Nationalspieler Piotr Trochowski über seine Leistung, sein Pendeln zwischen Platz und Bank und sein Verhältnis zu Bruno Labbadia.
Von Piotr Trochowskis derzeitigem Wohnzimmer bis ins Café des Elysee-Hotels braucht man derzeit keine 20 Sekunden. Wegen eines Wasserschadens in seiner Eppendorfer Wohnung musste sich der HSV-Profi für drei bis vier Wochen im Mannschaftshotel an der Rothenbaumchaussee einquartieren. In Trochowskis "Not-Unterkunft" spricht der Fußballer über sein Verhältnis zu Trainer Bruno Labbadia, seinen 2011 auslaufenden Vertrag und sein Dilemma, nicht ausreichend gewürdigt zu werden.
Hamburger Abendblatt: Herr Trochowski, vor ziemlich genau zwei Monaten haben Sie in einem Abendblatt-Interview bekräftigt, dass Sie als Stamm- und Führungsspieler beim HSV Verantwortung übernehmen wollen. Was ist seitdem passiert?
Piotr Trochowski: Was soll passiert sein?
Abendblatt : Sie scheinen weit davon entfernt, ein Stammspieler zu sein.
Trochowski: Nur weil ich mal ein Spiel nicht von Anfang an gemacht habe, ändert sich noch lange nichts an meinen Zielen.
Abendblatt : In der Rückrunde wurden Sie mehrfach nur ein- oder auch ausgewechselt. Warum?
Trochowski :Da müssen Sie den Trainer fragen.
Abendblatt : Hat Bruno Labbadia Ihnen mittlerweile erklärt, warum Sie gegen Hertha erneut nur eingewechselt wurden?
Trochowski: Nein. Bruno Labbadia hat nicht mit mir gesprochen.
Abendblatt : Waren Sie über seine Entscheidung überrascht?
Trochowski :Natürlich war ich überrascht. Ich hatte ja gegen Eindhoven und gegen Bayern ganz gut gespielt. Warum ich daran gegen Berlin nicht anknüpfen durfte, weiß ich nicht.
Abendblatt : Auch beim DFB waren Sie zuletzt nicht erste Wahl. Hat denn Joachim Löw erklärt, warum Sie gegen Argentinien nicht spielten?
Trochowski :Ja, das hat er. Und nachdem er es mir erklärt hat, konnte ich die Gründe mehr oder weniger nachvollziehen.
Abendblatt : Die Gesamtsituation scheint Sie zu belasten.
Trochowski :Ich denke über die Situation nach, aber sie belastet mich nicht.
Abendblatt: Trotzdem scheinen Sie verunsichert. Gegen Hertha haben Sie in 20 Minuten keinen Zweikampf gewonnen, mehrfach den Ball verloren und einen Konter vertändelt.
Trochowski :Es stimmt, dass ich gegen Berlin einige falsche Entscheidungen getroffen habe. Aber das waren 20 Minuten. Man muss das Ganze sehen.
Abendblatt : Auch insgesamt hat man den Eindruck, dass Sie weit von Ihrer Topform entfernt sind.
Trochowski :Es ist doch so: In den vergangenen Jahren war ich der Feldspieler mit den meisten Einsätzen für den HSV. Ich habe letzte Saison 48 Pflichtspiele bestritten und das Jahr davor 46 Einsätze gehabt. Von Ersatzspieler kann man da nicht sprechen. Und wir waren zuletzt auch immer international dabei. Nur wenn es zwischenzeitlich mal nicht so läuft, dann werde ich gern kritisiert.
Abendblatt: In Belek haben Sie angekündigt, torgefährlicher werden zu wollen. Aus dem Feld haben Sie in der ganzen Saison aber nur ein einziges Tor erzielt.
Trochowski : Dafür habe ich umso mehr Elfmeter- und Freistoßtore erzielt. Tor ist Tor.
Abendblatt : Wenn man Sie so reden hört, kann man den Eindruck gewinnen, dass Sie rundum zufrieden sind.
Trochowski :Was heißt zufrieden? Fußball ist ein Mannschaftssport, wenn Sie genau hinsehen, dann registrieren Sie auch, dass ich meinen Teil dazu beitrage. Zufrieden bin ich nicht, wenn wir als Mannschaft unsere Ziele nicht erreichen, und die lauten: internationaler Wettbewerb, und das darf dann auch mal die Champions League sein. Persönlich erinnere ich mich auch an Highlights wie das Spiel vor zwei Wochen gegen Eindhoven mit dem Pass auf Petric und dem Elfmeter oder das Tor letztes Jahr gegen Frankfurt, ohne das wir diese Woche kein Spiel gegen Anderlecht hätten.
Abendblatt : Und gerade deswegen sind die Ansprüche an Sie sehr hoch. Immerhin sind Sie Nationalspieler.
Trochowski :Für mich ist es zu einfach zu sagen, der Trochowski hat nur ein Tor aus dem Feld geschossen, deswegen ist es keine gute Saison für ihn.
Abendblatt : Dann sprechen wir nicht über Ihre offensiven Qualitäten, sondern über Ihr Defensivspiel.
Trochowski :Jeder kann sich immer verbessern. Auch ich.
Abendblatt : Nicht nur Labbadia wirft Ihnen immer wieder mangelhaftes Defensivspiel vor.
Trochowski :Das sehe ich nicht so, ich arbeite nicht schlecht nach hinten.
Abendblatt : Im Winter beklagten Sie sich über mangelnde Anerkennung.
Trochowski : Das scheint immer noch mein Dilemma zu sein, sonst müsste ich mich hier nicht rechtfertigen.
Abendblatt : Die logische Konsequenz wäre, den Verein zu verlassen.
Trochowski :Ich habe einen Vertrag bis 2011 und fühle mich beim HSV wohl.
Abendblatt: Würden Sie trotz der momentanen Umstände verlängern?
Trochowski :Darüber mache ich mir jetzt keine Gedanken, erst wollen wir die Saisonziele erreichen.
Abendblatt : Was passiert, wenn Sie auch weiterhin nicht spielen?
Trochowski : Dann würde ich vermutlich das Gespräch mit Bruno Labbadia suchen.
Abendblatt : Haben Sie das noch nicht getan?
Trochowski : Doch. Wir hatten schon mal über meine Situation vor einiger Zeit gesprochen.
Abendblatt : Und was hat er gesagt?
Trochowski: Dass er von mir mehr erwartet.
Abendblatt : Erwarten Sie nicht auch von sich mehr?
Trochowski : Man erwartet immer mehr von sich und mehr vom Verein.
Abendblatt : Was meinen Sie?
Trochowski : Wir pendeln immer zwischen Platz vier und sechs. Der Anspruch des HSV muss es aber sein, sich jedes Jahr für die Champions League zu qualifizieren. Das ist zumindest mein Anspruch. Und wenn man mich lässt, würde ich gerne dazu beitragen, dass wir das schaffen.