Trainer Thorsten Fink nach dem 0:4 gegen die Kraichgauer: “Alle haben's nicht kapiert“. Die Defensive des HSV lieferte eine Bankrotterklärung.

Sinsheim. Zumindest nach dem Schlusspfiff zeigten die Profis des Hamburger SV eine kompakte Abwehrleistung. „Der Heiko sagt was, er ist der Kapitän“, lehnte David Jarolim eine Stellungnahme zu der 0:4 (0:2)-Niederlage bei der zuvor in neun Heimspielen sieglosen TSG 1899 Hoffenheim ab. Auch Mladen Petric verwies auf den Spielführer und flüchtete wie seine Kollegen Richtung Bus. Wortführer Westermann übernahm also die Aufgabe, das totale Versagen des abstiegsbedrohten Bundesliga-Dinos zu erklären. Die Erkenntnis des Innenverteidigers: „Das war eine Katastrophe. In unserer Situation geht das gar nicht.“

Ging aber doch. Weil sich mehr als nicht nur ein Spieler nicht an die vorgegebene Marschrichtung hielt – wie hinterher Tolgay Arslan. Der zur Halbzeit mit einer Sprunggelenkverletzung ausgewechselte Angreifer hatte vom Redeverbot nichts mitbekommen und machte „leichte Fehler“ als Grund für die auch in dieser Höhe verdiente Pleite aus. Schwerer als die individuellen Patzer aber wog, was der sichtlich bediente Trainer Thorsten Fink in schonungsloser Offenheit feststellte: „Ich habe keinen Abstiegskampf gesehen. Wir haben 1.000 blaue Flecken, aber nicht dagegen gehalten. Wir hätten heute einen großen Abstand schaffen können, aber alle haben’s nicht kapiert.“

Arnesen sieht nur 70, 80 Prozent an Leistung

Vielleicht hätte Fink Sportdirektor Frank Arnesen aufstellen sollen, denn der wusste: „Wir können nicht mit 70, 80 Prozent spielen und glauben, so zu gewinnen.“ Weil sich die Spieler des seit der Bundesliga-Gründung immer erstklassigen HSV in hanseatischer Zurückhaltung übten, bleiben sie mit nur zwei Punkten Abstand auf dem Relegationsrang 14. Nach diesem Offenbarungseid droht mehr denn je der erste Abstieg.

„Wir hatten Glück, dass gestern alle drei Mitkonkurrenten verloren, aber wir können nicht immer auf das Glück hoffen. Wir haben nach zehn Minuten aufgehört, Fußball zu spielen, maximal“, monierte Arnesen. Der Däne forderte: „Wir müssen das schnell wegstecken und am Samstag eine ganz andere Mannschaft sehen als heute.“ Auch Fink verlangte für das anstehende Heimspiel gegen Hannover 96 nicht mehr und nicht weniger, als eine „andere Mentalität“. Immerhin habe seine Mannschaft ja in Kaiserslautern (1:0) und gegen Leverkusen (1:1) gezeigt, „dass wir Abstiegskampf können“.

Westermann versprach schnelle Besinnung: „Wir werden am Wochenende eine Antwort geben.“ Hilfreich wäre bestimmt, wenn der Nationalspieler in Sachen Reaktion mit gutem Beispiel vorangehen würde. Denn die von ihm organisierte Abwehr erwies sich als Torso. Zudem sorgte Westermann mit seinem tumben Tritt gegen das Bein des Hoffenheimer Stürmers Sven Schipplock im Strafraum nach 25 Minuten schon für die Entscheidung zuungunsten der Gäste.

Ein Sejad Salihovic lässt sich so eine Chance auch dann nicht entgehen, wenn ihn Rückenschmerzen plagen. „Hut ab vor Sali, das war eine klasse Leistung“, lobte Babbel den von ihm noch vor wenigen Wochen zu einer Denkpause verdonnerten Kunstschützen.

„Es war auch kein Sonntagsspiel heute, dass man sagen könnte: Sonntagsfußballer!“ - Thorsten Fink

Nach dem 2:0 hatten die Hoffenheimer, die durch Jannik Vestergaard nach 17 Minuten in Führung gegangen waren, leichtes Spiel. Fabian Johnson (51.) nach einem Sololauf, bei dem die HSV-Abwehrspieler als „Statisten“ (Arnesen) agierten, und Schipplock (59.) nach naivem Ballverlust von Gojko Kacar bauten den Vorsprung aus. „Wir müssen froh sein, dass es nur 0:4 ausging“, sagte Arnesen.

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Hoffenheim denkt noch nicht an Europa League

Warum der Hoffenheimer Trainer Markus Babbel seiner „Herzensangelegenheit“ HSV eine „gute“ Leistung bescheinigte, blieb sein Geheimnis. Richtig lag der Coach, dessen Mannschaft erstmals seit dem 22. Oktober im eigenen Stadion wieder drei Punkte gewann, mit seiner Bewertung der Hoffenheimer Vorstellung: „Eine große Willensleistung. Wir haben unsere Chancen eiskalt genutzt. Die Mannschaft hat sich für ihren Aufwand endlich mal belohnt.“ Der erste Heimsieg in seiner Ägide bedeute, „dass wir jetzt sicher sind. Wir schauen nicht auf die Uefa-Cup-Plätze.“

Müssen sie auch nicht, denn die Ränge sechs und sieben berechtigen zur Teilnahme an der Qualifikation zur Europa League. Mit nun 40 Punkten sind die Kraichgauer inzwischen Neunter, vier Zähler fehlen noch auf Leverkusen und Hannover. Dennoch befand auch Innenverteidiger Marvin Compper: „Über Europa sprechen wir nicht. Wir müssen erstmal unser Spiel in Freiburg gewinnen.“ Am Samstag kommt es zum Baden-Derby.

HSV-Idol Seeler: „Das ist einfach jämmerlich“

Fußball-Idol Uwe Seeler hat seinen Nachfolgern beim Bundesliga-Traditionsclub Hamburger SV ein miserables Zeugnis ausgestellt und sieht nach der 0:4-Pleite in Hoffenheim schwarz. „Wenn man so in den Abstiegskampf geht, dann wird das nichts. Wenn wir so weitermachen, habe ich keine Hoffnung mehr. Nicht mal ein Fünkchen. Das ist einfach jämmerlich“, sagte der einstige Torjäger und spätere Präsident des HSV der „Bild“-Zeitung (Donnerstag).

Nach den Mut machenden Auftritten in Kaiserslautern (1:0) und daheim gegen Leverkusen (1:1) waren die weiterhin nur zwei Punkte vom Relegations- und vier Zähler vom direkten Abstiegsplatz 17 entfernten Hanseaten am Mittwochabend in Hoffenheim in ihren alten Trott zurückverfallen. „Wenn ich nicht laufe, meinen Gegner auf fünf Meter Sichtweite decke, muss man sich nicht wundern“, monierte Seeler nach den durch Abwehrfehler begünstigten Gegentoren. Die Partie erlebte er nicht vor Ort, sondern daheim in Norderstedt vor dem Fernseher.

„Uns Uwe“ missfiel auch die lasche Einstellung der hoch bezahlten Profis. „Alle anderen Rivalen im Abstiegskampf rennen, kämpfen. Und wir?“, fragte er. Und hofft nun wie viele HSVer auf die Wende zum Guten im Heimspiel am Samstag gegen Hannover 96. „Da müssen wir jetzt durch“, meinte Seeler. „Aber 2. Liga – das ist eine Katastrophe.“ (dapd/dpa/abendblatt.de)