Évian-les-Bains/Hamburg. Deschamps tut Löw einen Taktik-Gefallen. Kroos hat Dämpfer für deutsche Fans. Podolski deutet Rücktritt an. Pläne für Titel-Feiern.
Am Donnerstag wird es zum hoffentlich vorletzten Mal Ernst für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft während er Europameisterschaft in Frankreich. Dann trifft die ersatzgeschwächte Auswahl von Bundestrainer Joachim Löw in Marseille im Halbfinale auf Gastgeber Frankreich (21 Uhr/ZDF und im Liveticker bei abendblatt.de).
Löw steht aufgrund der Ausfälle von Mats Hummels (gesperrt), Sami Khedira und Mario Gomez (beide verletzt) ein echtes Puzzle bevor. Zurück zur Viererkette oder doch wieder mit Dreierkette? Mit einem oder zwei Stürmern?
Abendblatt.de hält Sie über die Entwicklungen im deutschen und französischen Lager auf dem Laufenden:
Scholl entschuldigt sich für Siegenthaler
TV-Experte Mehmet Scholl hat sich für seine scharfe Kritik an DFB-Chefscout Urs Siegenthaler entschuldigt. „Diesen flapsigen Spruch Richtung Urs Siegenthaler hätte ich mir schenken können. Der war nicht angebracht“, sagte Scholl vor dem ersten EM-Halbfinale zwischen Wales und Portugal in der ARD und fügte hinzu: „Ich schaue die deutschen Spiele mit viel Emotion. Da passiert es, dass ich mal Gehirn-Schluckauf bekomme.“
Scholl hatte Siegenthaler nach dem deutschen Viertelfinalerfolg im Elfmeterschießen gegen Italien harsch angegriffen. „Der Herr Siegenthaler möge bitte seinen Job machen, morgens liegen bleiben, die anderen zum Training gehen lassen und nicht mit irgendwelchen Ideen...“, hatte der frühere Nationalspieler mit Blick auf die Systemumstellung von Löw gegen die „Squadra Azzurra“ gesagt und dafür viel Kritik geerntet. Auch Löw und Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff hatten sich verärgert gezeigt.
Löw: Scheinsteiger in der Startelf
Kapitän Bastian Schweinsteiger wird gegen Frankreich in der Startelf stehen. "Er wird definitiv beginnen. Er hat die Physis und die Kraft, von Anfang an zu spielen. In so einem Hexenkessel ist seine Erfahrung enorm wichtig", sagte Bundestrainer Joachim Löw.
Deschamps gibt erste Details preis
Während Fußball-Deutschland nicht erst seit Mehmet Scholls Tirade rund um das Spiel gegen Italien über die Anpassung der deutschen Taktik fachsimpelt, ist Frankreichs Trainer Didier Deschamps in diesem Punkt ganz klar. Der 47-Jährige will seine Équipe tricolore nicht nur nach Deutschland ausrichten. "Trotz allem Respekt, den wir vor dem Weltmeister haben, wollen wir unser Spiel durchziehen“, betonte der Trainer der Équipe tricolore am Mittwoch.
Deschamps machte deutlich, dass er auch auf die eigene Offensiv-Kraft baut. „Natürlich dominieren die Deutschen ihren Gegner immer. Sie haben mehr Ballbesitz als ihre Gegner. Wir können aber nicht einfach defensiv auflaufen“, meinte Deschamps: „Wir haben unsere Möglichkeiten.“
Er denke auch nicht mehr über das System nach, mit dem er spielen wolle. Das bleibe aber sein Geheimnis. Deschamps' Aussagen deuten aber daraufhin, dass er sein Team in einer offensiveren 4-2-3-1-Formation wie zuletzt beim 5:2-Sieg gegen Island oder auch in der starken zweiten Halbzeit beim 2:1 über Irland in der Partie an diesem Donnerstag auflaufen lässt. Mit seinen Einblicken könnte Deschamps seinem Gegenüber Löw einen echten Taktik-Gefallen getan haben...
