Gegen den Meister aus Dortmund könnte der Deutsch-Türke den gesperrten Tschechen ersetzen. Seeler kritisiert Sportchef Arnesen.
Hamburg. Der Vorverkauf läuft sehr ordentlich. 9000 der 12.000 Tickets für seine Jubiläumsgala in der O2 World anlässlich des 125. Vereinsgeburtstags hat der HSV bereits abgesetzt. Nach der Partie gegen Hannover 96 am 29. September treten am Abend Künstler wie Rea Garvey oder Scooter auf, Otto Waalkes und Olli Dittrich sollen für Stimmung sorgen. Doch nach dem Fehlstart droht nun die Albtraumgala: Bei dem schweren Programm am Sonnabend gegen Dortmund, in Mönchengladbach (Mi., 26.9.) und eben gegen Hannover könnte auch nach sechs Bundesligaspielen die Null auf der Habenseite stehen. Und wer hätte dann noch Lust auf eine rauschende Party?
Thorsten Fink mochte sich am Tag nach der 2:3-Niederlage bei Eintracht Frankfurt mit solchen Gedanken nicht auseinandersetzen. "Ich schaue jetzt nur auf den BVB. Am Sonnabend sind wir krasser Außenseiter, vielleicht ist das gerade der richtige Gegner." Was der HSV-Coach damit meinte: Gegen den Meister steht sein verunsichertes Team nicht so unter Druck, weil sowieso jeder eine Niederlage erwartet. Seine Spieler könnten die Partie also unbeschwert angehen. Theoretisch.
Doch Fink hat derzeit einen mächtigeren Gegner als Dortmund: die Zeit. Auch bedingt durch die späten Neuzugänge sowie die Formschwächen einiger Akteure ist der 44-Jährige noch auf der Suche nach einer Stammelf. Während sein Frankfurter Kollege Armin Veh bei allen drei Erstligaspielen die gleichen elf Spieler aufbot und drei Siege feierte, muss Fink während des Spielbetriebs umbauen. So plant er vor der Partie gegen die Borussia umfangreiche Personalveränderungen. Fink muss sich wie ein Dirigent vorkommen, der ständig die Instrumente neu besetzen muss. Kein Wunder, dass dann bei den Auftritten kein harmonischer Klangteppich ertönt, sondern eine Ansammlung von schrägen Misstönen.
Nach der Roten Karte für Petr Jiracek, der am Montag vom DFB-Sportgericht für zwei Spiele gesperrt wurde, ist der Trainer gezwungen, einen neuen Partner für Milan Badelj in der Mittelfeldzentrale zu suchen. Zwei Optionen nannte Fink gestern: Jacopo Sala, der aber wohl eher auf der rechten Mittelfeldseite als Abfangjäger vorgesehen ist, und Tolgay Arslan als offensivere Alternative. "Tolgay hat sich in den Testspielen super mit Rafael van der Vaart verstanden", lobte Fink. Seine Rechnung: Mehr Ballbesitz in der Zentrale könnte von den eigenen Schwächen ablenken. Und damit ist vor allem die in Frankfurt erneut wackelige Defensive gemeint. Die Flucht nach vorn - ein gewagter Plan.
Gegen den BVB wird der HSV im fünften Pflichtspiel mit der fünften Abwehrkette auflaufen. Hinten sollen Dennis Diekmeier, Jeffrey Bruma, Heiko Westermann und voraussichtlich Marcell Jansen verteidigen. In diesem Fall wäre der Platz im linken Mittelfeld frei für Ivo Ilicevic. Doch damit nicht genug: Für den glücklosen Artjoms Rudnevs könnte Heung Min Son in die Spitze rücken. "Wir müssen überall schauen", lässt sich Fink alles offen.
Noch sind die Personalentscheidungen nicht gefallen, aber die vielen Fragezeichen unterstreichen, wie sehr Fink in diesen Wochen als Spiritus Rector, als lenkender Geist, gefragt ist. Sportchef Frank Arnesen wies in Frankfurt mit Recht darauf hin, dass der Trainer nur einige wenige Einheiten mit dem Kader trainieren konnte, Automatismen naturgemäß noch nicht vorhanden sein konnten. Aber mit seiner Aussage, mit diesem Kader sei er sehr zufrieden, spielte der Däne den Ball zugleich Fink zu, nach dem Motto: Nun mach mal bitte schön was daraus.
+++ Stein kritisiert Van-der-Vaart-Transfer +++
Für den Trainer kein Problem. "Ich bin überzeugt davon, dass sich die Erfolge einstellen werden und wir die Punkte holen, wenn man uns die Zeit gibt", sagte er am Montag. "Wir haben das Potenzial, unter die Top zehn der Liga zu kommen." Anders als bei seinen Vorgängern Michael Oenning, Armin Veh oder Bruno Labbadia, die bei ähnlichen Ergebniskrisen stark unter Druck gerieten, blieb Fink bisher eine Trainerdiskussion erspart. Eine Jobgarantie für ihn und auch Sportchef Frank Arnesen dürfte bei weiter ausbleibenden Siegen die leere Vereinskasse sein. Eine Entlassung der sportlichen Führung - die Verträge des Duos laufen bis 2014 - kann sich der HSV schlichtweg nicht leisten, Fink und Arnesen sind im Prinzip unkündbar.
Vor Kritik sind aber weder Fink noch Arnesen geschützt. Wenn Fußballern stets die gleichen Fehler unterlaufen - zum Beispiel bei Standardsituationen - stellt sich zwangsläufig die Frage, wer die Schuld hat: Sind die Spieler zu limitiert oder kann der Trainer das Potenzial nicht herauskitzeln?
Bezüglich der Zusammenstellung des Kaders steht Arnesen weiter in der Kritik. Jetzt meldete sich erneut Uwe Seeler zu Wort und wählte bei TV-Sender Sport1 scharfe Worte: "Die Leute, die er mitgebracht hat, sind nicht ausreichend für den HSV. Man hat auch zu spät geschaltet, das hat den Verein viel Geld gekostet. Für meine Begriffe hat er die Bundesliga völlig unterschätzt." Besonders ein Mannschaftsbereich bereitet der Klub-Legende Kopfzerbrechen: "Wir haben Probleme in der Hintermannschaft, da muss dringend etwas passieren. Da ist Holland in Not. Da werden Fehler gemacht, die man einfach nicht machen darf.”