Der Hamburger SV hat das Finale der Europa League am 12. Mai in Hamburg verpasst. Im Halbfinale scheiterte der Klub am FC Fulham.
London. Klubchef Bernd Hoffmann sah blass aus, als er vor die Kameras von Sat.1 trat. Konsterniert rang er sich, tief enttäuscht, einige Worte ab: "Wenn 15 Minuten vor Spielschluss der große Traum zerplatzt, ist das eine ganz bittere Stunde."
75 Minuten lang durfte er vom Endspiel in der Europa League im eigenen Stadion träumen, der ersten Finalteilnahme des HSV in einem Europapokal seit 27 Jahren. Doch der FC Fulham drehte die 1:0-Führung der Hamburger innerhalb von sieben Minuten, siegte 2:1. Die Spieler trauerten nach dem Abpfiff noch lange auf dem Rasen - fast alle. Zé Roberto verschwand sehr schnell, was symptomatisch war. Diese Mannschaft hat keine Zukunft. Den Brasilianer zieht es nach New York, Jerome Boateng nach Manchester. Weitere Abgänge dürften folgen.
+++DAS TRAGISCHE AUS DES HSV ZUM NACHLESEN+++
Nach dem zweiten Halbfinal-Aus in Folge - vergangene Saison war nach den Spielen gegen Bremen Endstation - stehen die Hamburger vor den Scherben dieser Saison. In der Meisterschaft ist die Qualifikation für die Europa League nur noch theoretischer Natur, im DFB-Pokal schied man frühzeitig aus.
Wenn der HSV zum letzten Heimspiel der Saison am Sonnabend Nürnberg empfängt, könnte es nicht nur für die Spieler, sondern auch für den HSV-Vorsitzenden ungemütlich werden. Wie beim 1:5 in Hoffenheim schallten ihm auch nach dem Abpfiff in London laute "Hoffmann raus"-Rufe der Fans entgegen. Aufsichtsratschef Horst Becker nahm den Vorstand in Schutz: "Er muss sich kritische Fragen gefallen lassen, aber man darf jetzt nicht die Kritik an einer Person festmachen."
Dabei konnte man dem HSV zumindest am Donnerstagabend keine Vorwürfe machen, was Kampfgeist und Einstellung betraf. Womöglich gab Teambesitzer Mohamed al-Fayed unter Jubel der Fulham-Fans den letzten Motivationsschub. Als er den Platz des ausverkauften Craven Cottage betrat, sorgte der ägyptische Multimillionär durch für einen Gentleman seines Kalibers eher untypisches Benehmen beim HSV-Anhang für großes Staunen. Mit einer eindeutigen Handbewegung, die auf der Insel nichts anderes als Fuck off! (auf Deutsch: Verpisst euch!) heißt, signalisierte der 77-jährige Vereinschef den mehr als 1400 Gästen, was er vom HSV hält: gar nichts.
Während sich al-Fayeds Hamburger Pendant Hoffmann auf der kleinen Ehrentribüne, auf der auch Englands Nationaltrainer Fabio Capello und Schauspieler Hugh Grant Platz nahmen, ähnliche Handbewegungen verkneifen konnte, gaben die 22 Hauptdarsteller auf dem Rasen mit dem Anpfiff jegliche Zurückhaltung auf.
Die Anhänger beider Mannschaften waren höchst zufrieden mit dem abwechslungsreichen Geschehen auf dem Rasen und taten es den Spielern mit einer ähnlich beeindruckenden Darbietung auf den Tribünen gleich. Von der HSV-Krise, die mit der Demission Bruno Labbadias ihren traurigen Höhepunkt erreicht hatte, war auf den Rängen nichts mehr zu spüren.
So war es auch kein Zufall, dass ausgerechnet Mladen Petric, der sich das letzte öffentliche Scharmützel mit Labbadia kurz vor dessen Entlassung geleistet hatte, die Hamburger Krise mit einem Zauberschuss aus 29 Metern auch auf dem Rasen beendete - vorübergehend. Sein Traumtor in den Winkel ließ Hamburgs Anhänger vom Heimfinale am 12. Mai träumen. "Über London fahren wir wieder nach Hause", sangen die Anhänger überglücklich.
Bis zum Pausenpfiff hatte der HSV alles unter Kontrolle, die Hamburger standen gut organisiert, ließen kaum Chancen des Gegners zu. Auch Dennis Aogo, der nach seinem Magen-Darm-Infekt erst am Spieltag nach London nachgeflogen war, wirkte mit.
Doch nach dem Wiederanpfiff schnürten die Londoner die Gäste immer mehr in der eigenen Hälfte ein, der HSV konnte kaum noch für Entlastung sorgen. "Wir haben uns nach dem 1:0 zu weit zurückgezogen", monierte Petric. "Wer gegen englische Teams so defensiv steht, bekommt Probleme." Befürchtungen wurden wach an das 4:1 von Fulham gegen Juventus Turin, als die Londoner noch einen 0:1-Rückstand umbogen. Und Fulham schaffte die Wende: Erst bediente Murphy Davis, der den düpierten Guy Demel wie einen Schuljungen stehen ließ und zum 1:1-Ausgleich traf (69.). So leicht darf sich ein vermeintlicher Klasse-Verteidiger nie ausspielen lassen.
Kurz darauf scheiterte Jonathan Pitroipa zwar in aussichtsreicher Position (74.), doch zwei Minuten später der Schock, als Gera mit dem 2:1 das Spiel drehte. Die Hamburger brauchten nun ein Tor zum Weiterkommen, aber die Mittel fehlten, Chancen blieben Mangelware. Der Rest war Trauer. Was um 22.55 Uhr blieb, war eine große Leere.
Fulham: Schwarzer - Pantsil (75. Nevland), Hangeland, Hughes, Konchesky - Duff, Etuhu, Murphy, Davies - Gera, Zamora (58. Dempsey).
Hamburg : Rost - Demel, Boateng, Mathijsen, Aogo - Jarolim (90. Rozehnal), Zé Roberto - Tesche (56. Rincon; 79. Guerrero), Pitroipa - Petric, van Nistelrooy.
Tore: 0:1 Petric (22.), 1:1 Davies (69.), 2:1 Gera (76.). Schiedsrichter: Cüneyt Cakir (Türkei). Zuschauer: 22 500 (ausverkauft). Gelb: Boateng, Rost.