HSV-Co-Trainer Michael Oenning fordert nach dem peinlichen Pokal-Aus des Hamburger SV bei Eintracht Frankfurt in Köln eine Reaktion.
Hamburg. Da war sie wieder, die berühmte und gefürchtete Frage an Fußballer nach unverständlichen Niederlagen. "Woran hat es gelegen?" Piotr Trochowski holte tief Luft und sprach dann erst mit ernster Miene von den "vielen Fehlern", die zur 2:5-Pleite im DFB-Pokal bei Eintracht Frankfurt geführt hatten. Er monierte die "fehlende Kompaktheit", die den HSV in den vergangenen zwei Wochen gerade in der Defensive doch so ausgezeichnet hätte. Und er schloss mit der Beobachtung, dass die Mannschaft in der Anfangsphase vom Kopf her nicht wirklich da gewesen sei. Jedem Spieler müsse klar sein, dass man von der ersten bis zur 90. Minute hoch konzentriert sein müsse.
Abgesehen davon, dass es in der Regel Missgeschicke und Unzulänglichkeiten sind, die im Fußball zu Niederlagen führen, waren die Sätze des deutschen Nationalspielers durchaus alarmierend. In einer Saison ohne Europapokalbelastung die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einzige Titelchance zu vergeben, weil, übersetzt man Trochowskis Aussagen, taktische Disziplin und die nötige Einstellung fehlten, deutet nicht auf einen weiteren positiven Verlauf der Serie hin. Wem im vielleicht wichtigsten Spiel des Halbjahres der unbedingte Siegeswille und die Begeisterungsfähigkeit abgeht, dürfte enorme Schwierigkeiten haben, trotz aller finanzieller Anstrengungen - beim Etat liegt der Klub unter den Top drei - in der Liga ganz oben zu landen.
Während der grippekranke Trainer Armin Veh nach dem Rückflug sofort nach Hause fuhr, warnte sein Vertreter Michael Oenning davor, angesichts der Enttäuschung über das insgesamt peinliche Pokalaus grundsätzlich alles infrage zu stellen oder die falschen Schlüsse zu ziehen. Doch auch der Co-Trainer weiß, dass der HSV jetzt in eine richtungweisende Phase der Meisterschaft einbiegt. Beim 1. FC Köln drohen die Hamburger am Sonnabend im Falle einer Niederlage den Kontakt zur Spitzengruppe zu verlieren. Oenning, der eine "knallharte Analyse" des Frankfurt-Spiels ankündigte, setzte deshalb im Hinblick auf die Partie beim Tabellenletzten einen verbalen Reizpunkt und forderte von der Mannschaft: "Sie muss jetzt eine Reaktion zeigen. Es liegt einzig und alleine bei uns. Das ist eine Charakterfrage."
Das Problem dabei: Genau diese Frage wurde in den vergangenen Jahren schon häufig gestellt - und mit Nein beantwortet. Gerade deshalb wollte die Klubführung bei der Kaderzusammenstellung mehr Wert legen auf die Charaktereigenschaften der Spieler. "Es geht darum, Siegermentalität und Teamgeist zu fördern. Und dazu braucht es Profis, die nicht das persönliche Ego in den Vordergrund stellen, sondern ihren Beitrag zum Mannschaftserfolg leisten", wiederholte Bernd Hoffmann kürzlich in einem "FAZ"-Interview die Vereinsstrategie.
Das Mittel, mit interner Konkurrenz den Druck auf die Spieler zu erhöhen, steht Armin Veh, der verpflichtet worden war, um für Ordnung zu sorgen, derzeit allerdings nicht zur Verfügung, da die personellen Alternativen fehlen. Ruud van Nistelrooy behindert weiter seine Oberschenkelprellung, Collin Benjamin (Knieprellung) konnte nur leichtes Lauftraining absolvieren. Auf allenfalls 50 Prozent schätzt Oenning die Einsatzchancen des Duos.
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Noch mehr Sorgen bereiten der große Zé und der kleine Zeh. Nachdem Zé Roberto trotz eines grippalen Infekts in Frankfurt auflaufen konnte, plagt den Brasilianer nun ein Magen-Darm-Virus. Marcell Jansen klagte nach der Partie über starke Schmerzen am gebrochenen Zeh und droht auszufallen. Ob David Jarolim, der nach seinem Muskelfaseriss wieder auf dem Trainingsplatz stand, schon in Köln wieder zur Verfügung steht, ist ebenfalls äußerst fraglich. Wenigstens Veh soll heute am späten Nachmittag wieder zur Mannschaft stoßen, die diese Bezeichnung bisher nur bedingt verdient hat.
Ein mit gestandenen Spielern gespicktes Team dürfte sich Aussetzer wie gegen die Eintracht nicht leisten. Konstant waren aber in den vergangenen Jahren vor allem die enttäuschten Erwartungen der HSV-Fans, die angesichts der Ausgangsposition befürchten müssen, dass der Aufbau des Kaders mit Qualitätsspielern empfindlich gestört wird, schließlich fehlen nicht nur die Europacup-Einnahmen, sondern nun auch Zusatzeinkünfte im Pokal. Erreicht der HSV nicht mindestens Platz fünf, drohen im Sommer Verkäufe einiger Stars. Woran das dann gelegen haben wird? Ganz einfach: am Charakter.