Schweinsteiger im Abschlusstraining
Mit Kapitän Bastian Schweinsteiger hat die deutsche Nationalmannschaft die letzten Vorbereitungen gestartet. Der 31 Jahre alte Mittelfeldakteur, der sich beim Viertelfinal-Erfolg gegen Italien am rechten Knie verletzt hatte, stand beim Abschlusstraining in Évian-les Bains ebenso auf dem Rasen wie Benedikt Höwedes. Der Schalker Abwehrspieler hatte tags zuvor pausiert. Damit wird ein Einsatz des Kapitäns immer wahrscheinlich, obwohl ihn viele Experten schon für das Halbfinale abgeschrieben hatten. Von ihm hängt viel in Löws großem Personalpuzzle ab.
Top-Orakel tippt auf Deutschland
Gute Nachrichten von Nelly: Die Elefantendame aus dem Serengeti-Park im niedersächsischen Hodenhagen schoss am Mittwoch den Ball ins französische Tor. Damit sagte sie dem Gastgeber eine Niederlage gegen Deutschland vorher.
So ganz sicher können sich die deutschen Fußballfans aber nicht sein. Nelly, die rund 1,5 Tonnen wiegt, gilt zwar seit 2011 als ziemlich zuverlässiges Orakel bei großen Turnieren. Vor dem Viertelfinale hatte sie aber eine deutsche Niederlage gegen Italien prophezeit. „Wir sind gespannt, ob Nelly mit ihrem knapp 1,50 Meter langen Rüssel endlich wieder den richtigen Riecher für die deutsche Nationalelf hat“, teilte der Serengeti-Park mit.
Lloris lobt Neuer und setzt auf Fans
Frankreich setzt gegen Deutschland auch auf die Zuschauer im Stade Vélodrome. „Solche Spiele werden manchmal in Details entschieden, und ich hoffe, dass die Fans uns helfen, das letzte Quäntchen rauszuholen“, sagte Torwart Hugo Lloris bei der Pressekonferenz am Mittwoch. Lloris forderte: „Wir müssen über unsere Grenzen hinauswachsen.“ Über seinen deutschen Torhüter-Kollegen Manuel Neuer sagte er: "Man muss über ihn kein Wort verlieren, er ist eine internationale Referenz als Torwart.“
Kruse glaubt an Comeback-Chance
Max Kruse rechnet sich nach wie vor Chancen auf eine Rückkehr in die Nationalmannschaft aus. "Das ist die Entscheidung des Bundestrainers, aber ich werde alles dafür tun, um mit meiner sportlichen Leistung wieder auf mich aufmerksam zu machen, das ist ganz klar", sagte der Wolfsburger der Rheinische "Post".
Löw hatte den 28-Jährigen nach mehreren Verfehlungen abseits des Platzes nicht für die EM nominiert. "Das ist natürlich kein schönes Gefühl. Vor allem weil ich bei beiden Qualifikationsphasen dabei war und bei eigentlich fast allen Spielen im Kader war, ist es natürlich bitter, wenn man bei so großen Turnieren nicht dabei ist", sagte Kruse nun: "Aber am Ende muss man das sportlich sehen. Ich hab's zweimal nicht geschafft unter die letzten 23 zu kommen und jetzt geht es halt weiter." Im Halbfinale setzt er auf das deutsche Team. "Ich bin der Überzeugung, dass Deutschland das Finale erreichen wird", sagte Kruse.
Spieler wissen noch nichts von Dreierkette
Die Spieler scheinen selbst noch nicht zu wissen, mit welcher Taktik Löw das Spiel gegen Frankreich angehen will. Zumindest hat Benedikt Höwedes noch keine Kenntnis darüber, ob hinten mit Dreier- oder Viererkette gespielt wird. Das verriet der Verteidiger am Mittwoch dem Abendblatt. Das komplette Interview mit Höwedes lesen Sie hier.
