Hamburg. Der frühere HSV-Profi machte bei PSG eine schwere Zeit durch – mit einer märchenhaften Wende. Neymar und Mbappé als Freunde.
Wenn es für die Fans von Paris Saint-Germain noch eines Beweises bedurft hätte, dass Eric Maxim Choupo-Moting der letzte, aber wirklich allerletzte Volldepp im Kader ihres Vereins ist, dann bekommen sie ihn am Abend des 7. April 2019. Das Team von Racing Strasbourg ist zu Gast im Prinzenpark zu Paris, es ist nicht irgendein Abend. Es ist der 31. Spieltag, und mit einem Sieg über die Elsässer ist Paris Saint-Germain französischer Meister. Ein Team aus der Provinz. Ostfranzosen.
Aber die Meisterfeier findet nicht statt. Das Match endet 2:2, der Sündenbock ist schnell gefunden – obwohl sich Choupo-Moting auch an diesem Abend voll und ganz in den Dienst der Mannschaft stellt und in der 13. Minute sogar das Tor zum 1:0 schießt. Interessieren wird das am Ende nicht. Interessieren wird eine Szene nur 15 Minuten später, in der Choupo-Moting in einer rätselhaften Aktion ein Tor für die eigene Mannschaft verhindert. Dazn wird dazu ein Extravideo produzieren und es mit dem Titel „Choupo-Moting mit dem Fail des Jahres“ bei YouTube posten.
Ausgebildet wurde Choupo-Moting bei Altona 93, St. Pauli und dem Hamburger SV
Eric Maxim Choupo-Moting (31), geboren im AK Altona, aufgewachsen in Ottensen, ausgebildet in den Jugendabteilungen von Teutonia 05 Ottensen, Altona 93, St. Pauli und dem Hamburger SV, hat keine leichte Zeit gehabt in den vergangenen zwei Jahren, seit seinem Wechsel nach Paris im Sommer 2018. Und womöglich ist das auch gar nicht wichtig, wenn am Sonntagabend (21 Uhr/ZDF) in Lissabon das Finale der Champions League 2020 angepfiffen wird. Denn dann wird es auch für den Altonaer Jung nicht mehr darum gehen, was einmal war und was vielleicht wird. Sondern nur um das Hier und Jetzt. Es ist die eine große Chance, Geschichte zu schreiben – der eigenen Karriere ein sagenhaftes Ende zu bescheren.
Choupo-Motings Geschichte bei Paris Saint-Germain beginnt mit der größtmöglichen Häme, die einen Fußballprofi begleiten kann. „Maxim wer?“, fragen die Fans zu Hunderten in den sozialen Netzwerken und machen sich lustig über fehlende Titel und Ablösesummen. „Lasst den Berater Chef der Arbeitsagentur werden, in zwei Jahren haben wir keine Arbeitslosigkeit mehr“, schreibt jemand auf Twitter. Und Choupo-Moting reagiert. „Seitdem ich Fußball spiele, gebe ich 100 Prozent auf dem Platz. PSG ist ein großer Verein, da ist es normal, dass die Fans große Namen erwarten“, sagt er in einem Interview. „Aber ich glaube an mich, an meine Qualitäten.“
Im Team wird Choupo-Moting anerkannt
Im Team wird Choupo-Moting anerkannt und respektiert, so wie es eigentlich überall war, wo der Stürmer vorher spielte. Thiago Silva nannte ihn jüngst einen Freund fürs Leben, auch mit Superstar Neymar verbindet ihn eine enge Freundschaft. Kein Wunder für die, die ihn schon lange kennen.
„Maxim war immer respektvoll den anderen gegenüber, auf und neben dem Platz. Ein sehr gut erzogener Junge. Aber dabei auch angenehm selbstbewusst“, erzählt Otto Addo. In der Saison 2008/09 begegnen sich die beiden zum ersten Mal, Huub Stevens bittet den damals 34-Jährigen, sich als eine Art Mentor um die Jungen im HSV-Team zu kümmern. Sidney Sam, Änis Ben-Hatira und eben Choupo-Moting. Keine einfache Zeit für junge Spieler, der Kader ist gespickt mit großen Namen. Ruud van Nistelrooy, Mladen Petric, Paolo Guerrero. Und so weiter.
