„Mit der Rolle des Außenseiters kann ich gut leben“, sagt der HSV-Sportchef. Vor dem ersten Spieltag gibt sich Oliver Kreuzer optimistisch. Der Europapokal ist sein „realistisches“ Ziel.

Hamburg. Wetten will Oliver Kreuzer nicht. Aber zuversichtlich sei er schon, dass der HSV auf Schalke am Sonntag (17.30 Uhr) erfolgreich in die Saison startet. „Wir hatten eine sehr gute Vorbereitung, in der wir in Ruhe arbeiten konnten.“ Störend wirkten einzig die beiden Testspielniederlagen in Dresden (0:4) und gegen West Ham United (1:3). “Insofern sollte der Europapokalplatz in dieser Saison ein realistisches Ziel sein“, zog Kreuzer eine erste Bilanz kurz vor dem Bundesligastart. Doch längst nicht alle dem HSV Zugeneigten sind ähnlich optimistisch wie der neue Sportchef. „Es ist doch gut, wenn die Erwartungshaltung nicht so groß ist. Mit der Rolle des Außenseiters kann ich gut leben.“

Seit genau zwei Monaten ist Kreuzer nun im Amt. „Langweilig wird es sicher nicht“, hatte er zum Arbeitsbeginn prophezeit – und mit dieser Aussage traf der ehemalige Karlsruher ins Schwarze. Ruhige Zeiten hat der HSV ja schon seit längerem nicht mehr erleben dürfen, doch die Vorbereitung zur neuen Saison hielt wieder einiges an Extra-Zündstoff parat. Gleich im ersten Testspiel blamierte sich der HSV nach Kräften beim 0:2 in Innsbruck, was Kreuzer zum ersten Mal auf die Palme brachte. Eine Wutrede in der Kabine folgte nach dem indiskutablen 0:4 in Dresden. Dann polterte ein „Maulwurf“ aus dem Aufsichtsrat, dass der HSV „finanziell gegen die Wand fahren würde“, was den Vorstand gehörig verärgerte. Und nicht zuletzt empörten sich gleich eine Reihe von Spielern, die aus dem Profikader geschmissen wurden, ohne sich etwas zu Schulden gekommen zu lassen haben – was nicht jeder Anhänger des Vereins nachvollziehen kann und auch die Spielergewerkschaft erzürnte.

Doch Kreuzer bringt dieser erste Gegenwind nicht aus der Ruhe. „Die Situation, die ich hier in Hamburg vorfinden werde, war mir durchaus bewusst. Auch dass es schwer wird, gewisse Spieler abzugeben und mit dem mir zur Verfügung stehenden Budget auf dem Transfermarkt erfolgreich zu sein. Doch ich habe nie an meinen harten Entscheidungen gezweifelt.“

Anfangs konnte der 47-Jährige durchaus Erfolge verzeichnen, lotste Johan Djourou, Jacques Zoua und Lasse Sobiech an die Elbe und konnte sogar Problemfall Marcus Berg nach Athen transferieren (wenn auch nur mit Hilfe einer Abfindung), woran sein Vorgänger Frank Arnesen verzweifelte. Doch seitdem geriet das Spielerkarrussel ins Stocken, von der angepeilten Verkleinerung des Kaders auf 24 Mann ist Kreuzer noch fünf Spieler entfernt: Slobodan Rajkovic, Michael Mancienne, Gojko Kacar, Robert Tesche und Paul Scharner sollen gehen. „Ich kann sie nicht zwingen, den Verein zu verlassen. Wenn keiner mehr weg will, dann bleibt der Kader eben so, wie er ist“, gab der ehemalige Bayern-Profi zu.

Dabei hat Kreuzer den aussortierten Profis deutlich zu verstehen gegeben, dass sie in Hamburg kein Bundesligaspiel mehr bestreiten werden und die ersten Akteure bereits ins Regionalligateam verbannt – weitere sollen folgen. Ein Zurück wird es für sie nicht mehr geben, auch nicht, falls der HSV vom Verletzungspech verfolgt werden sollte. „Dann müssen einige Spieler eben für sie ungewohnte Positionen einnehmen oder wir ziehen einen Amateur hoch. Doch einen Schlingerkurs wird es mit mir nicht geben, dann wären wir ja total unglaubwürdig.“ Bis zum 31.August hat der Sportchef noch Zeit, den Kader zu verschlanken und punktuell zu verbessern. „Wenn wir die fünf Spieler alle loswerden, können wir noch einen Stürmer und einen Außenverteidiger verpflichten. Damit wären wir dann voll zufrieden.“

Klare Worte scheut Kreuzer auch nicht, wenn er auf die fast jährlichen Personalwechsel auf dem Trainer- und Managerposten des HSV und die daraus resultierenden Kursänderungen bei der Kaderzusammenstellung zu sprechen kommt. Der Verschleiß sei eine Geldvernichtungsmaschine. Er kann sich heiß reden, wenn es um die Fluktuation in der Führung, überteuerte Millionen-Transfers und die wenig erfolgreiche Nachwuchsarbeit geht. Eine erste Maßnahme hat Kreuzer auch in diesem Bereich bereits ergriffen: Die U23 trainiert in diesem Jahr wieder in Norderstedt und nicht neben den Profis am Stadion, wie von Arnesen eingeführt. Einigen Nachwuchskräften sei die „räumliche Beförderung“ wohl zu Kopf gestiegen, heißt es.

Kreuzer hat in Hamburg noch einiges vor, auch wenn ihm bewusst ist, dass die Verweildauer eines Sportchefs beim HSV in der Vergangenheit nicht viel größer war als die des Trainers. Er ist dennoch fest davon überzeugt, Bleibendes zu schaffen. Immerhin scheinen die Buchmacher dem Händchen Kreuzers und einem erfolgreichen Abschneiden des HSV Glauben zu schenken: Wer vor Beginn des ersten Spieltages darauf gesetzt hat, dass Trainer Thorsten Fink am 31. Dezember noch als Trainer des HSV im Amt sein wird, bekommt beim Sportwettenanbieter mybet bei zehn Euro Einsatz nur 12,50 Euro zurück. Da gab es in der Vergangenheit mit Wetten auf den HSV schon weit mehr zu verdienen.