Madrid. Nach sechs verlorenen Endspielen beendet der deutsche Trainer im Finale der Champions League gegen Tottenham seinen Fluch.
Am Ziel seiner Träume nahm Jürgen Klopp jeden seiner Helden in den Arm, dann klopfte er sich vor der tobenden Fankurve immer wieder auf die Brust. Der deutsche Trainer hat mit dem FC Liverpool dank eines Blitztreffers von Mohamed Salah und eines späten Tores von Divock Origi endlich die Champions League gewonnen und sich selbst ein Denkmal gesetzt. Die Reds entschieden das mäßige, aber spannende Finale gegen Tottenham Hotspur in Madrid mit 2:0 (1:0) für sich und stemmten zum sechsten Mal den begehrten Henkelpott in die Höhe.
"Unglaublich. Das war nicht das beste Spiel von Tottenham, nicht das beste von Liverpool", sagte Klopp nach dem Finale und rang um Worte: "Ich finde keine, ich bin sprachlos. Ich war in so vielen Finals und habe sie verloren. Das ist für meine Familie, für die Fans. Sie mussten so lange leiden. Ich bin froh, dass ich meiner Frau diese Goldmedaille schenken kann."
Er sei "superglücklich und superstolz". Man habe beiden Mannschaften die lange Spielpause angemerkt, sagte Klopp bei Sky. Er selbst sei anders als sonst sehr entspannt ins Finale gegangen, sogar einen Mittagsschlaf habe er gehalten: "Diese Mannschaft ist eine außergewöhnliche Truppe, sie haben selbst vorher beraten, wie sie mit einer Führung im Rücken umgehen sollen, ich musste gar nichts machen. Dafür liebe ich dieses Team."
Klopp beendet Finalfluch nach sechs Niederlagen
Salah (2.) verwandelte schon nach 108 Sekunden einen Handelfmeter und traf Tottenham im mit 63.272 Zuschauern ausverkauften Stadion Wanda Metropolitano mitten ins Herz. Der frühere Wolfsburger Origi (87.) entschied die Partie. Die Spurs hatten erstmals in ihrer Vereinshistorie im Endspiel der Königsklasse gestanden, Liverpool gar zum zweiten Mal in Folge.
"Jetzt stehen wir hier, haben den Titel gewonnen und ich habe das Tor erzielt. Genau dafür spielen wir Fußball. Wir hatten einen starken Gegner, aber wir waren auch selbst stark", sagte Origi, der 2018 mit Wolfsburg noch in der Relegation um den Klassenerhalt gekämpft hatte, bei Sky. Torhüter Alisson Becker meinte: "Unglaublich, ein Kindheitstraum wird wahr. Davon werde ich noch den Kindern meiner Kinder erzählen."
Für Klopp endete sein Final-Fluch. Zuletzt hatte der 51-Jährige sechs Endspiele in Folge verloren, davon zwei in der Champions League. Der Sieg im wichtigsten Vereinswettbewerb Europas ist der größte Erfolg seiner Karriere. Erst als zweiter deutscher Coach nach Jupp Heynckes gewann er mit einem ausländischen Club die Trophäe.
Elfmeter nach 23 Sekunden
Bei Temperaturen von 30 Grad begann die Begegnung spektakulär: Nur 23 Sekunden waren gespielt, als Schiedsrichter Damir Skomina (Slowenien) nach einem Handspiel von Moussa Sissoko auf den Punkt zeigte. Salah nutzte die Chance und drosch den Ball trocken ins Netz. Auf der Bank jubelte Klopp nur verhalten, seine Hände verschwanden schnell wieder in den Hosentaschen.
"Im Grunde ist es ein normales Fußballspiel", hatte Klopp vor dem Anstoß bei Sky gesagt. Dennoch setzte er auf eine Startelf, die in keinem der 52 vorherigen Pflichtspiele zum Einsatz gekommen war. Vom Offensiv-Trio Salah, Roberto Firmino und Sadio Mane war allerdings nur wenig zu sehen. Auch das zweitschnellste Final-Tor der Champions-League-Geschichte brachte den Reds in der hektischen Anfangsphase nicht die erhoffte Ruhe.
An Kane läuft das Spiel vorbei
Stattdessen war Tottenham mindestens ebenbürtig. Die Spurs standen extrem hoch und zwangen die Reds mit Erfolg zu langen Bällen. Allerdings fehlten den Londonern offensiv jegliche Ideen. Auch der lange verletzte WM-Torschützenkönig Harry Kane, der erstmals seit siebeneinhalb Wochen wieder auf dem Platz stand, hing häufig in der Luft und hatte bis zur Pause nur elf Ballkontakte. Für Kane hatte Halbfinal-Held Lucas Moura auf der Bank Platz nehmen müssen.
In dem von Taktik geprägten Spiel gab es folglich kaum Chancen. Ein Fernschuss von Liverpools Trent Alexander-Arnold rauschte knapp am langen Pfosten vorbei (17.), Andrew Robertson versuchte es mit Gewalt aus der Distanz (38.). Auf der Gegenseite fiel Ex-Bundesliga-Star Heung-Min Son zumindest mit Einzelaktionen auf.
Die jeweils 16.000 Fans beider Clubs sorgten dennoch für Gänsehautstimmung – kein Vergleich zum dürftigen Europa-League-Finale in Baku drei Tage zuvor. Schon vor dem Spiel hatten die Anhänger friedlich gefeiert, viele waren ohne Karte angereist. Auf dem Schwarzmarkt wurden bis zu 5000 Euro für ein Ticket geboten.
Alisson rettet gegen Eriksen
Geboten wurde den Fans aber auch in der zweiten Halbzeit zunächst nicht viel. Die Spurs strahlten nun zwar etwas mehr Gefahr aus, am Strafraum war aber meist Endstation.
Teammanager Mauricio Pochettino ging schließlich höheres Risiko und brachte Stürmer Moura für den defensiven Mittelfeldspieler Harry Winks (66.). Die nächste Chance hatte aber Liverpool, als der eingewechselte James Milner aus 14 Metern das Ziel um Zentimeter verpasste (69.). Moura (80.) vergab in der Schlussphase Tottenhams erste Möglichkeit der Partie, fünf Minuten später scheiterte Christian Eriksen mit einem Freistoß an Alisson.
"Nach dieser Saison, die wir hatten, hat es niemand mehr als wir verdient", sagte Jungstar Trent Alexander-Arnold: "Wir haben etwas Besonderes geschafft, das Spiel dominiert. Ich bin nur ein einfacher Junge aus Liverpool, dessen Traum wahr geworden ist."