Klose glaubt an Müller und "die Jungs"
Rekordschütze Miroslav Klose ist überzeugt, dass Thomas Müller noch sein erstes EM-Tor erzielen wird. Müller werde „endlich knipsen“, meinte Klose in einem Interview von Sport1: „Da kenne ich ihn viel zu gut.“ Der Bayern-Profi sei immer top motiviert, gebe alles für das Team und arbeite an sich, um sich zu belohnen. „Das ist das Entscheidende: Er gibt sich nie auf. Wenn er im Finale das Siegtor schießt wie Mario Götze 2014, dann kräht kein Hahn mehr nach seinen verpassten Chancen bisher“, erklärte Klose.
Der mit 71 Toren erfolgreichste deutsche Länderspiel-Torschütze erwartet ein schweres Halbfinale. Gastgeber Frankreich habe mit dem 5:2 gegen Island im Viertelfinale Selbstvertrauen getankt und die Zuschauer im Rücken. Klose erinnerte jedoch an das 7:1 im WM-Halbfinale vor zwei Jahren gegen Gastgeber Brasilien und die Euphorie in Rio de Janeiro vor der Partie. „Das war einfach grandios. Da haben wir ein Riesen-Spiel gemacht und ich hoffe, dass es am Donnerstag ähnlich spektakulär wird.“
Die personelle Situation im DFB-Team sei aufgrund des Fehlens von Mario Gomez, Sami Khedira und Mats Hummels sowie dem drohenden Ausfall von Bastian Schweinsteiger „schon sehr beunruhigend, doch ich glaube an die Jungs“, sagte Klose. Der 38-Jährige war 2014 nach dem Gewinn des WM-Titels aus der Nationalmannschaft zurückgetreten.
Podolski deutet Rücktritt an
Lukas Podolski hat für den Fall des EM-Titels einen Rücktritt aus der Nationalmannschaft angedeutet. "Sagen wir mal so: Wenn wir Europameister werden sollten, macht es die Entscheidung für mich einfacher. Wenn nicht, muss ich mir in Ruhe Gedanken machen", sagte der 31-Jährige der "Sport Bild".
"Die WM 2018 in Russland wäre mein neuntes Turnier, davor käme noch der Confed Cup. Da ich inzwischen Familie habe, muss ich mir schon gut überlegen, wie es weitergeht", erklärte der 129-malige Nationalspieler weiter. Bei dieser EURO kam Podolski bisher nur 19 Minuten zum Einsatz - im Achtelfinale gegen die Slowakei wurde er beim Stande von 3:0 eingewechselt.
Negative Bilanz gegen Frankreich
Das DFB-Team trifft zum insgesamt 28. Mal auf Frankreich. Von den bisherigen Duellen entschied Deutschland neun für sich, zwölf Spiele verlor Deutschland, sechsmal trennten sich beide Teams unentschieden. Trotz der insgesamt negativen Bilanz liest sie sich bei Turnieren positiv. Denn bislang trafen die beiden Teams bei Weltmeisterschaften viermal aufeinander, bei einer EURO standen sie sich noch nie gegenüber. Von diesen vier Pflichtduellen gewann Deutschland drei, bei einer Niederlage: im Spiel um den dritten Platz bei der WM 1958 in Schweden (3:6).
Die drei weiteren Turnierduelle schrieben Fußball-Geschichte. Im WM-Halbfinale 1982 siegte das DFB-Team im "Thrilla von Sevilla" 5:4 im Elfmeterschießen (3:3 n.V.). Nach 90 Minuten hieß es 1:1, in der Verlängerung stand Deutschland nach acht Minuten bereits 1:3 zurück, doch Karl-Heinz Rummenigge und ein Fallrückzieher von Klaus Fischer brachten Deutschland zurück ins Spiel. Erstmals ging ein WM-Spiel ins Elfmeterschießen, in dem Horst Hrubesch den entscheidenden Elfmeter verwandelte. Auch das Foul von DFB-Keeper Toni Schumacher gegen Patrick Battiston kurz nach der Pause sorgte für viel Zündstoff.
