Mit dem 0:0 in Mainz bleibt der HSV unter Trainer Thorsten Fink weiter ungeschlagen, doch für einen Durchmarsch nach oben reicht es noch nicht.

Mainz. Kein Ergebnis klingt unattraktiver als ein 0:0. Dieses Resultat erweckt den Anschein, dass nichts passiert sei: keine Tore, kein Fußballfest, lautet die gedankliche Formel beim Eintreten der Null, die auch abseits des Fußballs ein massives Imageproblem hat. Schließlich wird gerne ein gänzlich unfähiger Mensch, also ein Versager, umgangssprachlich als "Null" tituliert. Logisch, dass bei einem Remis nur zwei Punkte an beide Teams verteilt werden.

Beim ersten 0:0 des HSV in dieser Saison ist tatsächlich vieles nicht passiert. So war Eric Maxim Choupo-Moting eigentlich die Rolle des aus Hamburg vertriebenen Eigengewächses vorgesehen, der sich gegen seinen Ex-Klub für die mangelnde Wertschätzung mit Toren rächt. Doch der 22 Jahre alte Mainzer hielt sich nicht an das Drehbuch, versiebte beste Torchancen (75., 88., 90.) und musste so mit der Häme des Titels "bester Hamburger auf dem Platz" leben.

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Hätte dem HSV am Sonnabend ein in der Offensive potenteres Team gegenübergestanden, hätte es ein böses Ende für die schöne Serie von nun acht Ligaspielen ohne Niederlage - davon sieben unter Trainer Thorsten Fink - gegeben. Dem HSV fehlten nicht nur in vielen Phasen die nötigen Ideen im Aufbauspiel, das die Mainzer geschickt früh im Keim erstickten, zumeist gesellten sich Unkonzentriertheit und Fehlpässe dazu, wodurch die HSV-Defensive unnötig unter Druck geriet.

HSV-Coach Fink predigt zwar seit seinem Amtsbeginn die Lehre von der Dominanz und versucht diese mit einem Überzahlspiel im Mittelfeld zu überzeugen. Doch auch wenn seine Spieler in Rheinhessen wieder zu 57 Prozent in Ballbesitz war, so war besorgniserregend, wie einfach die Hamburger Defensive bei Ballverlust mit ein, zwei schnellen Pässen auszuhebeln war, die Ordnung verloren ging und dem Gegner zu viele Räume preisgegeben wurden. Das System Fink, das zeigte sich nur zu deutlich, braucht noch Zeit, bis es die Spieler verinnerlicht haben - und auch das richtige Personal. Dem HSV fehlt weiter ein Taktgeber, der das Umschalten zwischen Defensive und Offensive organisiert.

Die Leistung des HSV angesichts dieser deutlichen Mängel im Bereich der Nulllinie einzuordnen, wäre jedoch falsch und ein Verkennen der Realitäten. "Dass wir besser Fußball spielen können, weiß ich auch", sagte Fink, "aber wir müssen auf dem Boden bleiben und dürfen nicht glauben, dass wir einen Gegner wie Mainz auswärts einfach so schlagen. Wir müssen viele Dinge verbessern, das Auftreten eines Top-vier-Teams darf man nicht erwarten."

Wer nach dem positiven Trend der vergangenen Wochen schon mal heimlich rechnete, wie viele Punkte der Rückstand zu Europacup-Rang sechs noch beträgt, den zwang die Realität auf dem Mainzer Rasen, sich jegliches Träumen zu verbieten, auch wenn der HSV selbst durch Ivo Ilicevic (77.) die große Chance hatte, die Partie für sich zu entscheiden. "Wir wollen immer weiter nach oben, aber das darf nicht bedeuten, falsche Ziele auszugeben", kündigte Fink an, dass man in dieser Saison aus seinem Mund nichts von Europa-League-Rängen hören werde.

Unter Fink und den Spielern herrschte Einigkeit, dass nun gegen Augsburg (Sa., 15.30 Uhr) mit dem dritten Heimsieg in Folge und damit 21 Punkten ein versöhnliches Finale einer erst völlig missratenen Hinrunde mit einem Punkt nach sechs Spielen glücken könnte. Doch auch einem wie Mladen Petric, der nach sechswöchiger Verletzungspause sein Comeback feierte, fiel auf, dass die Formkurve des HSV zuletzt abfallende Tendenz hatte. "Aufgrund der Art und Weise war das 0:0 kein Fortschritt", analysierte der Kroate, "wir haben den Mainzern unser Spiel nicht aufzwingen können." Vertrauen ins eigene Spiel und die nötige Zielstrebigkeit im Angriff hätten gefehlt, meinte auch Dennis Aogo: "Mitte der ersten Halbzeit haben wir unsere Linie verloren und sie nie mehr so richtig gefunden." Am Ende siegte beim HSV dennoch die Zufriedenheit über den Punktgewinn: "Vor zwei Monaten hätten wir so ein Spiel verloren", sagte Sportchef Frank Arnesen. Im Fußball ist ein 0:0 eben viel mehr als in der Mathematik.