Kreuzer spricht vor dem Ligastart am Sonntag gegen Schalke 04 Klartext: Der Sportchef kritisiert die Einstellung des Teams und macht den aussortierten Profis keine Hoffnungen.

Hamburg. Oliver Kreuzer weiß, dass dem finanziell gebeutelten HSV kaum etwas zugetraut wird in der anstehenden Bundesligasaison. Fast trotzig kokettiert der Nachfolger von Frank Arnesen auf dem Posten des Sportdirektors mit der Rolle des Underdogs. „Ist doch gut, dass die Erwartungshaltung nicht so groß ist“, sagte der 47-Jährige vor dem Ligastart gegen Schalke 04 am Sonntag (17.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de). Ein Europa-League-Platz ist für ihn nach zuletzt Rang sieben keine Pflicht, aber ein Wunschziel.

Eine feste Vorgabe würde die Profis nur blockieren, meint der Ex-Bayern-Profi. Der Kritik von Experten und Fans an der fehlenden Konstanz beim HSV gibt er aber Recht. Gemeinsam mit Trainer Thorsten Fink will er gegen die schnelle Selbstzufriedenheit nach Erfolgen kämpfen. Kein noch so unwichtiges Match dürfe leichtfertig verloren werden. Kreuzer: „In der heutigen Medienwelt wird jedes Ergebnis bis nach China transportiert. Dessen muss sich jeder Profi bewusst sein.“

Immer nur Gucci hier, Gucci da!

So nahm er kein Blatt vor den Mund, als die Elf um Rafael van der Vaart in Dresden 0:4 unterging. „Grundsätzlich ist die Kabine Trainerbereich. Aber ich nehme mir das Recht heraus, Klartext zu reden.“ Er warf den Profis lautstark vor, sich mehr für Freizeit und Designerklamotten als für den HSV zu interessieren. „Immer nur Gucci hier, Gucci da! Wir fliegen mit einer Privat-Maschine hier hin. Ihr habt ein Fünf-Gänge-Buffet. Wir tun alles, um die besten Möglichkeiten zu schaffen. Da kann man wenigstens verlangen, sich ordentlich zu verkaufen. So etwas will ich nie wieder sehen“, sagte Kreuzer nach Informationen der „Sport Bild“.

Doch auch der wiedergenesene René Adler kritisiert den Auftritt gegen Dresden. „Ich erwarte in einem solchen Spiel vollen Einsatz, egal, wer auf dem Platz steht. Das können B-Jugendliche sein“, sagte Adler. Der zuletzt lange verletzte Nationaltorhüter, der nach seiner Startelf-Rückkehr grünes Licht für einen Einsatz am kommenden Wochenende gegen die Königsblauen gab, ärgerte sich maßlos über die Vorstellung seiner Vorderleute gegen den Sechstligisten. „Viele Spieler wollen in die Mannschaft, da verstehe ich so etwas nicht. Egal, gegen wen es geht, jeder Spieler muss alles geben.“

Der blutleere Auftritt in der Nähe von Bremen nährt die Zweifel an der Qualität der Hamburger Mannschaft, die sich trotz einer schwachen Vorbereitung das Ziel Europacup auf die Fahnen geschrieben hat. „Ich bin sehr enttäuscht“, sagte HSV-Trainer Thorsten Fink der Bild-Zeitung: „Das war viel zu wenig, wenn man sich für die Startelf anbieten will, Sonntag auf Schalke spielen will.“

Adler ist beim HSV nicht der erste Führungsspieler, der bereits vor dem ersten Ligaspiel Alarm schlägt. Vor ihm hatte schon Kapitän Rafael van der Vaart Dampf abgelassen. „Wir wissen, dass wir es können, aber wir können es nicht in jedem Spiel umsetzen. Das muss sich ändern, sonst können wir von der Europa League sprechen, werden sie aber nicht erreichen“, sagte der Niederländer der Welt am Sonntag. Der Spielmacher sei sich zwar „sicher, dass wir eine gute Saison spielen werden“, aber: „Wenn wir solche Auftritte wie in Dresden nicht herausbekommen, sind wir am Ende möglicherweise auch nur 14. Es wäre eine Schande.“