Vier Jahre später gab es bei der WM in Mexiko ein Wiedersehen im Halbfinale. Andreas Brehme und Rudi Völler schossen Deutschland zum Sieg und ins Finale. Vor zwei Jahren in Brasilien trafen sich beide Teams im Viertelfinale, Mats Hummels köpfte die DFB-Auswahl auf dem Weg zu ihrem vierten Titelgewinn zum Sieg. Das letzte Aufeinandertreffen entschieden die Franzosen für sich (2:0). Allerdings stand das Länderspiel am 13. November 2015 im Stade de France in Paris unter dem Eindruck der Terroranschläge. 130 Menschen wurden während und nach der Partie durch die Attentate getötet.
Kroos glaubt an Schweinsteigers Fitness
Toni Kroos sagt Nein zur Bundesliga. "Ich hatte ja bereits vor einiger Zeit ausgeschlossen, dass ich noch mal in Deutschland vereinsmäßig Fußball spielen würde. Diese Aussage hat weiterhin Bestand", sagte der 26 Jahre alte Profi von Real Madrid der "Sport Bild". Zuletzt hatte es Spekulationen um eine Rückkehr zu Bayern München unter dem neuen Trainer Carlo Ancelotti gegeben, mit dem Kroos bei Real zusammenarbeitete.
Weniger kategorisch äußerte sich Kroos dagegen zu den Gerüchten über einen möglichen Wechsel von den Königlichen zu Manchester City, das von Pep Guardiola trainiert wird. "Wir sind hier bei einem Turnier, jetzt gilt meine volle Konzentration dem Halbfinale. Man weiß ja, dass man im Fußball nie etwas ausschließen sollte. Aber ich genieße bei Real eine sehr große Wertschätzung", meinte Kroos. Gegen Gerüchte könne er jedoch nichts machen.
Das Halbfinale gegen Frankreich wird laut Kroos die Mannschaft gewinnen, "die das Mittelfeld kontrolliert". Nach dem Ausfall von Khedira werde Kroos, "falls ein junger Spieler wie Emre Can oder Julian Weigl reinkommen sollte, noch mehr führen müssen. Allerdings glaube ich persönlich, dass Basti (Schweinsteiger, d.Red.) spielen kann."
An ein Aus denkt der Spanien-Legionär nicht, "weil wir als Team gut funktionieren und unsere Ausfälle gut kompensieren können. Wir wissen, wie wir große Spiele angehen müssen".
Am Mittwoch stand für die Fußball-Weltmeister Deutschland der Abschied aus dem EM-Stammquartier in Evian an. Der DFB-Tross brach seine Zelte im Nobelhotel Ermitage am Genfer See ab und reiste nach Marseille, wo am Donnerstag (21.00 Uhr/ZDF) das EM-Halbfinale gegen Gastgeber Frankreich auf dem Programm steht.
Robben drückt Deutschland die Daumen
Der niederländische Bayern-Star Arjen Robben wünscht Deutschland den Einzug ins Endspiel. „Ich hoffe für die Jungs, dass sie es schaffen und wieder ins Finale kommen, aber es wird schwer. Frankreich ist aufgrund des Heimvorteils vielleicht sogar der leichte Favorit“, sagte Robben mehreren Münchner Medien. Aber es könne alles passieren, fügte er vor dem „50:50“-Spiel hinzu. Wer das Halbfinale in Marseille gewinne, werde danach auch den Titel holen, prophezeite der Clubkollege der Bayern-Nationalspieler.
