Lesen Sie hier Teil 1 des großen Abendblatt-Gesprächs mit HSV-Rückkehrer Rafael van der Vaart und Investor Klaus-Michael Kühne.
Es brauchte keine großen Überredungskünste, HSV-Rückkehrer Rafael van der Vaart und Investor Klaus-Michael Kühne zum ersten gemeinsamen Gespräch in Hamburg an einen Tisch zu bekommen. Sowohl van der Vaart als auch Kühne waren von der Idee begeistert, als Treffpunkt wurde der elfte Stock der Deutschland-Zentrale von Kühne + Nagel in der HafenCity ausgemacht. Nach einem gemeinsamen Mittagessen in der Sky Lounge, bei dem auch Rafaels Gattin Sylvie Edelfan Kühne kennenlernte, empfingen die beiden Brüder im Geiste das Abendblatt im Sky Conference Room beim Aprés-Kaffee zum Doppel-Interview.
Hamburger Abendblatt: Herr van der Vaart, haben Sie Klaus-Michael Kühne jemals gefragt, was er eigentlich für einen Narren an Ihnen gefressen hat?
Rafael van der Vaart: So etwas fragt man natürlich nicht. Ich wusste schon, dass Herr Kühne ein großer Fan vom HSV und auch von mir ist. Aber da ich ihn ja bis vor ein paar Wochen noch nie getroffen hatte, hatte ich auch keine Erklärung für seine Leidenschaft.
Wann und wie haben Sie sich persönlich kennengelernt?
Klaus-Michael Kühne: Daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Drei Tage nach meiner improvisierten Pressekonferenz, auf der ich die HSV-Verantwortlichen aufgefordert hatte, sich energischer um einen Transfer van der Vaarts zu kümmern, hat mich Rafaels Berater angerufen. Ich war gerade mit meiner Yacht von Malta nach Griechenland unterwegs. Und als ich die erste griechische Insel erreicht hatte, klingelte mein Handy. Rafaels Berater, Herr Geerlings, wollte wissen, ob ich das alles auch wirklich ernst meinte, was ich am 13. Juli gesagt hatte. Ich antwortete ihm, dass ich das bitterernst gemeint hätte. Er offenbarte mir, dass Rafael und Sylvie sehr gerne wieder nach Hamburg kommen, dass es aber nicht leicht und auch teuer werden würde. Danach habe ich versucht, dem Vorstand die Verpflichtung van der Vaarts schmackhaft zu machen, was nicht einfach war. Später, vier Tage vor dem Transfer, haben Rafael und ich uns dann tatsächlich mit seinem Berater in der Schweiz getroffen.
Van der Vaart: Mir war sehr wichtig, den Menschen kennenzulernen, der sich so sehr um mich bemüht hat. Wir hatten dann einen fantastischen Abend in der Nähe von Zürich, haben viel über mich, den HSV und natürlich Fußball geredet.
Kühne: Rafaels Berater hatte mir mehrfach versichert, dass dieser Transfer möglich sei. Er hat aber auch betont, dass es ein Deal wie bei Arjen Robben oder Franck Ribéry werden würde, bei dem alle Beteiligten Geduld mitbringen müssten. Ich war dazu bereit, beim HSV war man aber sehr skeptisch, ob sich so ein Transfer finanzieren ließe.
Wie meinen Sie das?
Kühne: Ich hatte den Eindruck, dass die Herren nicht so recht an die Realisierbarkeit glauben konnten. Das war aus meiner Sicht schon in der Vergangenheit ein Grundproblem beim HSV: Es wurde zu klein gedacht. Ich habe aber nicht lockergelassen, habe immer wieder nachgefragt.
Sie mussten Überzeugungsarbeit leisten?
Kühne: Ich musste den einen oder anderen im Vorstand davon überzeugen, dass es sich in diesem Fall zu kämpfen lohnt.
Herr van der Vaart, haben Sie überhaupt mitbekommen, wie sehr sich Herr Kühne hinter den Kulissen um Sie bemüht hat?
