Nach der viereinhalbstündigen Krisensitzung gelobt der HSV-Aufsichtsrat Besserung. “Konstruktive Ruhe“ soll folgen.

Hamburg. Viereinhalb Stunden lang haben sie gestritten, geredet, abgestimmt und am Ende - war alles wie zuvor. Der elfköpfige Aufsichtsrat des Fußball-Bundesligisten Hamburger SV beendete Dienstagnacht die Chaoswochen nach einer intensiven Aussprache bei Roastbeef mit Bratkartoffeln ohne personelle Konsequenzen.

Der zuletzt stark attackierte Horst Becker bleibt Vorsitzender des aufgeblasenen Gremiums, das im letzten Jahr vor allem durch Handlungsunfähigkeit, peinliche Fehler und Indiskretionen aufgefallen war. „Nachdem mir der Aufsichtsrat das Vertrauen ausgesprochen hat, habe ich mich entschlossen, weiter den Aufsichtsratsvorsitz beizubehalten“, erklärte Becker: „Wir haben kontrovers und sehr ernsthaft diskutiert. In diesen Diskussionen habe ich Fehler eingeräumt“, sagte der 69-Jährige, „aber die Kollegen auch.“

Seit der Demission von Sportchef Dietmar Beiersdorfer im Juli vergangenen Jahres reihte der Aufsichtsrat eine Panne an die andere. Die Nachfolgesuche für den Sportchef geriet zu einer peinlichen Farce, die ihre beiden Tiefpunkte in den gescheiterten Verpflichtungen von zunächst Roman Grill und dann Nico Hoogma hatte, bevor am Pfingstmontag „Lehrling“ Bastian Reinhardt präsentiert wurde. In diesem Zusammenhang trat Ex-Profi Sergej Barbarez aus dem Gremium zurück, der sich selbst Hoffnungen auf den Job gemacht hatte, aber nicht mehrheitsfähig war.

Der Aufsichtsrat hat sich im letzten Jahr vor allem als zerstrittener Haufen präsentiert, der zudem einfach zu groß für effizientes Arbeiten ist. „Wir wissen selbst, dass wir nach außen hin nicht immer die beste Performance geboten haben“, sagte Gerd Krug, der „Alterspräsident“ des Rates und HSV-Meisterspieler von 1960, „das war Anlass für uns, alles auf den Tisch zu legen. Wir haben über alles offen und ehrlich diskutiert.“

Ob nach dieser öffentlich gerauchten Friedenspfeife wirklich auch in Zukunft Ruhe und Effizienz in das Gremium einkehren, bleibt abzuwarten. Immer noch sitzen elf Personen mit völlig unterschiedlichen Interessen und Hintergründen darin. Da gibt es Vertreter der Fans und Vertreter der Interessen der Amateurabteilungen sowie der Senioren. Da gibt es verdiente „Alt-HSVer“ wie Becker und Ex-Präsident Ronald Wulff und im Gegenteil dazu jungdynamische Managertypen.

Sie alle dürfen mitreden bei der Verpflichtung teurer Stars, Trainer und der Berufung von Vorstandsmitgliedern. So wurde zwischenzeitlich sogar gegen den Willen der sportlichen Leitung die Weiterverpflichtung von Paolo Guerrero abgelehnt, weil der nach seinem Flaschenwurf für den HSV nicht mehr tragbar sei.

Um künftig „schlanker“ arbeiten zu können, will der Rat nun kleinere Arbeitsgruppen bilden. „Wir sind entschlossen, in Zukunft noch mehr den Aufsichtsrat als Team zu sehen, damit wir in einem kleineren Kreis manche Dinge zur Entscheidung vorbereiten“, sagte Becker, „damit wir in Zukunft im gesamten Aufsichtsrat nicht mehr so langatmig arbeiten, wie es sonst so oft war.“

BUNDESLIGA IST RENDITE-EUROPAMEISTER

Mit der Verpflichtung von Reinhardt, Trainer Armin Veh und Urs Siegenthaler als sportlichem Mastermind im Hintergrund sind die wichtigsten noch offenen Personalien im sportlichen Bereich ausgefüllt worden. Mal sehen, wie lange nun beim HSV „konstruktive Ruhe“ herrscht. „Wir haben alle begriffen, dass es hier wie beim Fußball um einen Teamsport geht“, erklärte der intern einflussreiche Aufsichtsrat Jörg Debatin, „entweder wir haben gemeinsam Erfolg, oder keiner von uns hat Erfolg.“