Robben war mit der niederländischen Auswahl in der Qualifikation überraschend unter anderem an Island gescheitert und hat die EM nach eigenen Worten bislang nicht verfolgt. Er habe Zeit mit seiner Familie verbracht und sei einige Wochen in Amerika gewesen, berichtete der 32-Jährige. „Zwischendurch habe ich die Ergebnisse gesehen, aber die Spiele nicht. Hat auch mal ganz gutgetan“, sagte Robben. Das EM-Halbfinale zwischen Frankreich und Deutschland (21 Uhr/ZDF) werde vielleicht das erste Spiel, das er anschaue.
Bei Titelgewinn DFB-Sause in Berlin
Sollte Deutschland das Finale am Sonntag (21 Uhr/ARD) im Stade de France in St. Denis vor den Toren von Paris erreichen, würde die Mannschaft Freitag noch in Marseille verbringen und dann am Sonnabend in die französische Hauptstadt fliegen. Im Falle des Titelgewinns stünde Sonntagnacht eine große Feier in Paris auf dem Programm, am Montag würde um die Mittagszeit ähnlich wie vor zwei Jahren nach dem WM-Triumph in Brasilien am Brandenburger Tor in Berlin eine riesige Party mit den Fans stattfinden.
Wenn Deutschland im Halbfinale ausscheidet, fliegen Spieler, Trainer und Betreuer aus der französischen Hafenstadt entweder nach München und Frankfurt. Von dort ginge es dann in die jeweiligen Heimatorte oder direkt in den Urlaub.
Bei einer Final-Niederlage am Sonntag ginge es ebenfalls nach Frankfurt oder München, ehe für die meisten Akteure ein rund dreiwöchiger Urlaub ansteht.
Schwache Wettquote auf Müller
Geht es um Thomas Müllers Torriecher, bleiben die Buchmacher skeptisch. Sollte der Bayern-Star gegen Frankreich endlich sein erstes EM-Tor überhaupt erzielen, wird etwa beim Hamburger Anbieter mybet.com immerhin das Dreifache des Einsatzes ausgezahlt. Für den Fortbestand der Müllerschen Torflaute - wohlgemerkt inklusive Elfmeterschießen - liegt die Quote dagegen bei lediglich 1.30.
Knallharter Hip-Hop in der Kabine
Hip-Hop statt Helene Fischer: Vor den EM-Spielen laufen in der DFB-Kabine wummernde Beats. Jérôme Boateng lege „knallharten Hip-Hop“ auf, sagte Nationalspieler André Schürrle dem privaten hessischen Radiosender Hit Radio FFH im EM-Quartier. Getanzt werde ebenfalls: „Wir machen alle ein bisschen auf cool, versuchen so ein bisschen Gangster zu sein.“ Jérôme Boatengs Faible für Hip-Hop ist bekannt - er lässt sich von Star-Rapper Jay Z managen.
Nach dem WM-Titel 2014 hatte die DFB-Elf noch auf Deutsch-Pop gesetzt. Bei der Siegesfeier am Brandenburger Tor etwa sangen die Spieler „Atemlos“ von Helene Fischer. Bundestrainer Joachim Löw hat nach eigener Aussage kein Vetorecht bei der Kabinenmusik, wie er kürzlich in einem Interview verriet.
Löw mit starker K.o.-Bilanz
Joachim Löw geht das Halbfinale mit einer beeindruckenden Bilanz an. Im Viertelfinale gegen Italien feierte Löw seinen elften Erfolg im 14. K.o.-Spiel bei einem Turnier. Der Weltmeister-Coach hat mit der Nationalmannschaft in seiner Amtszeit nun bei zwei WM- und drei EM-Endrunden immer mindestens das Halbfinale erreicht.
Löws K.o.-Bilanz bei WM und EM
Höwedes vertraut Weigl blind
Die notwendigen Änderungen gegen Frankreich bereiten Abwehrspieler Benedikt Höwedes keine Sorgen. „Die Qualität müssen wir auffangen mit dem restlichen Kader. Ich glaube, dass wir das gut können“, sagte Höwedes in einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.
