Der neue HSV-Sportchef Oliver Kreuzer in einem ganz privaten Gespräch mit dem Abendblatt über Fernbeziehungen, seine Kinder, Geld, die Börse, Hamburg und die Herbertstraße.

Hamburg. Obwohl Oliver Kreuzer erst seit Montagabend in Hamburg ist, weiß sich der neue Sportchef des HSV im Stadion schon zurechtzufinden. Fünf Minuten vor dem verabredeten Zeitpunkt erscheint er in einer Loge im VIP-Bereich. In der Stadt, gibt der gebürtige Badener dagegen zu, könne er sich noch nicht so gut zurechtfinden: „Bislang kenne ich eigentlich nur den Weg vom Hotel ins Stadion und zurück“, sagt er, „meine einzige Abwechslung war ein Termin bei der Bank, um mir ein neues Konto zu eröffnen.“

Hamburger Abendblatt: Herr Kreuzer, zum Start des Gesprächs haben wir uns, wenn Sie erlauben, ein kleines Hamburg-Quiz überlegt.

Oliver Kreuzer: Oha. Dann mal los.

Was oder wer ist denn der Michel?

Kreuzer: Ich weiß, dass der Michel ein Hamburger Wahrzeichen ist. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich aber nicht, was genau der Michel ist.

Wir geben Ihnen einen halben Punkt. Der Michel ist Hamburgs bedeutendste Kirche. Kennen Sie Hagenbeck?

Kreuzer: Ich kenne nur Häagen-Dasz (lacht). Das ist ein Eis aus den USA. Hagenbeck? Klingt nach Gebäck.

Nicht ganz. Hagenbeck ist Hamburgs bekannter Tierpark. Letzte Chance: Was ist die Herbertstraße – und wann waren Sie das letzte Mal dort?

Kreuzer: Jetzt werden Sie sagen: typisch, der Fußballer. Natürlich habe ich schon mal von der Herbertstraße auf St.Pauli gehört, und mit Sicherheit war der eine oder andere frühere Mannschaftskollege von mir auch schon mal dort. Ich muss allerdings gestehen, dass ich noch nie auf der Reeperbahn war.

Sie waren nach Ihrer aktiven Karriere als Sportchef fast so etwas wie ein Wandervogel, waren in Basel, Salzburg, Graz und Karlsruhe. Warum wollten Sie nun unbedingt nach Hamburg?

Kreuzer: Rein sportlich gesehen ist der HSV meine bedeutendste Station als Manager. Mir war von Anfang an klar, dass ich diese Chance ergreifen und nutzen will. Aber natürlich hat mich auch die Stadt Hamburg gereizt. Noch wohne ich ja im Hotel, aber ich will hier möglichst schnell heimisch werden.

Anders als zuvor suchen Sie jetzt auch gemeinsam mit Ihrer österreichischen Lebensgefährtin Doris, die noch in Graz lebt, eine gemeinsame Wohnung. Warum haben Sie sich entschlossen, die Fernbeziehung nach vier Jahren zu beenden?

Kreuzer: Ehrlich gesagt wäre Doris vielleicht auch in diesem Jahr nach Karlsruhe gezogen, wenn ich dort meinen Vertrag verlängert hätte. Zuvor hat es leider irgendwie nie gepasst. Sie hat zwei Kinder und studiert auch noch. Aber in Hamburg gibt es ja eine große Universität, und nach vier Jahren Fernbeziehung wollten wir nun endlich auch mal einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt haben.

Ist es schwer, Beziehung und Beruf unter einen Hut zu bekommen?

Kreuzer: Sehr schwer. Im Profifußball führt man ja ein anderes Leben als beispielsweise ein Bankangestellter. Wenn ein Filialleiter aus Karlsruhe zu einer Bank nach Hamburg wechseln soll, dann hat er zumindest die Möglichkeit, Freitagabend mit dem Flieger zu seiner Familie zurückzufliegen und bis Montagmorgen zu bleiben. Diese Regelmäßigkeit ist im Fußball nicht möglich. Man hat kein freies Wochenende. Eine Fernbeziehung ist deswegen verdammt viel Arbeit für alle Beteiligten. Das muss auch unser Trainer Thorsten Fink wissen. Er und seine Frau haben sich ja entschlossen, dass das gemeinsame Haus in München der Lebensmittelpunkt der Familie sein soll. Ich kann das gut verstehen, allerdings ist das auch schwierig. Aber wahrscheinlich kann ihm niemand bessere Tipps über Fernbeziehungen geben als ich (lacht).

