Der Sportdirektor will seinen Vertrag beim Deutschen Fußball-Bund bis 2013 erfüllen. Ein Wechsel zum Hamburger SV ist damit vom Tisch.

Hamburg/. Erleichterung beim DFB, grenzenlose Enttäuschung beim HSV: Matthias Sammer hat dem Bundesligisten Hamburger SV einen Korb gegeben und bleibt dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) als Sportdirektor treu. „Nach reiflicher Überlegung und vor dem Hintergrund, dass eine schnelle Stellungnahme gefordert war, bin ich zu dieser Entscheidung gekommen. Das Interesse des HSV ehrt mich sehr, aber es warten beim DFB noch viele Aufgaben, auf die ich mich freue“, sagte der 43-Jährige nach der turnusmäßigen Präsidiumssitzung des DFB am Freitag in Frankfurt/Main.

Der HSV-Aufsichtsratsvorsitzende Otto Rieckhoff äußert sich auf der HSV-Homepage dazu wie folgt: "Wir sind enttäuscht und überrascht von Matthias Sammers Absage. Wir hatten über Wochen sehr gute und konstruktive Gespräche und waren uns in den inhaltlichen Fragen einig. Es lag ein ausverhandelter Vertrag vor. Sein Rückzug ist für uns nicht nachvollziehbar."

Zuvor hatte Sammer in einem Gespräch mit DFB-Präsident Theo Zwanziger und Generalsekretär Wolfgang Niersbach deutlich gemacht, dass er seinen bis 2013 laufenden Vertrag erfüllen möchte. Zwanziger begrüßte die Entscheidung: „Matthias Sammer hat in den vergangenen Jahren viele positive Dinge für die Entwicklung des deutschen Fußballs auf den Weg gebracht. Wir freuen uns, dass er seine engagierte Arbeit im Nachwuchsbereich auch in Zukunft fortsetzen wird.“ Niersbach ergänzte: „Für den DFB ist es wichtig, dass wir auf einer solchen Position Klarheit und Planungssicherheit haben. Umso mehr freuen wir uns über dieses deutliche Bekenntnis von Matthias Sammer zum DFB.“

Die Hängepartie um den früheren Nationalspieler ist mit einer kleinen Überraschung zu Ende gegangen, nachdem unter der Woche alles auf einen Wechsel Sammers vom Main an die Elbe hingedeutet hatte. Angesichts der brodelnden Gerüchteküche hatte Zwanziger Sammer ulimativ aufgefordert, bis zum Freitag Klarheit zu schaffen.

Beim DFB hat sich dadurch die Suche nach einem neuen Sportdirektor erledigt, in die auch Bundestrainer Joachim Löw und Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff eingebunden gewesen wären. Das Verhältnis zwischen Sammer und Löw/Bierhoff auf der anderen Seite ist seit längerem belastet. Sammer hatte unter anderem den Machtkampf mit Löw über die Verantwortlichkeit für die U21 verloren und war von Zwanziger auch öffentlich zurechtgewiesen worden. Der 43-Jährige hatte sich für die Ablösung des erfolglosen U21-Trainers Rainer Adrion ausgesprochen, Löw für eine Weiterbeschäftigung seines engen Vertrauten. Sammer, der im April 2006 gegen den Widerstand des damaligen Bundestrainers Jürgen Klinsmann vom DFB als Sportdirekor eingestellt wurde, und der Bundestrainer werden sich nun zusammenraufen müssen.

Für den HSV ist die Absage Sammers eine schallende Ohrfeige, zumal es wohl keine Alternative gibt. Der HSV und Sammer, der am Freitag keine Fragen beantwortete und durch die Tiefgarage beim DFB der Reporterschar entwischte, hatten sich offenbar bereits über die Laufzeit des Vertrages (3 Jahre) und das Gehalt (2,5 Millionen Euro pro Saison) geeinigt. Einige Details, die angeblich noch geklärt werden sollten, sind jetzt hinfällig, nachdem der frühere Bundesligatrainer des VfB Stuttgart und von Borussia Dortmund sich für den Verband entschieden hat.

Für den HSV, der bei seiner Sportdirektor-Suche bis zur Ernennung von Bastian Reinhardt im vergangenen Juni rund zehn Kandidaten verschlissen hatte, ist nach der Absage von Sammer der Super-GAU perfekt. Vor allem ist dies eine große Schlappe für den neu gewählten Aufsichtsrat, der das Thema Sammer zur Chefsache erklärt hatte und sich dadurch profilieren wollte.

Nicht nur von der Hamburger Führungsriege wäre Sammer mit offenen Armen empfangen worden, sondern auch von Trainer Armin Veh. „Ich schätze ihn als absoluten Fachmann, wenn ich seine Analysen so verfolge. Ich bin sicher, dass es für den Verein gut wäre, wenn er zu uns kommen würde“, sagte Veh in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau. Am Freitagnachmittag waren diese Aussagen Makulatur.

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Schon am ersten Tag seiner Amtszeit hatte Ernst-Otto Rieckhoff Großes zu verkünden. In den nächsten Tagen „dingfest machen“ wollte der neue Aufsichtsratsvorsitzende des HSV die Verpflichtung von Matthias Sammer. Das war Dienstag. Drei Tage später sagte Sammer ab. Für das Kontrollgremium eine riesige Blamage,vor allem aber für Rieckhoff, der sich vor einem Jahr aus dem Personalausschuss des Rats zurückgezogen hatte, weil sich die Sportchefsuche längst zu einer endlosen Posse entwickelt hatte. Wer gehofft hatte, die Führungskrise sei mit Sammer bald beendet, erkennt nun, wie gerade eine neue Eskalationsstufe genommen wurde. Der zweite große Verlierer neben Rieckhoff heißt Bastian Reinhardt, hinter dessen Rücken der Aufsichtsrat seinen Nachfolger suchte. Dem 35-Jährigen trauten die Funktionäre nicht die Gestaltung der notwendigen Reformen zu. Ein „Weiter so“ kann es nicht geben, dafür ist sein Name zu sehr beschädigt. Der Aufsichtsrat braucht einen neuen Sammer. Schnell.