DFL-Chef Rauball kritisiert Guerrero, nimmt aber auch Fans in die Pflicht.

Hamburg. Über die Attacke von Paolo Guerrero und deren Folgen sprach das Abendblatt mit Reinhard Rauball, Präsident der Deutschen Fußball-Liga (DFL).

Abendblatt:

Herr Rauball, wie beurteilen Sie als Ligapräsident den Trinkflaschenwurf von Paolo Guerrero?

Reinhard Rauball:

Jede Form von Gewalt ist zu verabscheuen. Dazu gehört es auch, wenn ein Spieler einen Zuschauer mit einer Trinkflasche bewirft. Natürlich sind massive Beleidigungen von Fans gegenüber den Profis ebenfalls fehl am Platz. Der Kauf einer Eintrittskarte gibt niemandem das Recht, Spieler weit unterhalb der Gürtellinie zu bepöbeln oder gar zu attackieren. Dennoch muss ich von einem Bundesliga-Profi erwarten, dass er sich zu solchen Reaktionen nicht hinreißen lässt. Man muss vom Spieler wie vom Zuschauer Anstand erwarten dürfen.

Welche Konsequenzen drohen Guerrero?

Vereinsintern ist das zunächst Sache des HSV. Darüber hinaus ist dies eine Frage des DFB-Kontrollausschusses.

Beobachten Sie eine zunehmende Entfremdung zwischen Fans und Spielern?

Im Grundsatz nach wie vor nein. Dagegen sprechen die enormen Zuschauerzahlen. Außerdem werden die Spieler auch unglaublich gefeiert. Die Atmosphäre in unseren Stadien ist oft genug überwältigend. Aber die Fans reagieren inzwischen sensibler als früher.

Liegt das nach Ihrer Ansicht an den enormen Gehaltssteigerungen im Fußball?

Für mich ist klar: Die horrenden Gehälter von Fußballprofis sind Produkt des Marktes und mitunter schwer vermittelbar. Mit Neid auf die enormen Gagen hat das Problem aber meines Erachtens eher wenig zu tun. Es geht hier vielmehr um die Erwartungshaltung, die in den letzten Jahren stark gewachsen ist.

Was meinen Sie konkret?

Die Fans erwarten heute eine hundertprozentige Identifikation der Spieler mit ihrem Verein. Entsprechend gereizt reagieren sie, wenn Profis sich nicht für ihren Verein zerreißen. Oder nach ein paar guten Spielen schon mit einem möglichen Wechsel kokettieren.

Was empfehlen Sie?

Die Spieler sollten sich auf ihren Job konzentrieren, sich zu hundert Prozent für den Verein engagieren. Und wir Klubs sollten uns hüten, übertriebene Erwartungshaltungen zu wecken. Auch wenn mancher Verein dafür zum Teil massiv kritisiert wird, wenn er sich nicht zu Zielen bekennt, die nur unter günstigsten Voraussetzungen erreichbar sind.