Beim enttäuschenden Remis gegen Fürth verspielten die Hamburger fahrlässig den Sprung auf Platz fünf. Projekt Wiedergutmachung misslang.

Hamburg. Ludwig Preis' Augen glänzten noch immer, als der Fürther Trainer am Sonnabend um kurz vor 18 Uhr den gut besetzten Presseraum der Imtech-Arena betrat. Der 41 Jahre alte Coach nahm rechtsaußen auf dem Podium Platz, schaute interessiert in die Runde und schnaufte einmal tief durch. Doch bevor er mit der obligatorische Spielanalyse begann, musste Preis noch etwas loswerden. Ein wirklich schönes Stadion hätte der HSV, sagte der Franke anerkennend, bislang hätte er leider noch keine Chance gehabt, die Arena mal live zu erleben. "Das war heute ein tolles Erlebnis", sagte der Interimstrainer noch, ehe er mit der sachlichen Analyse des 1:1 zwischen dem HSV und Fürth begann.

So verfestigte sich auch eine Dreiviertelstunde nach dem Schlusspfiff der Eindruck, dass der HSV in den vorangegangenen 90 Minuten zwei wichtige Punkte gegen ein Leichtgewicht der Bundesliga hatte liegen lassen. Gerade mal 13 Punkte hatte der limitierte Tabellenletzte vor dem Spiel im "wirklich schönen Stadion" (Preis) sammeln können, doch gegen einen enttäuschenden HSV reichten Einsatz, Kampfgeist und ein bisschen Glück, um Punkt Nummer 14 zu ergattern. "Wir haben zu einem tollen Bundesligaspiel unseren Beitrag geleistet", sagte Preis, der hauptberuflich als Logistik-Chef einer Teefabrik arbeitet und sich für den Abstecher nach Hamburg Sonderurlaub nehmen musste.

Preis' Kollege Thorsten Fink, der links auf dem Podium Platz genommen und die Ausführungen des Fürther Trainers mit versteinerter Miene verfolgt hatte, konnte der alles in allem verdienten Punkteteilung nicht ganz so viel Positives abgewinnen. "Natürlich hatte ich mir ein besseres Spiel meines Teams gewünscht", sagte der 45-Jährige, der in der vergangenen Woche Wiedergutmachung für das 1:5 gegen Hannover 96 gefordert hatte.

Tatsächlich konnten die gerade mal 47.206 Zuschauer (Saisonminusrekord) zumindest in der ersten Halbzeit den Eindruck gewinnen, dass Finks Spieler ihrem Trainer ganz genau zugehört hatten. Der HSV trat gegen den Aufsteiger dominant auf, erspielte sich eine Vielzahl von Torchancen und schien hoch motiviert, nicht nur die 1:5-Schmach der Vorwoche auszumerzen, sondern zudem Platz fünf zu erobern und bis auf einen Punkt an die Champions-League-Ränge heranzurücken. Doch trotz bester Möglichkeiten waren es statt der Hamburger die Fürther, die sich über den ersten Treffer des Tages freuen durften. Nach einem Ballverlust von Slobodan Rajkovic hatte dessen Landsmann Nikola Djurdjic am schnellsten geschaltet und zur überraschenden Führung für den Außenseiter getroffen (14.). Die Freude über die Führung währte allerdings gerade mal sieben Minuten, ehe Maximilian Beister per Volley für den verdienten Ausgleich sorgte (21.). "Zunächst haben wir genau die richtige Reaktion auf das Hannover-Spiel gezeigt", sagte Vorlagengeber Dennis Aogo, der aber treffend einschränkte, "in der zweiten Halbzeit ist uns das allerdings nicht mehr gelungen."

Von europäischer Klasse war der HSV im zweiten Durchgang tatsächlich genauso weit entfernt wie die Gäste aus Fürth vom Klassenerhalt. "Mir fehlte die Überzeugung, der letzte Wille", sagte Trainer Fink, der am plötzlichen Bruch im Hamburger Spiel nicht ganz unbeteiligt war. Denn nachdem der Coach den mit einer Gelben Karte vorbelasteten Milan Badelj, der in der ersten Hälfte mehr als ordentlich Regie geführt hatte, vom Platz nahm und die Taktik auf ein 4-2-3-1-System umstellte, schienen die Hamburger von einen auf den anderen Moment komplett überfordert. "Wir konnten die Idee des Trainers leider nicht richtig umsetzen", sagte Innenverteidiger Heiko Westermann, der mit rekordverdächtigen 130 (!) Ballkontakten unfreiwillig die Rolle Badeljs als Antreiber übernahm. Und auch Fink selbst suchte am Tag danach nicht nach Ausreden: "Ich hatte gehofft, dass wir durch die Umstellung mehr zweite Bälle bekommen, aber dieser Plan ging nicht auf."

Obwohl es wohl noch nie so einfach wie in dieser Saison war, sich für den internationalen Wettbewerb zu qualifizieren, lässt also das 1:1 gegen Greuther Fürth den Schluss zu, dass Fink mit seinen Warnungen vor verfrühter Euphorie recht hatte. "In Hamburg geht der Anspruch Richtung Champions League, und auch die Spieler setzen sich diesem Druck aus", sagte er am Sonntag, "unter dem Strich sind die Jungs noch nicht reif für diese Ziele." Dabei reichten seit Einführung der Drei-Punkte-Regel 1995 im Schnitt bereits 52,4 Punkte, um sich international zu qualifizieren. Doch ob der HSV (35 Punkte) die nötigen Zähler in den verbleibenden zehn Spielen sammelt, darf nach dem Remis bezweifelt werden - und Euro-Skeptiker Fink sich bestätigt fühlen.

Und Preis? Der genoss den Moment, verabschiedete sich mit einer Umarmung von Fink und dürfte sich ab Mitte dieser Woche wieder intensiver um seine Teefabrik kümmern.

Statistik

Hamburg: Adler – Diekmeier, Westermann, Rajkovic, Jansen – Badelj (57. Arslan) – Son (87. Bruma), Aogo – van der Vaart – Beister, Rudnevs (75. Berg).

Trainer: Fink

Fürth: Hesl – Matthias Zimmermann, Sobiech, Mavraj, Baba – Geis (85. Petsos) – Fürstner, Varga – Klaus, Pledl (55. Park) – Djurdjic (78. Asamoah).

Trainer: Preis

Schiedsrichter: Daniel Siebert (Berlin)

Tore: 0:1 Djurdjic (14.), 1:1 Beister (21.)

Zuschauer: 47.206

Gelbe Karten: Badelj (7) – Geis