Von wegen nur asiatische Nudeln im Sinn: Neben dem Jungstar des HSV beleben immer mehr Fußballer aus Fernost die Bundesliga.
Hamburg. Auf den ersten Blick erfüllt Heung Min Son , 18, so ziemlich alle Klischees, die man über einen Asiaten haben kann. Natürlich isst der Südkoreaner am liebsten asiatische Nudeln, ist zudem höflich, zurückhaltend, pünktlich und vor allem fleißig. "Ich muss weiter Gas geben", antwortet Son mit einem schüchternen, fast demütigen Lächeln, wenn man ihn auf seine beiden Tore in Hannover anspricht. Doch ein Klischee will der neue Überflieger des HSV so überhaupt nicht erfüllen: Fußballer aus Fernost könnten nur laufen, aber nicht wirklich spielen.
Dieses Klischee sei ja ohnehin schon längst überholt, sagt der selbst ernannte Son-Fan Armin Veh. "Es ist kein Zufall, dass derzeit so viele Asiaten in Deutschland spielen", sagt der HSV-Trainer, der seine Behauptung umgehend belegt. Anders als früher seien Fußballer aus Fernost bestens ausgebildet, dazu noch hochprofessionell - und vor allem billig. "Bislang hatte niemand den asiatischen Markt so richtig im Blick", sagt Veh, der glaubt, dass sich das in Kürze ändern wird. Wenn es sich nicht schon lange geändert hat.
Auch Kagawa, Hasebe und Uchida sorgen in der Bundesliga für Furore
Während bis vor Kurzem Asien für europäische Profiklubs lediglich als Absatzmarkt von Trikots und Werberechten interessant war, rückt nach und nach immer mehr der Transfermarkt in den Fokus der Bundesliga-Manager. So ist Son nur einer von vielen Asiaten, die derzeit in Deutschland für Furore sorgen. Der Japaner Shinji Kagawa hat sich in die Herzen der Dortmunder Fans gedribbelt, seine Landsleute Makoto Hasebe (VfL Wolfsburg), Atsuto Uchida (Schalke 04) und Kisho Yano (SC Freiburg) haben sich etabliert, und auch Schalkes Chinese Hao Junmin durfte in diesem Jahr schon achtmal unter Asien-Anhänger Felix Magath ran. "Länder wie Japan und Korea sind für uns unheimlich attraktiv, weil der Markt noch unerschlossen ist", sagt Magath, der sich mittlerweile gute Kontakte in Übersee aufgebaut und schon mehrfach in Fernost zugeschlagen hat.
Dabei sind HSV-Überraschung Son und Dortmunds Topeinkauf Kagawa die besten Beispiele, dass der asiatische Kontinent noch als Pioniergebiet gilt. Während in Brasilien mittlerweile mehr Scouts als Talente zu finden sind, regiert in China, Japan und Korea oft noch der Zufall. So wurde Kagawa nicht von Dortmunds Sichtungsabteilung entdeckt, sondern von seinem Berater Thomas Kroth angeboten. Köln lehnte ab, der BVB schlug zum Schnäppchenpreis von 350 000 Euro zu. Und Hamburgs Son geht auf ein Projekt des südkoreanischen Verbandes zurück, der sechs Talente des Jahrgangs 1992 zu Weiterbildungszwecken beim HSV und in Nürnberg unterbrachte. Fünf Teenager sind wieder zurück in Seoul, Son ist geblieben - und bleibt bis 2014.
"Irgendwann will ich mal so gut werden wie Ruud van Nistelrooy", sagt Son, der auf dem besten Weg ist, sein Ziel bereits in dieser Saison zu erreichen. "Ich kann nichts an seiner Leistung aussetzen", beantwortet Veh die Frage nach den Schwächen seines Supertalents - und verweist auf die drei Tore, die der 18-Jährige bereits erzielt hat. Einmal traf Son mit rechts, einmal mit links und einmal per Kopf.
Wirklich zufrieden ist der Südkoreaner aber nicht. "Gegen Köln und Hannover habe ich dreimal getroffen, aber wir haben beide Spiele verloren", sagt Son, "wie soll ich da zufrieden sein?" Eine Schwäche sei noch sein Kopfballspiel, hat der Offensivallrounder erkannt - und in den vergangenen Wochen hart daran gearbeitet. Mit seinem Freund Muhamed Besic habe er jeden Tag nach dem Training am Kopfballpendel geübt. Der Lohn: Gegen 96 traf Son mit einem Kopfball aus dem Lehrbuch zum zwischenzeitlichen 2:1.
Gegen eins sind Son und Co. aber genauso wenig gefeit wie ihre Kollegen aus Südamerika und aus Afrika: auch Fußballer aus Fernost haben Heimweh. "Mir fehlen meine Mutter und mein Vater", sagt Son, der mit besonderem Interesse die brisante politische Lage in seiner Heimat verfolgt. "Wenn es jetzt Krieg gibt, dann muss ich meine Eltern zu mir holen."
Son wohnt noch immer im Internat, will im Januar in eine eigene Wohnung
Über seine neue Wahlheimat kann der Südkoreaner seiner Familie ohnehin nur Gutes berichten. Hamburg sei schön, ihm gefalle es hier. Der Fußballer, der noch immer im HSV-Internat wohnt und im Januar in eine eigene Wohnung ziehen will, hätte zwar keine großen Erwartungen vor seiner ersten Reise nach Deutschland gehabt, aber eins habe ihn dann doch überrascht: Currywurst mit Pommes frites. Klischee hin oder her - mit asiatischen Nudeln könne diese deutsche Spezialität einfach nicht mithalten.