Fußball-Bundestrainer Joachim Löw berief 27 Spieler für den vorläufigen EM-Kader. Der Name von HSV-Verteidiger Dennis Aogo fehlte dabei.
Rastatt/Hamburg. Bevor sich Dennis Aogo Richtung El Arenal auf Mallorca aufmachte, um mit HSV-Kollegen das Saisonende der Fußball-Bundesliga zu begießen, klingelte das Telefon des Linksverteidigers. In dem folgenden kurzen Gespräch teilte Joachim Löw dem 25-Jährigen mit, dass er nicht im vorläufigen Aufgebot für die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine steht. "Der Bundestrainer begründete, er hätte sich aufgrund der Situation im Verein für Marcel Schmelzer entschieden", sagte Aogo, der das verlorene Duell gegen den Dortmunder nicht weiter kommentieren wollte. Auf der Pressekonferenz in Rastatt erklärte Löw auf Nachfrage, Schmelzer habe in den vergangenen Monaten hervorragend gespielt und sei immer stärker geworden.
Da der Bundestrainer entschied, nur 27 Spieler in das vorläufige Aufgebot für die am Ende 23 EM-Plätze zu berufen, gab es auch keine Chance für Verteidiger Heiko Westermann, zumindest während der Vorbereitung als "Sparringspartner" einzuspringen.
Nachdem vor zwei Jahren bei der WM in Südafrika mit Dennis Aogo, Piotr Trochowski, Marcell Jansen und Jerome Boateng (der danach zu Manchester City wechselte) vier HSV-Profis im DFB-Kader standen, nun also die aus Hamburger Sicht bittere Nullnummer. Überhaupt wird es während der EM-Endrunde wahrscheinlich keine HSV-Spieler zu "bewundern" geben, da für Jaroslav Drobny im tschechischen Team nur die Rolle des Ersatztorwarts vorgesehen ist, Jeffrey Bruma nicht für das 36-köpfige niederländische Aufgebot nominiert wurde und sich ansonsten nur noch Ivo Ilicevic und Mladen Petric vage Hoffnungen auf eine Nominierung durch Kroatiens Nationaltrainer Slaven Bilic machen dürfen, weshalb der Slogan "Nur der HSV" durch das Wort "nicht" ergänzt ergänzt werden muss. Während neben Aogo auch erfahrene Spieler wie Simon Rolfes (Leverkusen) oder Christian Träsch (Wolfsburg) keinen Platz ergatterten, setzte Löw mit den Nominierungen des 18 Jahre alten Julian Draxler (Schalke 04) und des 20 Jahre alten Torwarts Marc-André ter Stegen, die beide noch ohne Einsatz im A-Team sind, sowie Ilkay Gündogan, 21, ein Zeichen für die "junge Welle".
+++ HSV-Verteidiger Aogo steht nicht im vorläufigen EM-Kader +++
Acht Spieler von Bayern München sind wie erwartet dabei und bilden mit fünf Profis von Meister Dortmund den Kern des Teams. Damit ist aber ein Problem verbunden. Zwar beginnt am Freitag mit dem Flug von Frankfurt nach Sardinien die EM-Vorbereitung, doch von den 27 nominierten Spielern werden dann nur elf dabei sein. Mit diesem "Teamchen" schickt Löw seinen Assistenten Hansi Flick und Andreas Köpke nach Porto Cervo, weil er sich in Berlin am Sonnabend das Pokalendspiel zwischen den Bayern und dem BVB mit 13 seiner Kandidaten anschaut.
Da am Wochenende auch noch Sami Khedira und Mesut Özil mit Real Madrid in Grenada und Miroslav Klose mit Lazio Rom gegen Siena letzte Saisonspiele bestreiten, werden sie und die Dortmunder Mario Götze, Sven Bender, Mats Hummels, Marcel Schmelzer und Gündogan erst Montag und Dienstag auf Sardinien eintreffen. Dort befindet sich Per Mertesacker nur deswegen schon, weil er nach einer Knöchel-Operation beim FC Arsenal nicht mehr eingesetzt wird. Ob der Ex-Bremer fit wird, ist eine der Sorgen, die Löw beschäftigen. Immerhin ist bei Klose der Muskelriss im Oberschenkel ausgeheilt.
"Es wäre schön, wenn die Münchner mit einem unheimlichen Glücksgefühl nach Südfrankreich kommen", sagte Löw mit Blick auf das Finale in der Champions League des FC Bayern am 19. Mai. Erst am 25. Mai, wenn die halbe Vorbereitung vorbei ist, werden Manuel Neuer, Philipp Lahm, Holger Badstuber, Thomas Müller, Toni Kroos, Bastian Schweinsteiger, Jerome Boateng und Mario Gomez im zweiten Trainingscamp in Südfrankreich erwartet. Die Münchner haben nach dem Europapokal-Endspiel gegen den FC Chelsea noch ein Privatspiel gegen die Niederlande (22. Mai) abgeschlossen. Nach anfänglicher Verstimmung hat Löw dies akzeptiert. Zum ersten von zwei Tests am 26. Mai in Basel gegen die Schweiz fährt nur ein Zweidrittelkader.
Zwei Tage vor dem zweiten Test am 31. Mai in Leipzig gegen Israel muss Löw das Kandidaten-Casting abschließen und den Kader-Cut vornehmen. Ein potenzieller Streichkandidat ist Mittelfeldspieler Draxler, obwohl er ausdrücklich gelobt wurde. Er hat den Vorteil, ein Linksfuß zu sein, von denen es nicht viele gibt. Sicher ist, dass ein Torwart gestrichen wird. Neuer ist gesetzt, dahinter müssen sich Tim Wiese (Bremen) und Ron-Robert Zieler (Hannover) dem Herausforderer ter Stegen stellen. "Jeder hat die Chance", betonte Torwarttrainer Andreas Köpke.
Löw kündigte an, dass er mit Lahm beraten will, ob der Kapitän wie beim FC Bayern wieder von der linken auf die rechte Abwehrseite rückt. Diese Aufgabe kann Löw wegen der abwesenden Bayern erst kurz vor dem ersten EM-Spiel gegen Portugal (9. Juni in Lwiw) lösen. Streichen wird er neben einem Torwart wohl drei Mittelfeldspieler. Neben Draxler könnte auch einer der Bender-Zwillinge dran glauben, denn im Sturm bewies Löw große Treue zu Stuttgarts Cacau.