Kreuzer kritisiert die fast jährlichen Personalwechsel

Klare Worte scheut Kreuzer auch nicht, wenn er auf die fast jährlichen Personalwechsel auf dem Trainer- und Managerposten und die daraus resultierenden Kursänderungen bei der Kaderzusammenstellung zu sprechen kommt. Der Verschleiß sei eine Geldvernichtungsmaschine. Er kann sich heißreden, wenn es um die Fluktuation in der Führung, überteuerte Millionen-Transfers und die brachliegende Jugendarbeit geht. Man merkt ihm an, dass sein Weg ein anderer sein soll.

Und er weiß, dass er nach seinem vergleichsweise beschaulichen Job beim Karlsruher SC wie Fink auf einem Schleudersitz Platz genommen hat. Viele geben ihm nicht mal ein Jahr. Kreuzer kann da nur lächeln. Er begegnet all den Erwartungen an den früher so erfolgreichen Traditionsclub cool und ist entschlossen, Bleibendes zu schaffen.

Kontinuität soll es beim HSV wieder geben, dazu ein Team, das langfristig auf Europacup-Niveau spielt. Wie Fink setzt er auf die Jugend – für Stars hat er kein Geld. „Titel sind das Salz in der Suppe, aber ich mache erfolgreiche Arbeit nicht an Titeln fest“, sagte er. Um die erfahrene Achse van der Vaart, René Adler und Heiko Westermann will er die jungen Profis wie Lasse Sobiech (22), Jacques Zoua (21), Maximilian Beister (22) sowie die Youngster Kerem Demirbay (20), Hakan Calhanoglu (19), und Jonathan Tah (17) platzieren.

Dringend benötigt wird noch ein Topstürmer – Geld hat er aber erst, wenn zwei, drei Aussortierte einen neuen Verein finden. Eren Derdiyok von 1899 Hoffenheim wird gehandelt. Kreuzer: „Er passt ins Profil. Ein Leihgeschäft wäre denkbar. Ich habe gewusst, dass ich nicht mit dem großen Einkaufswagen durch Europa fahren kann.“

Ganz Europa weiß von den Schulden, da fällt es nicht leicht, sieben hoch bezahlte Profis um Gojko Kacar von der Gehaltsliste zu bekommen. Nur der für zehn Millionen Euro von Ex-Präsident Bernd Hoffmann verpflichtete Stürmer Marcus Berg ist bisher weg. „Da wurde damals viel falsch gemacht“, kritisierte Kreuzer, der für einen U-21-Spieler nicht einmal die Hälfte ausgeben würde.

Kreuzer macht aussortierten Profis keine Hoffnungen

Auf Begnadigung kann keiner der Aussortierten hoffen: „Einen Schlingerkurs wird es bei mir nicht geben.“ Kreuzer kennt das Geschäft. Er weiß, dass er die Profis nicht zwingen kann, zu gehen. Wer bleibt, wird kein einfaches Leben abseits bei der U 23 haben. So kennt er auch kein Pardon für Paul Scharner, der sogar öffentlich von Erpressung spricht und mit „Krieg“ droht.

Indiskretionen aus dem elfköpfigen Aufsichtsrat und fast täglich daraus resultierende Meldungen über den horrenden Schuldenstand des Bundesligisten erschwerten die Zusammenstellung des Kaders. „Manche Dinge erleichtern vielleicht nicht gerade das Geschäft. Aber das ist eben der HSV, damit muss man umgehen“, betonte er. Mit seinen Vorstandskollegen schrieb er dem mächtigen Gremium einen Brief und drückte das Befremden über die Vorgehensweise aus.

Kreuzer hat sich auch nicht gescheut, den Abschied des talentierten Seeler-Enkels Levin Öztunali zu Bayer Leverkusen zu kritisieren. Es tut ihm weh, wenn er von Rudi Völler hört, wie weit der 17-Jährige schon ist. „Das ist schon schade. Der HSV kann sich nicht erlauben, solche Talente abzugeben. Aber das war vor meiner Zeit. Vielleicht hätte man ihn früher zu den Profis holen können.“