Ist das der Preis, den man für den Traumberuf im Profifußball zahlen muss?

Kreuzer: Ja, und es ist ein hoher Preis. Ich habe zwei Söhne aus meiner ersten Ehe, die beide noch mit meiner Ex-Frau in Basel wohnen. Als ich noch Spieler war, habe ich die beiden natürlich viel gesehen. Aber seit ich Manager bin, ist das leider nicht mehr so möglich. Auch Geburtstage habe ich häufig verpasst. Im letzten Jahr habe ich die Firmung meines Kleinen verpasst, weil der KSC gerade ein Auswärtsspiel hatte. Ich kann da ja kaum sagen: Spielt mal heute ohne mich, ich bin dann mal weg bei einer Familienfeier.

Haben Ihre Kinder Ihnen irgendwann mal einen Vorwurf gemacht?

Kreuzer: Nein, meine Söhne sind mittlerweile alt genug und verstehen, dass Papa einen etwas anderen Job hat. Ich habe ein gutes Verhältnis zu meinen Kindern, aber natürlich würde ich sie schon gerne häufiger sehen. Manchmal gibt es so viel Stress, dass ich mal zwei Tage nicht dazu komme, mit ihnen zu telefonieren. Da bekomme ich natürlich sofort ein ganz schlechtes Gewissen.

Sie kennen die schönen, aber eben auch die anstrengenden Seiten des Geschäfts. Sind Sie trotzdem stolz darauf, dass Ihr Sohn Niklas in Ihre Fußstapfen tritt?

Kreuzer: Ich freue mich für ihn, auch wenn ich ihn nie aktiv dazu gedrängt habe. Aber natürlich haben die Jungs mit mir früher immer im Garten gekickt und waren oft beim Training oder bei Spielen dabei. Da hat es mich dann nicht gewundert, dass beide gute Fußballer werden. Tim ist 16 und spielt in Basels U16, Niklas ist 20 und hat auch in Basel gespielt, will jetzt in die Bundesliga nach Deutschland wechseln.

Vor einigen Monaten war er ja auch im Probetraining beim HSV. Wäre das für Sie schwierig, wenn Ihr Sohn in Ihrer Mannschaft spielen würde?

Kreuzer: Tatsächlich soll Niklas im Probetraining einen ganz guten Eindruck hinterlassen haben. Das haben mir zumindest Thorsten Fink und Rodolfo Cardoso berichtet. Aber nach meinem Jobwechsel nach Hamburg würde ich das in der Tat unglücklich finden, wenn auch Niklas hier spielen würde. Ich glaube nicht, dass man dem Jungen so einen Gefallen tut.

Auch Sie haben Ihre Managerkarriere in Basel begonnen. Wie kam es dazu?

Kreuzer: Ich bin da so reingeschlittert, nach dem Learning-by-doing-Prinzip. Mit 36 Jahren hatte ich in Basel meine aktive Karriere beendet und wurde dann vom damaligen Präsidenten René C. Jäggi gefragt, ob ich mir die Rolle des Managers, zunächst des Teammanagers, vorstellen kann.

Und Sie haben sofort zugesagt?

Kreuzer: Ja, mir war schon als Spieler immer klar gewesen, dass mich der Job des Sportchefs reizen könnte. Ich habe zwar auch meinen Trainer-A-Schein gemacht, aber mein Fokus lag eigentlich immer im Sportmanagement. Vor meiner aktiven Karriere habe ich auch in Ketsch eine Ausbildung zum Bankkaufmann abgeschlossen. Da habe ich schon gemerkt, dass ich ganz gut mit Bilanzen und Geld umgehen kann.

Wie ist Ihr Verhältnis heute zu Geld?

Kreuzer: Ich denke schon, dass ich ein sehr entspanntes Verhältnis zu Geld habe. Natürlich kann ich das so sagen, weil ich auch gut verdiene.

Wird im Fußball zu sehr aufs Geld geschaut?

