Vor dem Konföderationen-Pokal, dem Vorläufer der Fußball-WM 2018, steht Gastgeber Russland am Pranger

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat wieder mal keine Mühen gescheut und seinen Kickern eine Broschüre zusammengestellt, die den Profis Land, Leute, Wirtschaft und Politik in Russland näherbringen soll. Kompendien dieser Art verteilen deutsche Sportorganisationen vornehmlich dann, wenn Nationen mit zweifelhaftem gesellschaft­lichen Ruf betreten werden müssen. Russland gehört nach Meinung des DFB offenbar dazu. Dort will Bundestrainer Joachim Löw beim Konföderationen-Pokal in den nächsten zwei bis drei Wochen Spieler suchen, die ihm ein Jahr später bei der Verteidigung des Weltmeistertitels helfen können.

Russland ist ein schwieriges Land, das sicherlich der Erklärung bedarf. Eine einfache gibt es nicht. Staatspräsident Wladimir Putin halten einige für einen „lupenreinen Demokraten“, der das größte Flächenland der Welt zu neuem Wohlstand führen will; andere sehen in ihm einen Diktator, der Demonstranten niederknüppeln lässt, Gegnern den Prozess macht, die Krim annektiert, der zulässt, dass sich seine korrupte Entourage am Volk bereichert.

Im DFB-Werk fehlt indes der historisch nicht unwichtige Hinweis, dass – bis auf Finnland – alle Staaten, die mit der verbrecherischen deutschen Wehrmacht und den Massenmördern der SS im Sommer 1941 die Sowjetunion überfielen, heute Mitglieder der Nato sind. Auch dass in der Ukraine, die unter dem Tyrannen Stalin litt, zunächst der Einmarsch der Nazis bejubelt wurde, macht Russlands Ängste verständlicher, wenn sich das westliche Verteidigungsbündnis seinen Grenzen – selbstverständlich in friedlicher Mission – mit Waffensystemen und Soldaten nähert.

Franzosen (Napoleon), Deutsche und Polen haben in den vergangenen Jahrhunderten versucht, das Land zu erobern, standen mit ihren Armeen vor den Toren Moskaus. Das hat niemand in Russland vergessen. Das Volk sehnt sich auch deshalb nach starken Führern. Putin ist in den Augen seiner Landsleute einer, der im Westen verklärte Michail Gorbatschow wird dagegen in seiner Heimat bis heute gehasst, weil er für den Zusammenbruch der Sowjetunion Ende 1991 verantwortlich gemacht wird.

Was hat das alles nun mit Sport zu tun? Natürlich nichts! Es hat inzwischen aber unrühmliche Tradition, dass sportliche Großereignisse genutzt werden, um mit mutmaßlich zwielichtigen Gastgebern abzurechnen. Was Wirtschaft und Politik meist nicht leisten wollen, – Fressen und Interessen kommen eben vor der Moral –, wird am Ende gern Sportlern und ihren Verbänden aufgebürdet. Sie sollen in letzter Konsequenz jene Meisterschaften boykottieren, die als Höhepunkte ihrer Karrieren vorgesehen sind. So lässt sich Verantwortung vortrefflich delegieren.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) und der Weltfußballverband Fifa, zwei Organisationen von höchst zweifelhaftem Ruf, haben sich von solchen Szenarien nie beeindrucken lassen, wenn es um die Vergabe von Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen geht, darum, ihren Sponsoren die größtmögliche Bühne zu bieten. Im Gegenteil. Der Sport baue Brücken, bringe Verständigung, Versöhnung unter die Menschen, argumentieren sie schnell alle Vorbehalte weg. Falsch liegen sie nicht. Dem Sport war es zu verdanken, dass vor und während der Olympischen Spiele 2008 in Peking über das brutale Vorgehen chinesischer Sicherheitskräfte gegen Demonstranten in Tibet diskutiert wurde. Jetzt werden Menschenrechtsverletzungen und Korruption in Russland angeprangert. Die menschenunwürdigen Lebensbedingungen der Gastarbeiter in Katar wären wohl der Weltöffentlichkeit weitgehend verborgen geblieben, hätte das Emirat nicht den Zuschlag für die Ausrichtung der Fußball-WM 2022 erhalten.

Übrigens: Die USA, die aufgrund der Todesstrafe in vielen ihrer Bundesstaaten nicht Mitglied der EU werden dürften, haben gerade für zwölf Milliarden Dollar Kampfjets nach Katar verkauft. Das wird hoffentlich dann zur Sprache kommen, wenn Olympia demnächst nach Los Angeles vergeben wird.