Thorsten Fink soll den HSV vor dem Abstieg retten. Bereits am Montag wird er nach Hamburg kommen. Die Ablöse soll bei rund einer Million Euro liegen.
Der neue Trainer war noch gar nicht da, dennoch platzte der Presseraum beim Hamburger SV aus allen Nähten, allein 14 Kamerateams wollten bewegte Bilder. Die Nachricht von der Verpflichtung von Thorsten Fink am Donnerstagvormittag hatte sich natürlich überall in Windeseile herumgesprochen. Und nun musste Sportchef Frank Arnesen erklären, wie und warum der bisherige Coach des FC Basel am Montag ausgerechnet beim Tabellenletzten der Fußball-Bundesliga anfängt.
„Thorsten Fink war mein Wunschtrainer. Er passt mit seiner Art zum HSV und zu unserer Philosophie. Er wird unsere Mannschaft besser machen und weiter entwickeln“, sagte Arnesen. In einem sechsstündiges Gespräch überzeugte sich Arnesen von Finks Methoden und Ideen. "Er ist ein Trainer mit Hunger, kann mit erfahrenen und jungen Spielern arbeiten. Thorsten ist ein Teamplayer", sagte Arensen bei der Pressekonferenz am Donnerstag. Vorstandsboss Carl Jarchow erklärte: „Er hat uns in den Gesprächen vollends mit seiner Art und seinen Vorstellungen überzeugt.“
Zumindest am Ende der gut dreiwöchigen Trainersuche war alles sehr schnell gegangen. Mittwochabend gegen 22.00 Uhr berichtete Arnesen, war er sich mit dem FC Basel einig, Donnerstagvormittag wurde der Vertrag fixiert. Fink unterschrieb bis 30. Juni 2014 ohne Ausstiegsklausel, der HSV zahlt eine Ablöse von knapp einer Million Euro. „Die Gespräche mit Basel waren sehr fair“, sagte Arnesen, „Vizepräsident Bernhard Heusler hat sich als guter Verlierer gezeigt.“
Der HSV will mit Fink eine langfristige Trainer-Ära einläuten. „Ich weiß auch, dass viel passiert ist in diesem Verein, aber mir war klar, dass ich mit Fink über ein Minimum von zweieinhalb Jahren rede“, sagte Arnesen am Donnerstag. „Ich bin sehr glücklich, dass es geklappt hat mit diesem Trainer, der mit jeder Herausforderung wächst.“
Fink verabschiedete sich am Donnerstagmorgen von seinen Spielern. „Ich hatte nach dem Eintreffen des Angebots aus Hamburg eine schwierige Entscheidung zu treffen“, teilte der 43-Jährige mit, „ich bin überzeugt, die Mannschaft in einem guten Zustand zu hinterlassen und drücke jenen gegenüber mein Bedauern aus, die ich mit diesem Schritt enttäusche.“ Fink stand eigentlich noch bis 2013 beim FCB unter Vertrag.
Die Bundesliga ist für den Coach die logische nächste Stufe auf der Karriereleiter, auch wenn er einen Champions-League-Teilnehmer gegen den aktuellen Tabellenletzten eintauscht. „Ziel eins ist der Klassenerhalt, und am Saisonende sollten wir es bis ins obere Mittelfeld packen“, sagte Fink dem TV-Sender Sport1. Der Hamburger Traditionsverein sei immer noch eine große Adresse im deutschen Fußball.
„Schon als kleines Kind, als der HSV noch in Europa glänzte und die größten Erfolge feierte, habe ich die 'Rothosen' immer bewundert“, sagte der gebürtige Dortmunder, „als Spieler, egal ob beim Karlsruher SC oder dem FC Bayern München, waren die Spiele gegen den HSV immer etwas ganz Besonderes.“
Dass die derzeitige HSV-Mannschaft außer den Trikots nur wenig mit der großen Vergangenheit gemein hat, ist Fink bewusst. Dennoch glaubt er daran, dass das Team besser als sein Tabellenplatz ist „Diese Mannschaft muss den Klassenerhalt packen – ohne Wenn und Aber“, sagte Fink, „das Team ist jung, hat in meinen Augen viel Potenzial und ist mit vielen Talenten ausgestattet, hat aber auch den einen oder anderen erfahrenen Spieler.“ Fink gilt als moderner Trainer. Wie er sich selbst beschreiben würde? "Ich bin kein autoritärer Trainer, aber auch kein Kumpeltyp. Ich würde mich eher als situativen Trainer bezeichnen", antwortet Fink.
HSV-Legende Uwe Seeler freut sich über die Entscheidung seines Vereins. „Das ist eine Lösung, mit der ich sehr gut leben kann“, sagte Seeler: „Thorsten Fink hat in der Schweiz in den vergangenen beiden Jahren hervorragende Arbeit geleitet.“ Der Ehrenspielführer der Nationalmannschaft hofft, dass beim HSV jetzt „endlich Ruhe einkehrt“. Auch der ehemalige Hamburger Nationalspieler Willi Schulz begrüßt den Schritt: „Es ist sehr mutig von Fink, zum Tabellen-Letzten zu gehen. Aber das spricht auch für sein Selbstbewusstsein.“
Der HSV ist erstmals vor zehn Tagen an den FC Basel herangetreten. Zweimal traf sich Sportchef Arnesen mit Fink in Frankfurt und auf Mallorca zu Gesprächen. Als das HSV-Interesse an dem Coach durchsickerte wehrte Basels Vizepräsident Bernhard Heusler zunächst noch ab: „Wir haben dem HSV eine Absage erteilt.“
Letztlich musste der FC Basel jedoch einsehen, dass ein abwanderungswilliger Coach nicht zu halten ist. Entscheidend waren die Gespräche zwischen der Klubführung und Fink am Mittwoch, in der der Trainer seinen Wunsch nach einem Vereinswechsel unmissverständlich klar machte. Finks Nachfolger in Basel wird zunächst sein bisheriger Assistent Heiko Vogel.
Der langjährige Bundesligaprofi Fink war seit Juni 2009 als Nachfolger von Christian Gross in Basel tätig. Er führte den Klub 2010 und 2011 jeweils zur Meisterschaft, 2010 reichte es sogar zum Double. In der Gruppenphase der Champions League hatten den Schweizer vor zwei Wochen den englischen Rekordmeister Manchester United am Rande einer Niederlage. Bei seiner ersten Chef-Trainerstation hatte Fink den FC Ingolstadt 2009 in die 2. Bundesliga geführt.
Nach eigener Aussage wurde Fink in seiner Karriere von vier Trainern geprägt. Zunächst bei der SG Wattenscheid von Hannes Bongartz, dann beim Karlsruher SC von Winfried Schäfer und schließlich beim FC Bayern von Giovanni Trapattoni und Ottmar Hitzfeld. „Bongartz hat mir früh die Vierer-Abwehrkette, die damals noch keiner gespielt hat, nahegebracht. Schäfer konnte sehr gut motivieren, der Mannschaft Selbstvertrauen geben. Trapattoni war ein Stratege. Das professionelle Vorbereiten auf ein Spiel, den Umgang mit den Medien und den Spielern, das habe ich von Hitzfeld gelernt“, sagte Fink, der seit seiner Zeit als Spieler bei den Bayern den Spitznamen „Duke“ trägt - nach einem Cyber-Punk aus dem Science-Fiction-Film „Die Klapperschlange“. „Der Duke macht das schon!“, sagten die Bayern-Profis gerne über ihren Kollegen - und behielten meistens recht.
(dapd/sid/abendblatt.de)