Kreuzer: Das mag so sein. Ich würde mir jedenfalls wünschen, dass die Spieler sich nicht immer vom schnellen Geld verführen lassen würden.

Zuletzt wurde über ein mögliches HSV-Interesse an Nürnbergs Timm Klose berichtet, an dem auch Wolfsburg interessiert ist. Hätte der HSV überhaupt eine Chance, finanziell mit dem solventen VfL auf Augenhöhe mitzubieten?

Kreuzer: Natürlich kann man in Wolfsburg gutes Geld verdienen, aber auch beim HSV wird niemand arm. Letztendlich muss der Spieler entscheiden, was ihm wichtig ist. Vor nicht allzu langer Zeit gab es mal eine Phase, da sind viele dem Lockruf des Geldes nach Wolfsburg gefolgt, aber nur wenige wurden glücklich. Das mag sich geändert haben, aber ein Spieler sollte generell nicht den Faktor Geld überbewerten.

Sie sind Manager und müssen Verträge aushandeln. Ist es da kein Problem, dass Sie gerade Ihren eigenen Vertrag in Karlsruhe unbedingt auflösen wollten, genauso wie Thorsten Fink seinen laufenden Vertrag zuvor in Basel zugunsten des HSV beenden wollte?

Kreuzer: Das empfinde ich nicht als Problem. So brutal das auch klingen mag, aber so ist nun mal das Geschäft.

Was würden Sie denn jetzt einem René Adler sagen, wenn er plötzlich zu Arsenal London gehen wollen würde? Das Argument, dass er einen laufenden Vertrag hat, zieht ja nicht mehr.

Kreuzer: Ich bin mir sicher, dass dieser Fall nicht eintreten wird. Aber mal ganz allgemein gesprochen gilt bei mir das Motto: Reisende soll man nicht aufhalten. Wenn ein Spieler mit laufendem Vertrag unbedingt wegwill, dann soll er eben gehen. Voraussetzung ist allerdings, dass am Ende des Tages alle Parteien zufrieden sein müssen. Das heißt also, dass ich natürlich auf eine entsprechende Ablöse bestehen müsste.

Können Sie also die Verantwortlichen des BVB nicht verstehen, die Robert Lewandowski nicht nach München wechseln lassen wollen?

Kreuzer: Das kann ich aus der Ferne nur sehr schwer beurteilen. Aber dieser Fall scheint mir speziell zu sein. Für Dortmund ist es natürlich ein großes Problem, wenn nach Mario Götze auch ein zweiter Leistungsträger zum direkten Konkurrenten geht. Am Ende des Tages müssen sich alle Parteien aber einigen.

Nach langen Verhandlungen haben sich ja auch der HSV und Karlsruhe über ihren Wechsel geeinigt. Die Einigung war aber nur möglich, weil Sie persönlich auf insgesamt 100.000 Euro verzichtet haben sollen.

Kreuzer: Ich habe ja schon gesagt, dass Geld bei mir nicht an erster Stelle steht, deswegen war es auch kein Opfer, für meinen Traumjob hier beim HSV auf eine Summe X zu verzichten. Ich gebe nicht übermäßig viel Geld für Luxusartikel aus, trage ganz normale Klamotten, fahre nur ein Auto und suche mir auch eine normale Wohnung. Als Spieler ist man da wahrscheinlich anfälliger, aber man wird ja auch älter und reifer.

Als Spieler sollen Sie auch sehr aktiv den Börsenhandel verfolgt haben.

Kreuzer: Wie viele andere habe auch ich mich damals von dem Hype um den neuen Markt und Bio-Tech anstecken lassen. Ich habe an der Börse ein paar Euro gewonnen und ein paar Euro verloren. Großen Schaden habe ich nicht verursacht. Mir hat das damals als Spieler einfach Spaß gemacht, die Fachzeitungen zu lesen und dann zu handeln. Aber nach meiner aktiven Karriere hatte ich ganz einfach keine Zeit mehr für Aktien und die Börse.

Wenn der HSV eine Aktie wäre, wie müsste man diese dann einordnen?

Kreuzer: Spekulativ mit Potenzial nach oben. Die Fachzeitungen würden für risikobewusste Anleger wohl eine Kaufempfehlung aussprechen.