New York/Frankfurt. Im Fifa-Prozess enthüllt ein Funktionär ein gigantisches Korruptionsnetzwerk. Ein Beschuldigter begeht Selbstmord.

Alejandro Burzaco ist ein recht unscheinbarer Mann. Mittelgroß, dunkles Haar – im Skandal beim Fußball-Weltverband Fifa bislang ein eher kleines, unbekannteres Licht. Doch das, was der 53 Jahre alte Argentinier zu wissen glaubt und im Zeugenstand des New Yorker Gerichtsgebäudes auspackte, könnte nicht nur für die Angeklagten weitreichende Folgen haben. Burzaco zog mächtige Medienunternehmen in den Korruptionssumpf und berichtete von gekauften Stimmen für die WM 2022 in Katar.

Die früher enorm einflussreichen Südamerika-Funktionäre Nicolás Leoz (Paraguay), Ricardo Teixeira (Brasilien) und der 2014 verstorbene Julio Grondona (Argentinien) sollen bei der WM-Vergabe im Dezember 2010 betrogen haben. Grondona, über Jahre die „graue Eminenz“ im Kontinentalverband Conmebol, habe für seine Katar-Stimme eine Millionen Dollar bekommen, sagte Burzaco unter Eid aus.

Als Leoz (89) während der entscheidenden Sitzung des Fifa-Exekutivkomitees zunächst nicht für das Emirat gestimmt hatte, soll er von Teixeira (70) und Grondona zusammengestaucht worden sein. „Sie schüttelten ihn, sie fragten: Was machst du? Stimmst du nicht für Katar?“, berichtete Burzaco. Gerüchte über Schmiergeldzahlungen aus Katar halten sich seit Jahren. Die WM-Ausrichter bestreiten die Vorwürfe aber vehement, hinreichende Beweise gibt es bislang nicht.

Beschuldigter begeht Selbstmord

Doch der Prozess in New York könnte weitere Details liefern. Angeklagt sind die früheren Funktionäre José María Marín, Juan Ángel Napout und Manuel Burga unter anderem wegen Betrugs, Verschwörung und Geldwäsche. Burzaco, in der Gesamtermittlung der US-Justiz ebenfalls Beschuldigter, ist der frühere Chef einer argentinischen Sportmarketingfirma (Torneos y Competencias), die in dem Korruptionsnetzwerk eine entscheidende Rolle spielte.

In den Zeugenstand setzte sich der Argentinier, der sich 2015 schuldig bekannt hatte, ganz offensichtlich im Zuge eines Deals mit der Staatsanwaltschaft. Seine Firma habe mehr als ein Jahrzehnt lang Bestechungsgelder für TV-Rechte an Conmebol-Führungskräfte gezahlt, sagte Burzaco aus. Marín (85) war bis 2015 Präsident des brasilianischen Verbandes, Napout (59/Paraguay) zwischenzeitlich Fifa-Vize und Burga (60) bis 2014 Fußballchef in Peru.

Von Burzaco belastet wurden auch die Argentinier Jorge Delhon und Pablo Paladino, die als Angestellte eines Regierungsprogramms ebenfalls Schmiergeld im Tausch gegen TV-Rechte genommen haben sollen. Delhon (52) beging im Anschluss an die Verhandlung Selbstmord, er soll sich vor eine U-Bahn in Buenos Aires geworfen haben. Weitere Hintergründe – und damit Zusammenhänge zu den Aussagen in New York – wurden zunächst nicht bekannt.

Bargeld „in Säcken und Umschlägen“

Burzaco berichtete detailliert von den Zahlungen an die Conmebol-Bosse: Die Gelder seien entweder per Banküberweisung auf ein Schweizer Konto gezahlt oder in Form von Bargeld „in Säcken und Umschlägen“ übergeben worden. Von der Staatsanwaltschaft vorgelegte Dokumente legen die Existenz einer für das Geld genutzten Firma auf den Turks- und Caicosinseln nahe. Marín habe bis 450.000 Dollar pro Jahr erhalten.

Belastet wurden in Burzacos Ausführungen unter anderem auch der US-Medienriese Fox Sports, TV Globo (Brasilien), die argentinische Mediengruppe Full Play und MediaPro (Spanien). Alle sollen in die millionenschweren Schmiergeldzahlungen auf unterschiedliche Weise involviert gewesen sein. Der Fox-Mutterkonzern 21st Century Fox wies die Anschuldigungen umgehend zurück.

Insgesamt richtet sich die US-Anklageschrift gegen 42 frühere Offizielle und Manager. Es geht um knapp 100 Verbrechen und ein Gesamtvolumen von 200 Millionen Dollar. Der Prozess gegen Marín, Napout und Burga wird wohl mindestens fünf bis sechs Wochen dauern, weitere sollen folgen. Leoz wehrt sich derzeit in seinem Heimatland vehement gegen die Auslieferung in die Staaten, Teixeira vermeidet wegen eines internationalen Haftbefehls Reisen ins Ausland.