Er gehört zur Hansestadt wie Hafen, Michel und Reeperbahn: Trotz des 125. Geburtstag des HSV ist Klub-Idol Uwe Seeler nicht in Feierstimmung.

Hamburg. Es wird eine riesige Party, wenn der Hamburger SV am Sonnabend (19.30 Uhr) seinen 125. Geburtstag feiert. Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer erscheint ebenso zur Gala wie DFB-Präsident Wolfgang Niersbach, Bürgermeister Olaf Scholz und natürlich Kult-Masseur Hermann Rieger. Gänsehautmomente sind garantiert, schließlich wird ausgiebig an die große Vergangenheit mit noch größeren Erfolgen des Vereins erinnert.

Doch einer ist vor der Gala noch nicht in Feierstimmung: Uwe Seeler. Das Klub-Idol sorgt sich um seinen HSV und legt schonungslos den Finger in die Wunden des Bundesliga-Dinos. „Wenn man eine Tradition hat, sollte man sie auch pflegen“, sagte Seeler im Interview, „jeder Verein hat eine Seele - und die darf man nicht verletzen. Bayern und Dortmund haben ebenfalls Tradition, aber sie pflegen sie auch und bauen verdiente Spieler mit ein. Und bumms, dann läuft es auch.“

Für Seeler sind die jüngsten Probleme des einst so ruhmreichen HSV hausgemacht. „Wenn man einen Verein zu sehr entfremdet, wird es schwierig. Man hätte oder besser muss eigene Leute stärker in den Verein, in die Jugendarbeit einbinden. Die können das, was den HSV einmal ausgezeichnet hat, weiterführen“, sagte Seeler, „warum hat man das nicht gemacht? Darauf habe ich keine Antwort. Das müssen die Verantwortlichen der letzten Jahre beantworten. Aber es hätte sich sicher gelohnt. Ich hoffe, dass sich der Verein wieder fängt und sich auch von innen neu aufbaut.“

Dabei ist Kontinuität für den Ehrenspielführer der deutschen Fußball-Nationalmannschaft die wichtigste Komponente: „Zuletzt hatte der HSV fast jedes Jahr einen neuen Trainer mit einer neuen Philosophie - wie soll das funktionieren? Fußball ist schließlich ein Mannschaftssport und da gibt es keinen schnellen Erfolg.“

Daher sieht der 75-Jährige auch die Verpflichtung von Rafael van der Vaart zwiespältig. „Er hat sicherlich die spielerische Klasse und die Erfahrung, um die Mannschaft zu führen. Aber auf Dauer ist er genau so abhängig von der Mannschaft wie die Mannschaft von ihm“, sagte Seeler.

Beim Aufbau eines Teams, das nach mehr als 25 Jahren ohne Titel den HSV zumindest wieder in die nationale Spitze führt, sieht „Uns Uwe“ in erster Linie Sportchef Frank Arnesen in der Pflicht. Bislang hat ihn die Arbeit des Dänen nicht vollständig überzeugt: „Er muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er die Bundesliga unterschätzt hat. Die Mannschaft des letzten Jahres war 08/15.“

Und wenn sich dies nicht ändert, kann der legendäre Torjäger für nichts mehr garantieren und schließt selbst nach 66 Jahren beim HSV eine Abwendung von seinem Verein nicht mehr aus: „Es kann alles passieren. Als der HSV zuletzt gegen Augsburg spielte, aber ich das erste Mal in meinem Leben nach 20 Minuten abgeschaltet. Ich konnte es einfach nicht mehr sehen.“