Der degradierte HSV-Profi Scharner ging verbal auf Trainer Fink und Sportchef Kreuzer los. Der Österreicher ist nicht der einzige Profi der Hamburger, der sich in der letzten Zeit über den Verein beklagt hat.

Hamburg. Paul Scharner spricht von Erpressung, Marcus Berg wirft dem HSV amateurhaftes Verhalten vor und Gojko Kacar lässt sich vom Verein nicht weiter kaputt machen. Übertreiben die Profis oder gibt es ein Umgangsproblem beim HSV?

Die Profis sind sich auf alle Fälle einig, dass der HSV sich nicht angemessen verhält. "Ich werde erpresst", sagte Scharner. "Offenbar zählen die Gespräche aus der Vergangenheit nicht mehr." So habe Sportchef Oliver Kreuzer ihm am Montag offenbart, dass er von der kommenden Woche an wie bereits Kacar und Robert Tesche nur bei der U23 mittrainieren dürfe.

Nun wurde dieser Vorgang beschleunigt. Nachdem der 33-Jährige auf Konfrontationskurs gegangen war und nicht bereit war, zu einem englischen Club zu wechseln, zog Sportdirektor Oliver Kreuzer die Konsequenz. „Ich soll sofort zur U23, zumindest laut der SMS von Oliver Kreuzer“, sagte Scharner.

Erst mal in Fahrt, drückte Scharner verbal aufs Gaspedal: "Mit meiner Wade gibt es keine Probleme mehr, aber offenbar gibt es in Deutschland ein Problem mit mir. Die Leistung, die ich in England gebracht habe, zählt hier wohl nicht mehr." Was denn nun seine Pläne seien? "Es gibt verschiedene Optionen: Ich kann wechseln, für die U 23 spielen, aufhören, und ich kann auch Krieg führen."

Berg und Kacar fühlen sich unfair behandelt

Es wäre nicht das erste Mal in diesem Jahr, dass dem HSV statt einer Ablöse eine Abfindung droht. Auch Millionen-Flop Berg bekam als Entscheidungshilfe einen sechsstelligen Betrag, um sich mit einem Wechsel zu Panathinaikos Athen zu arrangieren. Der Schwede zeigte sich wie Scharner enttäuscht vom HSV. "Ich habe in der Zeitung gelesen, dass ich nicht mit der ersten Mannschaft trainieren darf. Das ist schon amateurhaft vom HSV, aber so ist die Fußballwelt", sagte Berg.

Ähnlich erging und ergeht es Kacar. Der Mittelfeldspieler hat von seiner Versetzung zur U23 nach eigenen Angaben nur per E-Mail erfahren. "Ich bin aber mehr enttäuscht als sauer. Jetzt muss ich sehen, wie es weitergehen kann, mein Berater sieht sich nach einem neuen Club für mich um."

Kacar beschwerte sich wie Scharner und Berg über seine Perspektivlosigkeit und das Verhalten des HSV. "Sie wollen mir zeigen, dass ich überflüssig bin, und mich mental schwach machen, damit ich mir einen neuen Verein suche. Aber mich macht der HSV nicht kaputt", sagte Kacar in einem Interview mit der "Sport Bild": "Es ist vielleicht die schwierigste Situation, seit ich Profi-Fußballer bin. Es geht mir alles sehr nahe."

Kacar wurde im Januar eine halbe Million Euro geboten, damit der Serbe seinen kostspieligen Vertrag nicht aussitzt und stattdessen nach Hannover wechselt. Geklappt hat der Deal damals allerdings nicht, weswegen Kacar aktuell der wohl bestbezahlte Regionalligaspieler Deutschlands ist.

Kreuzer ist sich keiner Schuld bewusst

Sportchef Kreuzer ist sich trotzdem keiner Schuld bewusst. "Ich kann die Enttäuschung der Jungs verstehen, aber wir haben den Spielern frühzeitig postalisch, per E-Mail und über ihre Berater Bescheid gegeben", sagt der Neu-Hamburger, der zudem mehrfach versucht habe, auch persönlich mit Kacar, Berg und Tesche zu sprechen. Erreicht habe er aber zunächst nur Tesche.

Auf Begnadigung kann keiner der Aussortierten hoffen: „Einen Schlingerkurs wird es bei mir nicht geben.“ Kreuzer kennt das Geschäft. Er weiß, dass er die Profis nicht zwingen kann, zu gehen. Wer bleibt, wird kein einfaches Leben abseits bei der U 23 haben.

Bereits vor einem Jahr sorgte der ebenfalls aussortierte Slobodan Rajkovic im Abendblatt-Interview für ordentlich Zündstoff und Spekulationsspielraum. „Ich habe hintenherum erfahren, dass der HSV mich verkaufen will. Es war sogar ein Tauschgeschäft mit Dynamo Moskau vom Verein vorgeschlagen worden, ohne dass mein Berater oder ich involviert waren. Ich wurde noch nie so oft angelogen. Aber unser Trainer lügt. Er hat zwei Gesichter. Und leider sehen das in der Mannschaft schon einige so, sagte der Innenverteidiger. „Ich habe gemerkt, dass hier ein falsches Spiel mit mir gespielt wird. Und das geht nicht nur mir so. Ich sage es nur laut, weil das einem tollen Klub großen Schaden zufügen könnte.“

Auch wenn die Vereinsführung des HSV bislang die Vorwürfe der Spieler zurückgewiesen hat, ist auffällig, dass sich die Anzahl der Beschwerden der HSV-Profis häufen.

Parallelen zu 1899 Hoffenheim

Parallelen finden sich in der Fußball-Bundesliga nur bei 1899 Hoffenheim. Dort sortierte kurz vor Beginn der Saison-Vorbereitung Trainer Markus Gisdol zehn Profis beim Bundesligisten aus. Unter anderem absolvieren Tim Wiese, Angreifer Eren Derdiyok, Verteidiger Matthieu Delpierre, der niederländische Nationalspieler Edson Braafheid und Mittelfeldspieler Tobias Weis in der sogenannten "Trainingsgruppe 2" ihre Einheiten.

Die aussortierten Profis, die separat mit einem eigenen Trainer trainieren müssen, durften auch nicht mit auf das offizielle Mannschaftsfoto und sind vom Mannschaftsessen ausgeschlossen. Der Verein macht sich nun möglicherweise juristisch angreifbar. "Das ist nicht in Ordnung und steht rechtlich auf absolut tönernen Füßen", sagte Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV bei „Sport1“.

„Die Spieler haben ein Recht auf Teilnahme am Trainingsbetrieb“, sagte Baranowsky. Sollten sie dies auch nach Schließung des Transferfensters am 31. August nicht gewährt bekommen, "besteht theoretisch die Möglichkeit, dies einzuklagen". Droht nun sowohl Hoffenheim als auch dem HSV juristischer Streit mit ihren Spielern?

Sollte der HSV die harte Gangart beibehalten oder die aussortierten Profis wieder mit der Mannschaft trainieren lassen? Stimmen Sie ab!