Van der Vaart: Ich wusste schon, dass er mich unbedingt zum HSV holen wollte. Was er aber alles im Detail getan hat, wusste ich natürlich nicht. Ich habe mich immer nur aufs Fußballspielen konzentriert, mich nur ab und an von meinem Berater informieren lassen. Aber wenn ich heute noch mal über den ganzen Ablauf der letzten Wochen nachdenke, bekomme ich immer noch richtige Gänsehaut.
Kühne: Rafael hat mir damals eine sehr nette SMS geschrieben und sich frühzeitig dafür bedankt, dass ich mich um einen Transfer bemühe. Ich wusste ja, dass er nach Hamburg zurück wollte, ich wusste aber nicht, dass er auch so Feuer und Flamme für eine Rückkehr war wie ich.
Siezen oder duzen Sie sich eigentlich?
Kühne: Wir sind beides Sportleute, da duzt man sich doch. Er spielt Fußball, ich gehe joggen.
Und die Handynummern haben Sie offenbar auch ausgetauscht.
Van der Vaart: Ja, die hatten wir schon sehr früh ausgetauscht, aber wir haben jetzt nicht jeden Tag miteinander telefoniert.
Kühne: Rafael kann mich natürlich immer anrufen, aber ich würde jetzt nicht ständig seine Nummer wählen, weil ich mich überhaupt nicht aufdrängen will. Ich wollte lediglich, dass er wieder Fußball beim HSV spielt. Und das hat dann nach einem wahren Kraftakt geklappt.
Hatten Sie zwischendurch die Hoffnung aufgegeben?
Van der Vaart: Am Abend vor der Einigung habe ich nicht mehr dran geglaubt. Kurz bevor ich ins Bett gegangen bin, hat mir Tottenhams Chef Levy am Telefon gesagt, dass der Deal geplatzt sei.
Kühne: Das war bei mir ähnlich. Ich bin um 1.30 Uhr ins Bett gegangen mit dem Gefühl, ein Transfer sei in weite Ferne gerückt. Nur weil ich vergessen hatte, mein Handy auszuschalten, habe ich die SMS von Joachim Hilke (HSV-Vorstand, d. Red.) eine Stunde später bekommen.
Was hat er Ihnen geschrieben?
Kühne: Er fragte mich, ob ich noch wach sei. Ich habe ihn angerufen und sagte, dass ich nach dem Gepiepse der SMS nun wieder wach sei. Er hat mir offenbart, dass Herr Levy weiter verhandeln wollte. Wir waren aber an einem Punkt angelangt, an dem ich mein Angebot nicht erhöhen konnte, beziehungsweise erhöhen wollte. Es ging dann aber auch gar nicht um eine höhere Summe, sondern nur um die Zahlungsmodalitäten. Ich habe mich bereit erklärt, meine sofortigen Zahlungen zu erhöhen, sodass die Liquidität gesichert war, und dann ging alles ganz schnell.
Heißt das, dass der Deal geplatzt wäre, wenn Sie Ihr Handy ausgemacht hätten?
Kühne: Na ja, ich glaube schon, dass die Herren mich dann am nächsten Morgen erreicht hätten.
Und Sie haben die ganze Zeit geschlafen?
Van der Vaart: Im Gegensatz zu Herrn Kühne hatte ich mein Handy tatsächlich ausgeschaltet, habe erst am nächsten Tag gesehen, dass ich die ganze Nacht angerufen worden bin. Gegen 6 Uhr hat es Teammanager Marinus Bester dann bei uns auf dem Festnetz versucht, was aber nur unser Kindermädchen hörte. Sie klopfte dann bei mir an der Tür. Ich habe erst einen großen Schreck bekommen, weil ich befürchtet hatte, dass mit unserem Sohn Damian etwas nicht in Ordnung wäre. Sie gab mir dann aber das Telefon, und dann habe auch ich die gute Nachricht bekommen.
Kühne: Bis dahin waren auch die letzten Feinheiten geklärt. Ich war zwar glücklich, aber auch ein bisschen sauer, weil ich doch unbedingt wollte, dass er bereits am Sonnabend gegen Bremen auf dem Platz stand. Das ging jedoch nicht, weil er ja erst mittags in Hamburg zum Medizincheck war. Trotzdem war es alles in allem eine tolle Aktion. Sehr anstrengend, aber auch sehr erfolgreich. Es war ja schon von Anfang an ein echter Krimi.