„Jetzt müssen andere ihren Mann stehen. Und das können sie“, sagte Höwedes, der anstelle des gesperrten Mats Hummels in der Innenverteidigung zum Einsatz kommen könnte.
Dass der Dortmunder Julian Weigl womöglich auch ohne bisherigen EM-Einsatz den verletzten Sami Khedira im defensiven Mittelfeld ersetzen wird, sieht Höwedes als unproblematisch an. „Da ist blindes Vertrauen. Wir sind mittlerweile fast fünf, sechs Wochen zusammen“, sagte Höwedes und lobte Weigl: „Er macht es großartig. Aber auch alle anderen sind super engagiert. Deshalb sind wir alle relativ entspannt.“
Hector erlebt Hype als "positiven Schock"
Nationalspieler Jonas Hector hat den Hype um seine Person einen "positiven Schock" genannt. "Ich bin ja nicht der Typ, der so oft in der Öffentlichkeit auftritt, deshalb könnte es von mir aus gerne etwas ruhiger sein", sagte der 26-Jährige im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.
Dass er mit der Verwandlung des entscheidenden Elfmeters im Viertelfinale gegen Italien in die deutsche Fußball-Geschichte eingehen würde, "war jetzt nicht mein erster Gedanke", erklärte der Linksverteidiger vom 1. FC Köln: "Aber wenn man dann eine Nacht drüber geschlafen hat und die ganzen Schlagzeilen und Textnachrichten liest, dann wird einem schon irgendwann klar, was man da angerichtet hat."
Es sei ein bisschen beruhigend gewesen, "dass Manuel Neuer gut vorgearbeitet und den Schuss davor gehalten hatte. Ich wusste also, ich hab einen kleinen Puffer, und das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass ich verschieße und es dann in die nächste Runde geht."
Ungewohnt sei das Ganze doch für ihn gewesen, sagte Hector: "Ich hab ja keine Erfahrung als Elfmeterschütze, das war rein aus dem Gefühl heraus." Auf die Frage, ob es Sprüche gegeben habe, dass er nun doch Elfmeter schießen könne, antwortete Hector lachend: "Na ja, was heißt können... Von den Kumpels kamen eher ein paar Sprüche, dass der Elfmeter, sagen wir, nicht so optimal geschossen war." Deshalb wolle er in Köln auch "sicher nicht" zum Elfmeterschützen werden: "Auf dieses Amt erhebe ich keine Ansprüche."
Alle deutschen Schützen übereinandergelegt:
Hummels plädiert für Finalsperren
Trotz seiner Sperre für das Halbfinale hält Mats Hummels die Gelbe-Karten-Regel für gut. „Ich finde es nicht mal richtig, dass man im Halbfinale mehr oder weniger Narrenfreiheit hat. Sondern man sollte auch im Finale gesperrt sein können“, sagte der Innenverteidiger der „Bild“-Zeitung. Der 27-Jährige muss gegen Frankreich zuschauen, weil er zuvor im Turnier zwei Gelbe Karten gesehen hatte.
Für alle nach dem Viertelfinale mit nur einer Gelben Karte belasteten Spieler wurden diese Verwarnungen vor dem Halbfinale gemäß den Regeln gestrichen. „Ich finde falsch, dass im Halbfinale theoretisch beide Mannschaften zusammen zwanzig taktische Fouls machen könnten. Das könnte ja zu Folgendem führen: Wenn eine Mannschaft in der 80. Minute mit einem Tor Vorsprung führt, kann sie sich noch sehr viel erlauben“, erklärte Hummels seine Kritik.
