Vertrag bis 2018 beim Werksteam. Arnesen warb vergeblich um das Talent. Ab Sommer sollte Öztunali schon bei den Profis mittrainieren.

Hamburg. Der HSV ist traurig, fast ein wenig schockiert. Levin Öztunali, deutscher Juniorennationalspieler, verlässt den Bundesligisten im Sommer in Richtung Leverkusen. So ein Abgang tut immer weh. Doch in diesem Fall blutet das Herz der Vereinsspitze besonders stark, denn Öztunali ist der Enkel von Uwe Seeler, dem Ehrenspielführer der Nationalmannschaft. Der HSV-Ikone.

Öztunali war fest eingeplant als kommendes Aushängeschild des Clubs, nun zieht es ihn an den Rhein. „Bei Bayer 04 Leverkusen haben schon viele junge deutsche Spieler ihre Karriere gestartet. Ich habe ein sehr gutes Gefühl bei meiner Entscheidung und freue mich auf eine tolle Herausforderung bei einem Topklub“, sagte Öztunali, der bis Juni 2018 unterschreibt.

Der Seeler-Enkel freute sich, die Verantwortlichen beim HSV konnten ihre Enttäuschung nicht verbergen. „Wir haben ihm die größtmögliche sportliche Perspektive geboten“, sagte Sportdirektor Frank Arnesen der Bild-Zeitung: „Aus wirtschaftlicher Sicht hat es beim HSV nie zuvor so ein gutes Angebot für einen Nachwuchsspieler gegeben.“ Insgesamt mehr als eine halbe Million Euro sollen die Hanseaten dem 16-Jährigen für seine ersten drei Profi-Jahre in Aussicht gestellt haben. Dazu schaltete sich Cheftrainer Thorsten Fink ein. „Ich habe ihm die Zukunftsperspektive aufgezeigt“, sagte der 45-Jährige.

Auf lange Sicht sollte der Sohn des HSV-Scouts Mete Öztunali und Seelers Tochter Frauke ein Aushängeschild bei den Hamburgern werden, eine Identifikationsfigur für die Fans. Doch „Uns Özi“, wie ihn der Boulevard in Anlehnung an Seelers Spitznamen taufte, entschied sich gegen den Herzensklub seines Opas. Und für die Talentförderung bei Bayer Leverkusen. „Er sieht bei uns die realistische Chance, sich auf hohem Niveau beweisen zu können. Gestandene Bundesliga-Spieler wie Gonzalo Castro oder Stefan Reinartz stehen stellvertretend dafür, dass unsere Jugendarbeit diese Chance tatsächlich auch ermöglicht“, sagte Bayers Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser.

Auch Rudi Völler rieb sich zufrieden die Hände: „Wir sind überzeugt, dass er sich bei uns hervorragend weiterentwickeln und in naher Zukunft ein prägendes Gesicht der Bayer-Mannschaft werden kann.“ Zuvor hatte Arnesen die Vertragsgespräche mit den beiden Top-Talenten Jonathan Tah und Öztunali zur Chefsache erklärt. Immerhin schaltete der HSV bei Tah Manchester United und den FC Arsenal aus, der Abwehrspieler bleibt bis 2016. Doch mit Öztunali setzt sich der Abgang hoch veranlagter Nachwuchskräfte fort.

Die Perspektiven für Talente waren beim Bundesliga-Dino in den vergangenen Jahren wenig vielversprechend. Kaum ein Spieler schaffte es über die U19 oder die U23 in den Kader der ersten Mannschaft. Torjäger Heung-Min Son und der selten eingesetzte Zhi-Gin Lam sind die Ausnahme. Zwar kündigte Arnesen an, sich in diesem Bereich deutlich verbessern zu wollen, den Beweis dafür ist der HSV allerdings noch schuldig geblieben. Ab dem Sommer sucht Öztunali seine Chance im Westen der Republik - für HSV-Fans ein Horror.

Und Uwe Seeler wird künftig weit fahren müssen, wenn er seinen Enkel in Aktion sehen will. Bisher schlug er sich bei den Heimspielen der U19 des HSV ins Gebüsch und sah versteckt zu: „Wenn Levin spielt, soll er nicht wissen, dass ich da bin. Nachher meint er noch, er müsste etwas Besonderes für den Opa machen.“

Uwe Seeler kritisiert HSV wegen Öztunali-Wechsel: „Armselig“

Fußball-Idol Uwe Seeler hat unterdessen seinen Ex-Club HSV nach dem Wechsel seines Enkels Levin Öztunali zu Bayer Leverkusen scharf kritisiert. „Es ist armselig, was mit meinem Enkel passiert ist. Die ganze Sache hat nichts mit Geld zu tun. Ich kenne die Hintergründe. Beim HSV reagiert man oft viel zu spät. Ich stehe voll und ganz hinter Levins Entscheidung. Sie ist reiflich überlegt“, sagte der 76-Jährige im Interview der „Bild am Sonntag“.

Seeler griff vor allem Sportchef Frank Arnesen an, der vor der Öztunali-Entscheidung gesagt hatte: „Es liegt an Levin, ob er sich für die Ausbildung und Familie oder fürs Geld entscheidet.“ Dazu meinte Seeler: „Der Sportchef sollte sich gut überlegen, was er so von sich gibt.“ Am Freitag war der Wechsel des Seeler-Enkels zum Werksclub bekannt geworden.

Arnesen konterte die Worte Seelers prompt bei “Sky“: „Wir haben fünf andere große Spieler, die zu uns kommen. Du kannst nicht alle Kämpfe gewinnen und den um Levin haben wir verloren. Wenn er nach Leverkusen gehen will, dann ist das seine Wahl. Ich bin nicht enttäuscht, weil wir ihm eine Perspektive geboten haben. Und es war seine Entscheidung. Wenn wir das nicht getan hätten, wäre ich enttäuscht gewesen“, sagte der Däne.