Seit der guten EM ist der Niederländer umworben - und will davon nichts hören: “Für mich zählt nur die neue Bundesliga-Saison.“

Längenfeld. Der Stress hat ihn wieder. Nigel de Jong genoss den kurzen Urlaub nach der Europameisterschaft, aber seit dem Wochenende ist er wieder im Alltag eines Fußball-Profis. Am Freitag ging es per Flieger nach München, zum Benefizspiel für "Goal4africa", am Sonntag hieß es früh aufstehen, denn der Flieger nach Hamburg startete bereits um 7.15 Uhr, Training, nach Hause, Sachen packen - und dann ging es am Montag um neun Uhr morgens nach Innsbruck, von dort mit dem Mannschaftsbus ins Trainingslager nach Längenfeld im Ötztal. Das ist schon stressig, aber die eine Woche Österreich, die nun bevorsteht, wird sicher noch viel stressiger.

Für einen Kämpfer wie de Jong dürfte das allerdings kein großes Problem werden. Der drahtige Niederländer, ein Typ wie ein Stehaufmännchen, lebt von seiner Physis, er ist ein echtes Energiebündel, hat Luft für 90 Minuten und mehr, er ist zäh und dynamisch zugleich. Mit diesen Eigenschaften hat er auch schon in der vergangenen Saison geglänzt, Nigel de Jong wurde zum besten HSV-Spieler der Rückrunde. Weil er ehrlichen Fußball zeigte, immer alles gab. Getreu dem Motto, das er bei seiner Vorstellung in Hamburg 2006 verkündete: "Ich bin hier, um die dreckige Arbeit zu erledigen."

Bei der EM in der Schweiz und in Österreich knüpfte er nahtlos an die starken Leistungen aus der Bundesliga an. In Deutschland (und nicht nur dort) wurde die niederländische Nationalmannschaft ob ihres großartigen Fußballs in der Vorrunde zum Turnierfavoriten erkoren, und überall hieß es nur: Nigel de Jong ist einer der besten Spieler der Holländer.

Der HSV-Profi rackerte vorbildlich, kein Weg war ihm zu weit, kein Zweikampf zu brisant, er riss seine Nebenleute mit. Kaum zu glauben, dass de Jong erst 23 Jahre alt ist, wie er selbst zugibt: "Ich wirke älter. Das kommt daher, weil ich im Fußball schon einiges miterlebt habe. Ich weiß, dass das Leben und Fußball nicht immer nur Spaß ist."

Bei der EM aber wirkte er stets so, als hätte er nur Spaß. "Ich glaube auch, dass ich bei diesem Turnier meine besten Länderspiele gemacht habe", sagt de Jong und fügt hinzu: "Wenn man mit zwei so starken Spielen in eine EM startet, dann ist sofort Euphorie da, die Kraft gibt, die einen mitreißt. Wir können stolz sein auf unsere Leistung - aber das Aus gegen Russland tut mir immer noch weh." Dann aber gibt er sich seiner Natur getreu sofort wieder kämpferisch: "Diese guten Spiele nehme ich mit zur Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika." Soll heißen: Da will er mit seinen Niederländern dann tatsächlich nach dem Titel greifen.

Zunächst aber will de Jong seine gute EM dazu nutzen, um mit Rückenwind in die neue Saison zu gehen. "Jetzt ist ein neuer Trainer da, wir müssen sehen, welches System wir nun spielen. Aber natürlich nimmt man eine EM als Erfahrung mit. Ein solches Turnier macht jeden Spieler stärker für die nächsten Jahre, ich glaube auch, dass es uns allen hilft: Rafael van der Vaart, Joris Mathijsen und mir."

Nigel de Jong spricht über die neue Bundesliga-Saison, über den HSV und sich. Dabei hatte es nach seiner überragenden EM Gerüchte über Angebote europäischer Top-Klubs für ihn gegeben. Auch Sevilla hat sich angeblich gemeldet, dort war er schon im Gespräch, bevor er im Januar 2006 zum HSV wechselte. Aber davon will de Jong nichts wissen: "Ich bin jetzt beim HSV, ich konzentriere mich auf die neue Saison, alles andere, ob es da andere Angebote gibt, das interessiert mich nicht. Klar, wenn man eine gute EM spielt, dann gibt es schnell mal das eine oder andere Angebot, aber das ist für mich nicht so wichtig, ich bin erstmal fokussiert auf den HSV."