Trotz Startgarantie für Wolfsburg: Sein früherer Trainer Thomas Doll glaubt, dass sich der HSV-Stürmer nicht ausreichend gewürdigt fühlt.

Hamburg. Das Mittwoch-Training war längst zu Ende, da stand Mladen Petric immer noch auf dem Übungsplatz und übte Freistöße. Und der eine oder andere Ball flog über die Mauer aus Plastikmännchen auch wie gewollt ins Eck. Erfolgserlebnisse, die dem HSV-Angreifer in der Bundesliga zuletzt verwehrt blieben. Erst als die Leiste zwickte, hörte er auf - übertriebener Ehrgeiz ist fehl am Platz. Denn trotz Petrics Formkrise setzt Trainer Thorsten Fink auch im Spiel gegen den VfL Wolfsburg am Freitag (20.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) weiter auf seinen einzigen einsetzbaren, erfahrenen Stürmer im Kader.

Doch wie lange noch? Seinen letzten Bundesliga-Treffer erzielte der Torjäger a. D. per abgefälschtem Freistoß bei der 1:3-Niederlage gegen Bremen, vor über einem Monat. Viel intensiver ist den Anhängern jedoch noch immer die Szene aus dem Freiburg-Spiel vor Augen, als Petric den Ball aus dem Fünfmeterraum nicht ins leere Tor brachte. Kommentieren wollte der 31-Jährige diese Szene nicht mehr. Überhaupt will Petric in der momentanen Situation nicht über sich reden. "Ich habe mir keinen Maulkorb verpasst, aber wie es mir geht oder was mit mir in Zukunft passiert, ist völlig unwichtig. Das einzig Wichtige ist, dass wir als Team da unten herauskommen."

Worte, an denen zuletzt gezweifelt wurde. Nicht wenige Beobachter werfen Petric eine egoistische Spielweise vor. Er sei einer, der auf dem Platz eher lustlos dahertrabe, als sich aufzuopfern. Vor allem seit feststehe, dass der 39-fache kroatische Nationalspieler den HSV zum Saisonende verlässt.

Seinem früheren Coach Thomas Doll, der Petric in der Saison 2007/08 bei Borussia Dortmund trainierte, ist diese Sichtweise jedoch zu eindimensional. "Mladen war noch nie der Spielertyp, der den Platz umpflügt. Das hat er auch in seinen erfolgreichen Zeiten nicht getan. Er lebt von seiner Technik, seiner Schussstärke und seinem Torinstinkt. Man kann von ihm nicht verlangen, dass er seinen Spielstil jetzt umstellt." Doll schränkt aber auch ein, dass in der derzeitigen Situation seines Ex-Klubs eher andere Tugenden gefragt sind. "Mladens Laufbereitschaft ist vielleicht nicht so, wie es im Abstiegskampf vonnöten wäre."

Ein Blick auf die Statistiken belegt Dolls These. Petric lief bei den jüngsten drei HSV-Niederlagen immer weniger als zehn Kilometer pro Spiel, auch die Anzahl seiner Sprints (8,33 im Schnitt) und der intensiven Läufe (35 im Schnitt) sind unterdurchschnittlich. Zum Vergleich: Ein Top-Angreifer wie Klaas-Jan Huntelaar, der wie Petric auch eher als Strafraumstürmer gilt, kam in den letzten drei Partien jeweils auf mehr als elf Kilometer, 20 Sprints und 68 intensive Läufe im Schnitt.

Doll sieht noch einen weiteren Grund, der zu dem Leistungsabfall des ehemaligen Baselers führen konnte: die gescheiterten Vertragsverhandlungen. Petric hatte die Gespräche mit dem HSV im Sommer 2011 abgebrochen, da er nach dem Umbruch erst die Entwicklung des Vereins abwarten wollte. Doch als Petric wieder zu Verhandlungen bereit war, wollte der HSV sein damaliges Angebot nicht mehr aufrechterhalten. "Mladen ist ein sehr stolzer Mann", sagt Doll. "In dieser Situation fühlt er sich vielleicht nicht ausreichend gewürdigt und lässt deshalb den Kopf hängen."

+++ Der HSV will mit geschärften Sinnen die Trendwende schaffen +++

Fink zumindest ist optimistisch, dass Petric seine Krise überwunden hat. "Von Mladen muss mehr kommen", hatte der Coach Anfang der Woche auch seinen Top-Torjäger (mit sechs Saisontoren führt er die interne Rangliste zusammen mit Paolo Guerrero weiter an) kritisiert. Doch nach den letzten Eindrücken sieht der Coach seine Forderung umgesetzt. "Er hat in dieser Woche gut trainiert, zudem passt er gut zu Marcus Berg, der an seiner Seite stürmen wird. Ich bin guter Dinge."

Gut trainieren ist die eine, gut spielen eine andere Sache. Petric wirkt auf dem Spielfeld seit einiger Zeit extrem verunsichert, die aufgekommene Kritik scheint an ihm zu nagen. "Es kocht und brodelt in ihm", bestätigte Petrics Berater Volker Struth vor zwei Tagen in der "Hamburger Morgenpost" und fügte hinzu, dass Petric selbst nicht zufrieden mit seiner Leistung sei. "Doch in der ganzen Mannschaft ist momentan der Wurm drin. Dies nur auf seinem Rücken auszutragen, ist unfair", so sein Berater. Weiter ausführen wollte Struth seine Aussagen nicht. "Über das Thema ist genug geredet worden", sagte der Spieleragent gestern.

Das Gerede wird von selbst verstummen, wenn sich Petric wieder auf seine genialen Momente besinnt - wie im Hinspiel. Da lieferte der "Magier" seine wohl beste Saisonleistung ab und bewies, wie er dem HSV am meisten hilft: mit (mindestens) einem begeisternden Tor. Den aus seinem Kasten stürzenden Diego Benaglio überwand Petric mit einem überlegten Lupfer zum 1:1, so, wie es nur wenige Stürmer können. Doch sollte er sich nicht steigern können, droht ihm im kommenden Spiel beim 1. FC Kaiserslautern endgültig die Bank - und das trotz der schwächelnden Konkurrenz im HSV-Sturm, wo sich niemand wirklich aufdrängt. Petric hat es selbst in der Hand.

Eine Persiflage auf "Hamburg, meine Perle" unter abendblatt.de/hsv-lied