Nach dem Ausfall René Adlers rückt HSV-Spaßvogel Jaroslav Drobny vor dem Rückrundenstart gegen Schalke am Sonntag nur ungern ins Rampenlicht.
Hamburg. Jaroslav Drobny hat es also doch geschafft. Den Bambusschlagstock, den er Anfang Januar in Indonesien mit einem Polizisten gegen seine Torwarthandschuhe eingetauscht hatte und den er im Trainingslager von Abu Dhabi wie eine Trophäe präsentierte, hat der Tscheche doch wirklich durch alle Kontrollen, Zeitzonen und Kontinente bis nach Hamburg geschleust. Was er denn damit wolle, hatte einer der Medienvertreter, mit denen der etwas eigenwillige HSV-Profi normalerweise ohnehin nicht spricht, in Indonesien gefragt. „Der ist cool“, antwortete Drobny ebenso cool und demonstrierte mit einer kurzen, ausholenden Bewegung, wozu so ein Bambusstock doch gut sein kann. „Für Journalisten“, sagte der Keeper – und lachte.
Drobny, 1,92 Meter groß, ein Körper wie ein Möbelpacker, aber ein Gesicht wie Michel aus Lönneberga, ist Torhüter – und Torhüter, so heißt es doch, müssen verrückt sein. „Drobo ist verrückt, positiv verrückt“, sagt HSV-Torwarttrainer Ronny Teuber, der nicht nur Drobnys Scherze zu schätzen weiß: „Sicherlich ist er ein Spaßvogel, aber vor allem ist er ein verdammt guter Torhüter.“ Und dass dieser „verdammt gute Torhüter“ erneut für den doch schlimmer am Knöchel verletzten René Adler zumindest in den ersten beiden Rückrundenspielen gegen Schalke (Sonntag, 17.30 Uhr) und eine Woche später in Hoffenheim das Tor hüten muss, bereitet Teuber überhaupt keine Sorgen: „Unser deutscher Nationaltorhüter fällt aus, und unser tschechischer Nationaltorhüter springt für ihn ein. Solche Probleme muss man haben.“
Seit zwei Wochen lässt sich Adler im UKE Athleticum erneut behandeln, ins Mannschaftstraining soll er frühestens in zwei Wochen wieder einsteigen können. Doch wirkliche Angst vor einem Saisonstart ohne Deutschlands Nummer zwei scheint beim HSV dank Drobny, der auch in den Testspielen gegen Vitesse Arnheim und den FC Basel überzeugen konnte, niemand zu haben. „Das ist unsere kleinste Baustelle“, sagt Sportchef Oliver Kreuzer, „Drobo war nie ein klassischer Ersatztorhüter. René ist unsere Nummer 1a und Drobo unsere 1b. Das ist so ähnlich wie damals bei Deutschland mit Lehmann und Kahn.“
Anders als bei den früheren DFB-Nationaltorhütern hat Drobny seine Rolle als Ersatzmann, egal ob als 1b oder Nummer 2, schnell angenommen. Er schätze seinen Kollegen, sagte der Keeper, Adler sei ein „toller Torhüter, der bestimmt mit Deutschland zur WM fahren wird“. Lediglich vor Adlers Verpflichtung habe es Irritationen gegeben. „Natürlich war ich am Anfang enttäuscht. Aber ich konnte mich dann gut mit der Situation arrangieren. In meinem Alter sollte man mit der Wahrheit umgehen können“, sagte der mittlerweile 34-Jährige im Sommer bei einem Gespräch mit der „Welt“, seinem einzigen Interview seit zwei Jahren.
Offizielle Medienanfragen wehrt Drobny normalerweise genauso energisch ab wie Schüsse von Gegenspielern. „Ich mag es nicht, zwischen Tür und Angel irgendwelche Fragen gestellt zu bekommen“, erklärte der Familienvater im Sommer – und daran hat sich auch nichts nach Adlers Verletzung und seiner ungeplanten Beförderung geändert. Im Smalltalk witzelt Drobny auch mit Journalisten gerne herum, macht Späße, auch über sein Schweigegelübde. Doch sobald jemand Anstalten macht, Stift und Block aus der Hosentasche zu holen, wird er böse, wenn auch nicht ganz ernst gemeint. Da wird es dann schon mal derb, was aber in Wahrheit nicht beleidigend sein soll. Bei Schimpfwörtern ist Drobny ohne Zweifel beim HSV die unangefochtene 1a.
„Er ist ein wirklich guter Mensch“
Dass der Keeper aber auch ganz anders, dass er hilfsbereit, zuvorkommend und richtig nett sein kann, das behauptet Landsmann Petr Jiracek, den Drobny seit dessen Transfer aus Wolfsburg vor anderthalb Jahren unter seine Fittiche genommen hat. „Er ist ein wirklich guter Mensch“, sagt der eher introvertierte Tscheche, der seinen Kumpel wohl so gut wie kein Zweiter beim HSV kennt. Drobny habe ihm das Einleben in der fremden Stadt leicht gemacht, habe ihm alles erklärt und ihm sogar eine Wohnung besorgt. In Othmarschen wohnt Jiracek jetzt im Apartment über der Wohnung Drobnys, kommt jeden Tag zum Kaffee, zum Essen oder einfach so vorbei. Aber findet er Drobny nicht auch ein bisschen, na ja, bekloppt? Jiracek zuckt mit den Schultern. „Wenn Drobo in die Kabine kommt, dann wird’s lustig“, antwortet er schließlich.
Nur auf dem Platz ist Schluss mit lustig. Auch im Training lässt sich der Oldie bereitwillig von Torwarttrainer Teuber scheuchen, gönnt sich kaum eine Pause. „Er ist enorm ehrgeizig, auch im Training“, sagt Teuber. Mit Kritik könne er umgehen, sagte Drobny über sich selbst, „am meisten ärgere ich mich nach einem Fehler über mich selbst. Ich könnte dann durchdrehen.“
Bis 2015 wird er noch durchdrehen, egal ob als 1a oder 1b, wird jeden Morgen auf den Trainingsplatz schlurfen, sich in den Dreck schmeißen und ab und an Journalisten mit Ähnlichem, natürlich nur verbal, beschmeißen. Dann, mit 35 Jahren, soll vorerst Schluss sein. Aber für die Karriere nach der Karriere hat Drobny längst vorgesorgt. Seinen A-Trainer-Schein absolviert er nebenbei in unregelmäßigen Kursen in der Heimat, seine Uefa-Pro-Lizenz soll folgen. Dann würde er sich am liebsten als Coach, gerne im Jugendbereich beim HSV, engagieren. Und die Chancen stehen nicht schlecht. Denn hat Drobny sich etwas in den Kopf gesetzt, dann schafft er das auch immer. Fast immer.