Hinter dem Wirbel um den Vertrag des HSV-Talents Jonathan Tahs steckt ein Familienstreit. Vater Aquila soll den Profivertrag des 17-Jährigen verschickt haben, bestreitet dies aber. Er droht sogar damit, Berater Akeem Adewunmi zu verklagen.
Hamburg. Bereits die Betreffzeile der E-Mail, die das Abendblatt am Wochenende erreichte, hatte es in sich: „Vertrag HSV-TAH – Wie kann man die Karriere eines jungen Fußballspielers missbrauchen und ruinieren!“ stand dort geschrieben. Als offizieller Absender der brisanten Post, die im Anhang detaillierte Vertragsinhalte zwischen dem HSV und dessen 17 Jahre altem Abwehrtalent Jonathan Tah bereithielt, wurde ein gewisser Joel Bernard Essomba genannt, ein beim Weltverband Fifa lizenzierter Spielervermittler aus Kamerun. Neben einem Vertragsangebot aus dem vergangenen Jahr, der Änderungs- und Verlängerungsvereinbarung des Arbeitsvertrags sowie einer Beteiligungsvereinbarung zwischen Tahs Berater Akeem Adewunmi und der Familie Tah wurden auch jede Menge Informationen beigefügt, wer wann was verhandelt und unterschrieben hat. Nur eine Frage ließen die drei Mails, die an das Abendblatt und andere Hamburger Zeitungen verschickt wurden, offen: Warum der Gang an die Öffentlichkeit?
Eine Frage, die am Dienstag zumindest in Ansätzen beantwortet wurde. So erklärte Essomba, der angebliche Verbreiter der Vertragsdetails, gegenüber dem Abendblatt, dass nicht er, sondern Tahs Vater Aquila die Mails mutmaßlich verschickt habe. „Leider wurde die Mail, die an alle Zeitungen verschickt wurde, gefälscht und mein Name missbraucht. Jonathans Vater hat vermutlich meine Mailadresse gefälscht und die Vertragsdetails ohne mein Wissen verbreitet“, sagte Essomba. Warum Tahs Vater, ein gebürtiger Ivorer, der in Frankreich wohnt und arbeitet, dies getan haben soll, wisse er nicht. Ein mögliches Motiv, das in einer der Mails auch formuliert wurde: Offenbar gab es mit Manchester City und dessen Scout Sebastian Arnesen, dem Sohn von Ex-HSV-Manager Frank Arnesen, Gespräche über einen Wechsel Tahs im Sommer für acht Millionen Euro. Essomba beteuerte allerdings, auch mit diesen angeblichen Verhandlungen nichts zu tun zu haben. „Ich habe Tahs Vater noch am Montag angerufen und mit juristischen Schritten gedroht, sofern er tatsächlich meinen Namen missbraucht haben sollte. Ich betone, dass ich mit der ganzen Sache nichts zu tun habe.“
Da Tahs Vater Aquila Essombas Version bestreitet, hatte das Abendblatt zunächst auf eine voreilige Veröffentlichung der Vertragsdetails bewusst verzichtet. „Ich habe keine Vertragsdetails meines Sohnes an Zeitungen verschickt“, sagte Tahs Vater, „ich will nur das Beste für meinen Sohn. Und wenn das Beste für ihn ist, dass er in Hamburg bleibt, dann bin ich auch zufrieden. Herr Adewunmi ist aber nicht Jonathans Berater, er arbeitet nur für den HSV, nicht für uns. Er hat uns bisher manipuliert für seine Interessen, er hat keinen Vertrag mit uns.“ Tah senior kündigte am Abend in einer weiteren Mail sogar an, Adewunmi zu verklagen: „Du sollst nicht die Karriere meines Sohnes kaputt machen, weil Du als Amateurfußballspieler nichts erreicht hast!“ Tah junior, der in der kommenden Woche 18 wird, wollte den speziellen Vorgang und die Vorwürfe auf Nachfrage nicht kommentieren, ebenso wenig wie sein Berater Adewunmi.
Beim HSV wollte man den Millionen-Familienstreit, durch den Gehalts- und Prämienzahlungen an die Öffentlichkeit gelangten, dagegen nicht unkommentiert lassen. Da habe jemand mit krimineller Energie gehandelt, sagte Sportchef Oliver Kreuzer, der den Vorgang als „Skandal“ bezeichnete und sich ebenfalls juristische Schritte vorbehalten wollte. Die Behauptung des Mailschreibers, dass der Vertrag nichtig sei, weil Tah bei Unterzeichnung erst 17 Jahre alt gewesen sei und man laut Fifa-Statuten erst ab 18 Jahren für drei oder mehr Jahre unterschreiben darf, hält Kreuzer für aberwitzig: „Der Vertrag ist rechtskräftig und liegt der DFL vor. Der bestehende Vertrag wurde nur um zwei Jahre verlängert.“
Fabelsumme von 25 Millionen Euro
Unabhängig von den genauen Gehaltszahlen – ab Sommer kassiert Tah monatlich 50.000 Euro Grundgehalt, das bis Sommer 2018 auf 120.000 Euro gestaffelt angehoben wird – wurde durch den veröffentlichten Vertrag aber auch ein bislang stets dementiertes Detail offengelegt. So wurde vom HSV immer beteuert, dass es keine Ausstiegsklausel für das Abwehrtalent aus dem bis zum 30. Juni 2018 laufenden Kontrakt gebe. Tatsächlich hätte der Youngster aber laut vorliegendem Arbeitsvertrag bereits im Winter für die Fabelsumme von 25 Millionen Euro den Verein wechseln dürfen. Ab Sommer 2015 reduziert sich die festgeschriebene Ausstiegsklausel auf 15 Millionen Euro, wobei sich der HSV ein Vetorecht durch eine Gehaltsanhebung auf 150.000 Euro im Monat hat sichern können. Immerhin: Selbst im Fall eines Abstiegs gelten die getroffenen Ausstiegsklauseln. Doch auch beim Ausrüster musste der HSV Zugeständnisse machen. Unter D.1. (Sonstiges) ist festgeschrieben, dass Tah lediglich in dieser Saison mit Schuhen des offiziellen Vereinsausrüsters Adidas spielen muss. Ab der kommenden Spielzeit darf der dann 18-Jährige mit Schuhen vom Privatausrüster Nike auflaufen.
So weit, so gut. Wirklich mysteriös wird der Mailverfasser dann in seinem letzten Schreiben, in dem er Tah-Berater Adewunmi gar Voodoo-Methoden unterstellt. So habe der Hamburger Spielerberater, dem in der Branche ein tadelloser Ruf nachgesagt wird, Tahs deutsche Mutter, die in Altona lebt, „mit afrikanischer schwarzer Magie geblendet“. Er sei jetzt „wie ein Gott für die blonde Mutter und ihren Sohn“.
Tah, der im Gegensatz zu seinen erfahrenen Kollegen gesetzt ist und auch am Sonnabend gegen Berlin spielen soll, muss nun offenbar seine Abwehrqualitäten zunächst mal außerhalb des Spielfelds unter Beweis stellen.