Klaus Fischer sieht DFB-Elf als Favorit
Trotz der Personalprobleme hält der einstige Torjäger Klaus Fischer die deutschen Chancen auf den Finaleinzug für sehr gut. Frankreich sehe er nicht als Favorit. „Hallo, wir sind der Weltmeister“, sagte Fischer in einem Interview der Zeitung „Die Welt“ (Mittwoch-Ausgabe).
Das Fehlen des gesperrten Mats Hummels sei ein Problem, alle anderen Ausfälle wie Mario Gomez, Sami Khedira und wohl auch Bastian Schweinsteiger seien leichter zu kompensieren. Mit Benedikt Höwedes anstelle von Innenverteidiger Hummels werde man auch gut aussehen, meinte Fischer und prophezeite: „Wer von den beiden Mannschaften ins Finale kommt, holt auch den Titel.“
Sein eigenes Tor gegen Frankreich im WM-Halbfinale 1982 bezeichnete Fischer als das wichtigste seiner Karriere. Mit einem spektakulären Fallrückzieher zum 3:3 hatte er in Sevilla nach einem 1:3-Rückstand in der Verlängerung den Ausgleich erzielt, im Elfmeterschießen gewann dann die deutsche Mannschaft. Die damalige französische Auswahl um Michel Platini schätzt Fischer stärker ein als die jetzige. „Trotzdem es so glücklich für uns ausging, bin ich der Meinung, dass uns Frankreich liegt“, sagte der 66-Jährige.
Die deutschen EM-Spiele sind auch bei vielen Politikern ein beliebtes Tweet-Thema - oft sehr emotional. Gefühlsduselige Äußerungen bergen aber die Gefahr, sich zu verrennen, wie der Politikberater und Blogger Martin Fuchs in Hamburg sagt. „Wenn es um Emotionen geht, ist schnell mal ein falsches Wort dabei, das einen falschen Zungenschlag gibt.“
Gündogan denkt nicht an die WM
Der verletzte Nationalspieler Ilkay Gündogan plant die Rückkehr in spätestens zwei Monaten. "Ich bin optimistisch, dass ich Richtung Ende August oder Anfang September wieder Fußball spielen kann", sagte der von Borussia Dortmund zu Manchester City gewechselte Mittelfeldspieler im Interview mit dem SID.
Anfang Mai hatte sich Gündogan in einem Basketballspiel die Kniescheibe ausgerenkt. Er betonte jedoch, dass dies nicht während eines Freizeitspiels passiert sei, sondern "während des Trainingsbetriebs. Zwar beim Basketballspielen, aber wir haben es zum Aufwärmen im Training gespielt. Unabhängig davon, verletzen kann man sich ja im Grunde auch, wenn man Treppen hinuntersteigt. Verletzen kann man sich überall".
Mit der WM 2018 will sich der 25-Jährige, der vor dieser EURO bereits die WM 2014 verletzungsbedingt verpasst hatte, allerdings noch nicht beschäftigen: "Das ist noch so weit weg, da denke ich jetzt nicht dran", versicherte er: "Mein Fokus liegt jetzt auf den nächsten Wochen, um bald wieder auf dem Platz zu stehen und mich in der besten Liga der Welt zu beweisen."
Blogger warnt Politiker vor Twitter
So sorgten etwa Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) und Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) mit ihrer Wortwahl zur Europameisterschaft für Wirbel im Netz. Söder hatte getwittert: „Nie mehr Elfer für Özil. Künftig Elfer nur noch durch junge Spieler.“ Dafür musste er viel Kritik und Spott einstecken - und ersetzte den Tweet um eine Erweiterung mit Müller und Schweinsteiger. Altmaier schrieb: „Wir werden gegen Island unsere französischen Freunde rächen!!!“ Viele Nutzer stießen sich an dem Begriff „rächen“.
Unverfänglich seien dagegen die zahlreichen Ergebnis-Tipps der Politiker oder das Mitfiebern während des Elfmeterschießens, meint Fuchs. In ausgeprägter Manier tun das etwa die CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD).