweise Versetzung zur U23 zum Vereinswechsel überreden, da sich in ganz Europa kein Verein finden wollte, der ähnliche Gehälter zu zahlen bereit war. Beim früheren Nationalspieler Dennis Aogo, der in Hamburg sogar knapp drei Millionen Euro verdient haben soll, nutzte Schalke 04 die mittlerweile in der ganzen Bundesliga bekannte Schieflage des HSV aus, um die zuvor vereinbarte Ablöse von 3,5 Millionen Euro auf zwei Millionen Euro zu drücken.
Ähnliche Szenarien dürften sich in diesem Sommer wiederholen – selbst wenn das sportliche Minimalziel Klassenerhalt doch noch über die Relegation erreicht wird. Im Falle des Abstiegs müsste der HSV wohl sogar alle Topverdiener – gegebenenfalls auch ohne Ablöse – ziehen lassen, um den Gehaltsetat zu entlasten. Zudem könnte eine Bürgschaft durch Milliardär Klaus-Michael Kühne erforderlich sein. Bei Verbindlichkeiten von 100 Millionen Euro muss der Verein ligaunabhängig sparen – das hat die DFL dem HSV am Dienstag schwarz auf weiß bestätigt.