Nach vier Niederlagen aus fünf Pflichtspielen ist der ehemalige HSV-Spieler Bastian Reinhardt als Sportchef in Hamburg erstmals gefordert.
Hamburg. Auf dem Fußballplatz war Bastian Reinhardt ein Arbeiter. Zuverlässig erledigte er seine Aufgaben in der Defensive. Niemand konnte ihm vorwerfen, nicht alles gegeben zu haben. Fast jedes Jahr wurden Reinhardt bessere, schnellere oder teurere Verteidiger vor die Nase gesetzt, die vermeintlich mit mehr Talent gesegnet waren. Doch der Abwehrmann blieb verbal in der Defensive, ging dafür im Training in die Offensive und setzte sich am Ende immer wieder durch. "Ein Überleber", drückte es sein damaliger Trainer Martin Jol prägnant aus.
Reinhardts jetzige Mission als Sportchef ist hingegen ungleich schwieriger. Nach vier Niederlagen aus fünf Pflichtspielen ist der HSV ins graue Mittelfeld der Tabelle abgerutscht - die Ziele waren andere. "Die Lage ist wenig befriedigend, aber nicht besorgniserregend", beschwichtigt Reinhardt, der sich seinen Einstand sicherlich anders vorgestellt hatte. Nun ist der frühere Innenverteidiger gefordert, offensiv Verantwortung zu übernehmen.
Dabei waren die Startbedingungen für seine neue Aufgabe nicht optimal. Ein Jahr lang hatte der HSV keinen Sportchef. Verhandelt wurde mit Roman Grill, Oliver Kreuzer, Horst Heldt, Nico Jan Hoogma und sogar mit Reinhardts langjährigem Mannschaftskollegen Sergej Barbarez, verpflichtet wurde Urs Siegenthaler. Als der Schweizer allerdings kein Vorstandsmandat übernehmen wollte, musste wieder gesucht werden. Gefunden wurde schließlich Reinhardt, der gerade ein Praktikum auf der HSV-Pressestelle absolvierte. "Ich habe einen Karriereplan, der erst einmal zwei Lehrjahre vorsieht", sagte Reinhardt, der zunächst dem designierten Sportdirektor Siegenthaler zuarbeiten sollte. Doch nach dem endgültigen Rückzug Siegenthalers einigten sich die Verantwortlichen des Klubs auf Reinhardt als kleinsten gemeinsamen Nenner, was nicht nur auf Wohlwollen stieß. Besonders "Anstoß"-Investor Klaus-Michael Kühne kritisierte die Entscheidung für Reinhardt öffentlich auf das Schärfste - und steht auch heute noch zu seiner Kritik.
Doch Reinhardt ist fest entschlossen, auch diesen Zweikampf für sich zu entscheiden. Der 35-Jährige will Trainer Armin Veh entlasten und in der aktuellen, schwierigen Phase als Bindeglied zwischen allen Parteien vermitteln. "Ich sehe mich als eine Art Puffer zwischen Trainer und Mannschaft", sagt Reinhardt, der glaubt, dass in der Krise der vergangenen Saison genau ein solcher Puffer gefehlt hat. Konkrete Lösungsansätze für die aktuelle Krise hat aber auch Reinhardt nicht zu bieten. "Jeder Fehler wird bei uns zurzeit gnadenlos bestraft. Wir müssen die Konzentration bis zum Ende hoch halten, dann gewinnen wir auch wieder", sagt er wenig überzeugend. Zugute halten muss man ihm aber, dass er weder für die Zusammenstellung des aktuellen Kaders noch für die hohe Anzahl an verletzten Spielern in der Verantwortung steht - für Reinhardt die Hauptursache des ausbleibenden Erfolges.
Messen lassen muss sich der Ex-Profi vor allem an der künftigen Transferpolitik des Vereins. In der Winterpause sind Veränderungen im Kader für Reinhardt jedoch noch kein Thema. "Wir können mit Aogo und Diekmeier in der Rückrunde ja zwei 'Neuzugänge' begrüßen. Echte Transfers sind aber nicht angedacht."
Doch auch wenn die meisten Spieler zur Rückrunde wieder fit sind, bleibt der HSV in der Defensive mäßig besetzt. Neben Heiko Westermann und dem gestern erfolgreich am Sprunggelenk operierten Joris Mathijsen stehen in der Innenverteidigung nur Allrounder Guy Demel und Nachwuchsspieler Muhamed Besic zur Verfügung. Und ob Dennis Diekmeier die Position des Rechtsverteidigers auf Dauer besser auszufüllen mag als Demel, bleibt abzuwarten. Nicht umsonst hatten sich die Verantwortlichen vor der Saison um den Schalker Rafinha bemüht, der jedoch nicht zu finanzieren war.
Mit Dennis Aogo, dessen Vertrag im Sommer ausläuft, wird verhandelt, bei Piotr Trochowski will Reinhardt "die weitere Entwicklung abwarten". Spätestens im Sommer soll die Mannschaft aber ein neues Gesicht bekommen - für Reinhardt ein echter Gradmesser. "Es wird Veränderungen geben. Fraglich ist nur, ob ein Riesenumbruch zustande kommt oder einer mit Augenmaß. Jeder Spieler hat nach wie vor die Chance, sich für eine Zukunft beim HSV zu qualifizieren." Gleiches gilt natürlich auch für Reinhardt.