Mit Happy End.
Kühne: Danach sah es lange Zeit nicht aus. Ich kann mich noch erinnern, dass sich während der Verhandlungen plötzlich ein Berater eingeschaltet hatte, der mit dem ganzen Deal eigentlich gar nichts zu tun hatte ...
... Aogos Agent Gordon Stipic ...
Kühne: ... und natürlich waren davon auch nicht alle begeistert. Rafaels Berater hielt zum Beispiel gar nichts davon. Das habe ich dann auch dem Herrn am Telefon mitgeteilt. Aber irgendwie hatte dieser Berater am Ende dann doch auch einen entscheidenden Anteil am Gelingen des Ganzen. Das alles ist natürlich gar nicht meine Welt, aber spannend war es schon.
Van der Vaart: Diese ganzen Details der Verhandlungen habe ich dann erst aus den Zeitungen erfahren.
Mit wem vom HSV hatten Sie denn die ganze Zeit Kontakt?
Van der Vaart: Ich ließ mich ab und zu am Telefon von Mediendirektor Jörn Wolf informieren, mit dem ich aber immer Kontakt gehalten habe seit meiner ersten Zeit in Hamburg. Auch Trainer Thorsten Fink und Frank Arnesen haben einmal angerufen.
Herr Kühne, ärgern Sie sich eigentlich, dass Sie nicht schon vor zwei Jahren, als Rafael schon mal kurz vor einem Wechsel zum HSV stand, so penetrant um van der Vaart gekämpft haben wie jetzt?
Kühne: Ich muss gestehen, dass ich mich vor zwei Jahren nicht so weit vorgewagt habe wie dieses Mal. Im Grunde genommen habe ich dieses Mal die Strippen gezogen, das habe ich vor zwei Jahren noch nicht gemacht. Ich war zwar schon damals permanent mit Herrn Hoffmann im Gespräch, aber ich habe nicht ganz so hartnäckig wie jetzt auf eine Rückkehr Rafael van der Vaarts zum HSV gedrängt. Im Nachhinein war das ein Fehler.
Bemüht haben Sie sich aber schon damals?
Kühne: Natürlich. Ich habe auf Mallorca ein Haus, das schräg gegenüber von der Villa des Präsidenten von Real Madrid liegt. Zwar bin ich nie persönlich vorbeigegangen, habe aber immer über einen gemeinsamen Freund das Gespräch gesucht. Ich dachte mir, wenn Real van der Vaart abgeben würde, dass der HSV zuschlagen muss.
Van der Vaart: Dass Herr Kühne schon damals so bemüht war, habe ich gar nicht mitbekommen. Ich kann mich aber erinnern, dass ich am letzten Tag der Transferperiode bei der holländischen Nationalmannschaft auf einem Zimmer mit Joris Mathijsen war, der mir eine Rückkehr zum HSV schmackhaft machen wollte.
Kühne: Das hat mir auch Herr Hoffmann am Telefon verraten. Er hat mich angerufen und mir gesagt, dass Rafael zur Rückkehr bereit sei, dass der HSV diesen Deal aber nur mit meiner finanziellen Hilfe stemmen kann. Und auch nur, wenn man Mladen Petric am gleichen Tag für sechs Millionen Euro nach Stuttgart abgibt. Meine Hilfe konnte ich ihm zwar anbieten, aber Stuttgart hat letztendlich nur 2,5 Millionen Euro für Petric geboten. Am Ende des Tages wechselte van der Vaart dann leider nach Tottenham.
Van der Vaart: Ich muss aber auch gestehen, dass ich vor zwei Jahren noch nicht so wirklich zur Rückkehr bereit war. Der HSV war immer etwas Besonderes für mich, aber der richtige Zeitpunkt war damals noch nicht gekommen. Das war jetzt anders.
In Teil zwei des großen Abendblatt-Gesprächs lesen Sie am Donnerstag im Sport, was die van der Vaarts in Madrid und London vermisst haben, warum Kühne für eine Lockerung der 50+1-Regel plädiert und was den Milliardär an den Strukturen des HSV stört.