Der Stuttgarter Torhüter beschert dem VfB mit tollen Reflexen das Weiterkommen im Pokal – Stärke durch Turntraining

Stuttgart. Die Aufgeregtheiten um seine Person ringen ihm nur ein müdes Lächeln ab. Sven Ulreich, der Torhüter des VfB Stuttgart, hat in jungen Jahren schon zu viel erlebt, um sich davon verrückt machen zu lassen. Jede zweite Frage drehte sich nach dem 2:1 der Stuttgarter im Pokal-Achtelfinale gegen den Hamburger SV und seiner formidablen Leistung um die Nationalmannschaft. Hat Joachim Löw schon angerufen? Wollen Sie nicht mal Ansprüche anmelden?

Ulreich kennt das schnelllebige Profigeschäft, er weiß, dass alles fast sekündlich ins Gegenteil umschlagen kann. Gegen den HSV verhalf der 23-Jährige dem VfB in der Schlussphase mit drei faszinierenden Reflexen gegen Robert Tesche, Paolo Guerrero und Mladen Petric zum Weiterkommen. Nicht viele Torhüter hätten diese Eins-gegen-eins-Situationen mit dieser Ruhe, mit Geschick und natürlich auch Glück so bravourös gemeistert. „Ulreich hat diese Bälle herausragend gehalten“, lobte nicht nur HSV-Verteidiger Heiko Westermann. VfB-Trainer Bruno Labbadia fand die Darbietung seines Torhüters einfach „sensationell“.

Ulreich ist keiner, der mit aufgeplusterten Backen irgendwelche Forderungen nach außen posaunt. „Zur Nationalmannschaft müssen Sie nicht mich, sondern die hohen Herren beim DFB fragen“, sagte Ulreich sachlich und fügte nach einer Sekunde des Nachdenkens hinzu: „Mein Traum ist es schon, eines Tages in der Nationalmannschaft zu spielen.“

Wie es sich anfühlt auf dem Rasen zu stehen, wenn die deutsche Hymne erklingt, kennt Ulreich. Er hat alle Nachwuchsmannschaften des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) bis zur U 21 durchlaufen. Dass jetzt von einigen sogar ein Auftritt in der A-Mannschaft oder am besten sogar gleich die Teilnahme an der Europameisterschaft im Sommer in Polen und der Ukraine gefordert wird, ist neu. Ulreich stand in Stuttgart immer unter besonderer Beobachtung, seine Leistungen wurden stets kritischer gesehen als die der anderen. „Warum“, bekannte Ulreich, „weiß ich selbst nicht. Aber ich habe auch in den schwierigen Zeiten nie an mir gezweifelt.“

Gerade mal 19 Jahre jung war er, als der Sport- und Fitnesskaufmann unter Armin Veh im Februar 2008 in der Bundesliga debütierte. Ulreich kam damals für den formschwachen Raphael Schäfer ins Tor. Doch Veh nahm Ulreich nach einigen Spielen wieder aus der Mannschaft, und der Torhüter galt in der Bundesliga als gescheitert - mit 19 Jahren.

In der Beletage spielte er erst wieder im Dezember 2009. Im Stuttgarter Tor stand da längst Jens Lehmann. „Von ihm habe ich enorm profitiert und telefoniere noch ab und an mit ihm“, sagte Ulreich. Er stieg zu seinem Nachfolger auf, als Lehmann im Sommer 2010 seine Karriere beendete. Erst im Abstiegskampf der vergangenen Saison verstummten allmählich seine Kritiker, Ulreich zeigte gute und stabile Leistungen.

Dabei wollte der neue VfB-Trainer Bruno Labbadia zu Beginn dieses Jahres eigentlich Marc Ziegler anstelle von Ulreich ins Tor stellen. Doch Ziegler verletzte sich – und Ulreich blieb im Tor. „Daran bin ich gewachsen“ sagt er. Genauso wie an der Tatsache, dass er seit einigen Monaten im Stuttgarter Bundesleistungszentrum regelmäßig turnt. „Für meine Athletik bringt das sehr viel. Ich fühle mich spritziger und habe einen besseren Abdruck beim Springen.“

Dass der 23 Jahre alte Schorndorfer nun auch angekommen ist in den Köpfen und vor allem auch in den Herzen der VfB-Fans, zeigte sich am Mittwochabend nach dem Sieg im Pokal. „Ulle, Ulle“ schrien ihm die Menschen aus der Cannstatter Kurve mit einer Lautstärke entgegen, als müssten sie alle Pfiffe von einst mit einem Schrei vergessen machen. „Es ist schön, wenn man von den eigenen Fans so gefeiert wird“, sagte Ulreich. Das war nicht immer so.

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Jansen setzte seine Pause auf dem Platz fort, Petric brachte Schwung

VfB Stuttgart: Ulreich - Boka, Tasci, Maza, Molinaro - Harnik (76. Gebhart), Kvist, Kuzmanovic, Gentner - Cacau (76. Schieber), Okazaki (90.+1 Niedermeier).

HSV: Drobny - Diekmeier, Bruma, Westermann, Aogo - Töre (80. Son), Rincón, Kacar (69. Tesche), Jansen (46. Petric) - Ilicevic - Guerrero.

Tore: 1:0 Cacau (23.), 1:1 Kvist (54./Eigentor), 2:1 Cacau (62.). Gelb: Guerrero, Petric. Schiedsrichter: Gagelmann (Bremen). Zuschauer: 38 400.