Wovon sich der Deutsch-Kameruner schon damals wenig beeindrucken lässt. Während die anderen Spieler im Porsche zum Training fahren, kommt der damals Anfang 20-Jährige mit dem Rad. Streng sei der Junge erzogen worden, sagt Addo, es war den Eltern sehr wichtig, dass Maxim Abitur macht. Weshalb er selbst im HSV-Trainingslager einen Privatlehrer dabeihat. „Maxim wusste immer, was er wollte, und er wusste, was er kann. Er war ja schon damals ein sehr, sehr guter Fußballer, der alles mitbrachte, Technik, Schnelligkeit, Durchsetzungsvermögen.“
Es ist eine Aussage, die man immer wieder hört, wenn man mit ehemaligen Weggefährten spricht. Sie loben Choupo-Motings Bodenständigkeit, seine zugewandte Art. Und natürlich sein schon damals unübersehbares Talent. „Seine Technik war überragend“, sagt Jörg Michael Gerth, der den kleinen Maxim mit Beginn der D-Jugend über Jahre in den Hamburger Auswahlmannschaften trainierte. „Aber trotzdem auf dem Platz zurückhaltend, kein Spieler, der von der Persönlichkeit her dominierte, sondern einfach durch seine überragenden Fähigkeiten. Und eben auch durch seine absolute Zuverlässigkeit.“
Gerth wird das Finale am Sonntag in seinem Wohnzimmer schauen, genau wie Michael Braunheim, der Jugendwart von Altona 93. Was auch eine schöne Geschichte ist, denn obwohl Braunheim in den vergangenen 25 Jahren gefühlt 80 Prozent aller Kinder in Altona trainiert haben dürfte, war Maxim Choupo-Moting nicht darunter. Und trotzdem hat Braunheim ihn nahezu jeden Tag gesehen – von seinem Balkon im ersten Stock der Friedensallee 65. „Maxim war mit dem Sohn der Familie befreundet, die unter uns wohnte, und in jeder freien Minute haben die beiden im Hinterhof gekickt“, erzählt Braunheim.
„Ball hochhalten, Tricks einüben, alles, was auf beengtem Raum geht. Aber da zeigt sich ja dann auch schon die Technik.“ Braunheim lacht. Weil es ja irgendwie schon unglaublich ist, dass da einer beim kleinen Altona 93 beginnt und nun nach der Krone des europäischen Vereinsfußballs greift. Auch Braunheim weiß von Choupo-Motings schwierigem Start in Paris. „Dass Maxim dann im Viertelfinale das entscheidende Tor gegen Atalanta Bergamo schießt, hat mich unglaublich gefreut für den Jungen“, sagt er.
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Wer nach dem Spiel die unzähligen Interviews sah, die Choupo-Moting im französischen Fernsehen gab, ahnte schnell: Es hat ihm selbst eine Menge bedeutet. Er, der zum Start der Champions League nicht einmal im Kader stand. Der, wenn das Finale am Sonntag abgepfiffen wird, keinen Vertrag mehr hat bei Paris Saint-Germain. Der wohl wie immer nicht in der Startelf stehen wird. „Wenn du ein guter Typ bist, zahlt es sich am Ende immer aus. Danke, Maxim!“, kommentiert ein Paris-Fan bei Twitter. In den Stunden danach geben Tausende Menschen diesem Satz ein rotes Herz.
Eric Maxim Choupo-Moting hat nie vergessen, woher er kommt. Hat Kontakt gehalten zu alten Weggefährten, die inzwischen Väter sind, ganz wie er selbst. Als Otto Addo im Februar nach dem Achtelfinalhinspiel Dortmund gegen PSG mit seinen Kindern in den Spielertrakt läuft, nimmt ihn Choupo-Moting herzlich in Empfang. Dann sieht er Addos Kinder. Und holt sofort Neymar und Mbappé aus der Kabine. Für die Selfies. Und sie kommen. Was man nicht alles macht, für einen Freund.