Jerome Boateng verlässt den HSV. Ihn zieht es für die festgeschriebene Ablösesumme von 12,5 Millionen Euro in die Premier League.
Hamburg. Will man die Bedeutung von Jerome Boateng für den HSV beschreiben, braucht man eigentlich nur die Körpersprache seines Kompagnons in der Innenverteidigung, Joris Mathijsen, während der Spiele zu beobachten. Der Niederländer blüht auf, wenn er Boateng an der Seite hat. Ein Umstand, der auch Trainer Bruno Labbadia aufgefallen sein wird. "Natürlich gibt uns ein gesunder Jerome auf dem Platz zusätzlich Sicherheit", weiß der Trainer. Allerdings wollte der HSV-Coach den jungen deutschen Nationalspieler nicht allzu sehr hochjubeln. Aus taktischen Gründen. Denn der Abgang des 21-Jährigen droht nicht mehr nur - nach Abendblatt-Informationen ist er sogar überhaupt nicht mehr zu verhindern.
Schon Ende März gab es eingehende Verhandlungen zwischen Boatengs Berater Jörg Neubauer und dem Premier-League-Klub Manchester City. Am 1. April folgte die Einigung. Zwar hatte Bayern München parallel Interesse angekündigt - allerdings kam es hier zu keinen Verhandlungen. Dafür zu branchenüblichen Dementis. Der HSV sei der erste Ansprechpartner, hatten Neubauer und Boateng stets betont. Und dabei nicht gelogen. Allerdings ist der HSV nicht mehr erste Wahl. Manchester City, die Heimat der ehemaligen HSV-Profis Vincent Kompany und Nigel de Jong, hat das Rennen gemacht. Weil es mit rund fünf Millionen Euro Jahresgage finanziell das mit Abstand beste Angebot war. Weil der Klub als derzeit Vierter der Premier League einen Rang zur Qualifikation für die Champions League belegt und somit die sportlich bessere Perspektive bietet. Und weil der HSV eine andere Einschätzung als der Spieler hatte. Denn während der Vorstand Boateng in der Bringschuld sieht und auf seine gute Entwicklung beim HSV hinweist, sieht sich dieser einen Schritt weiter.
Der Klub darf sich nun auf einen üppigen Zahlungseingang freuen, der aber nur zum Teil in der Kasse verbleibt, denn: 20 Prozent der festgeschriebenen Ablösesumme von 12,5 Millionen Euro gehen an Jerome Boatengs vorherigen Klub Hertha BSC. So war es beim Wechsel aus der Hauptstadt nach Hamburg im August 2007 vereinbart worden. Deswegen hat die Scoutingabteilung schon vor Wochen den klaren Auftrag vom HSV-Vorstand erhalten, einen Nachfolger speziell für Boateng zu suchen.
So bleiben dem HSV also netto zehn Millionen Euro. Bei Ausgaben von 1,1 Millionen Euro beim Wechsel 2007 eine hohe Dividende. Dennoch dürfte sich die Freude in Grenzen halten. Denn der HSV steht jetzt unter Druck als Sechster in der Liga, aber auch in der Kaderplanung für die neue Saison. Einen Spieler mit ähnlichen Perspektiven wie Boateng gibt es kaum. Und wenn, dann kostet er wie beispielsweise Mats Hummels von Borussia Dortmund kaum weniger als zehn Millionen Euro - eher deutlich mehr. Zudem wurden zuletzt mit Zé Roberto (Red Bull New York) sowie Paolo Guerrero (Vertrag läuft aus) und Piotr Trochowski, dessen Verhältnis zu Labbadia als unterkühlt gilt, drei weitere Führungsspieler als potenzielle Abgänge gehandelt. Viel Arbeit für den HSV.
Was den Fall Boateng jedoch spezieller als andere machte, war dessen Vertragspassus, sich bis Ende der Transferfrist am 31. August entscheiden zu können. So war es beim Vertragsabschluss 2007 ebenfalls festgehalten worden. Damit hätte der HSV der Situation ausgesetzt werden können, in allerletzter Sekunde eine feste Größe zu verlieren, ohne noch ausreichend Zeit zu haben, eine Alternative zu beschaffen. "Unser Bestreben ist es natürlich, möglichst bald Klarheit zu haben", hatte Katja Kraus, Vorstand Sport, stets betont. Auch gestern. Und der Spieler selbst hält sich daran. Und obgleich seine Antwort die Hamburger Verantwortlichen nicht erfreuen dürfte - sie gibt ihnen weitere Sicherheit. Zumindest für die Planung.