Évian-les-Bains. Der Schalker Verteidiger ist der personifizierte Teamgeist der deutschen Nationalelf. Trainer und Mitspieler loben Höwedes dafür.

Der Teamgeist hat sich neue Haare eingepflanzt. Er wurde nämlich langsam etwas schütter am Hinterkopf und vorn, wo sich Ecken auftun, die man Geheimräten nachsagt. Dabei ist der Teamgeist kein Teamgreis. Er ist erst 28. Und deshalb musste er die Sache selbst in die Hand nehmen: „Für eine Glatze fühle ich mich noch zu jung“, sagt Benedikt Höwedes.

Trotz dieses Eingriffs ist Höwedes kein Mann ohne Ecken. Der Schalker Kapitän hat seinen eigenen Kopf und sich damit in den letzten Jahren auch in der Nationalelf den Rang eines Geheimrats erworben. Sein Wort hat Gewicht, seit er bei der WM 2014 in jeder Partie über die volle Dauer auf dem Platz stand. Nach der soliden, deutschen EM-Vorrunde haben Höwedes’ Worte nun besonders Eindruck hinterlassen: Für das Spiel gegen Nordirland hatte sich Joachim Löw gegen den Weltmeister und für den Neuling Joshua Kimmich als Rechtsverteidiger entschieden – was wunderbar aufging. Aber anstatt sich die Haare zu raufen, sagte Höwedes: „Es ist kein Problem, jeder ordnet sich dem großen Ganzen unter. Es war die richtige Entscheidung, Jo als offensive Variante zu bringen. Er hat ein klasse Spiel gemacht.“

So viel Altruismus findet man selten in der Branche. Fußballer sind Ich-AGs, die den Spagat zwischen Mannschafts- und Eigenerfolg schaffen müssen. Von der EM 2012 hört man, dass sie auch deshalb in einer Enttäuschung mündete, weil der Teamgeist nicht zugegen war. Dortmunder und Bayern sollen sich nicht besonders gemocht haben – und die Bankspieler mit ihrer Rolle unzufrieden gewesen sein.

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    Müller begeistert von Höwedes’ Worten

    In Frankreich entsteht bisher ein anderer Eindruck: Die deutsche Elf war gegen Nordirland größtenteils ohne Höwedes erfolgreich – auch wenn er spät eingewechselt wurde. Und dennoch lobte der Schalker Verteidiger den, der ihn ersetzt hat. „Das zeigt, was Benni für ein Topteamplayer ist“, sagte Löws Assistent Nummer eins, Thomas Schneider. Auch im Trainerteam wurde das erfreut zur Kenntnis genommen. „Es ist ein unglaublicher Mannschaftsgeist in der Hinsicht da, dass sich die Spieler auch gegenseitig etwas gönnen“, sagte Löws Assistent Nummer zwei, Marcus Sorg.

    Wie Höwedes’ Altruismus im Team selbst ankam, verriet Thomas Müller: „Das ist natürlich eine wahnsinnig gute Aussage von Benni“, sagte der Angreifer und verwies auf etwas, das sich zwar sehr leicht in den Spitznamen schreiben lässt, aber nicht leicht erfüllen: „Wir sind ,Die Mannschaft‘, und davon lebt unser Erfolg“, befand Müller. „Jeder muss sein Ego nach hinten stellen“, sagte Höwedes selbst. Höwedes ist damit so etwas wie der personifizierte Teamgeist der deutschen Elf. Er hat den Job von einem übernommen, der sich die EM am Grill anschaut: Per Mertesacker (31). Ab dem WM-Viertelfinale in Brasilien hatte Löw den mittlerweile zurückgetretenen Verteidiger aus der ersten Elf genommen. Der aber lief an der Seitenlinie dann so viel wie sonst auf dem Rasen, verteilte eifrig Wasserflaschen in der Hitze vom Maracana. Auch er gab dem Mannschaftserfolg Vorfahrt. Höwedes ist der neue Mertesacker. „Es geht nicht um mich“, sagt er.

    Der deutsche EM-Kader:

    Deutschlands Kader für die Fußball-EM in Frankreich

    Nummer 1: Manuel Neuer (Tor/FC Bayern München). Geboren am 27.03.1986; 64 Länderspiele
    Nummer 1: Manuel Neuer (Tor/FC Bayern München). Geboren am 27.03.1986; 64 Länderspiele © Imago/Schüler
    Nummer 12: Bernd Leno (Tor/Bayer Leverkusen). Geboren am 04.03.1992; ein Länderspiel
    Nummer 12: Bernd Leno (Tor/Bayer Leverkusen). Geboren am 04.03.1992; ein Länderspiel © Witters
    Nummer 22: Marc-André ter Stegen (Tor/FC Barcelona). Geboren am 30.04.1992; 6 Länderspiele
    Nummer 22: Marc-André ter Stegen (Tor/FC Barcelona). Geboren am 30.04.1992; 6 Länderspiele © Imago/Avanti
    Nummer 2: Shkodran Mustafi  (Abwehr/FC Valencia). Geboren am 17.04.1992; 10 Länderspiele
    Nummer 2: Shkodran Mustafi (Abwehr/FC Valencia). Geboren am 17.04.1992; 10 Länderspiele © Witters
    Nummer 3: Jonas Hector  (Abwehr/1. FC Köln). Geboren am 27.05.1990; 13 Länderspiele, 1 Tor
    Nummer 3: Jonas Hector (Abwehr/1. FC Köln). Geboren am 27.05.1990; 13 Länderspiele, 1 Tor © Witters
    Nummer 4: Benedikt Höwedes   (Abwehr/FC Schalke 04). Geboren am 29.02.1988; 33 Länderspiele, zwei Tore
    Nummer 4: Benedikt Höwedes (Abwehr/FC Schalke 04). Geboren am 29.02.1988; 33 Länderspiele, zwei Tore © Witters
    Nummer 5: Mats Hummels   (Abwehr/Borussia Dortmund). Geboren am 16.12.1988; 46 Länderspiele, 4 Tore
    Nummer 5: Mats Hummels (Abwehr/Borussia Dortmund). Geboren am 16.12.1988; 46 Länderspiele, 4 Tore © Imago/photoarena/Eisenhuth
    Nummer 14: Emre Can  (Abwehr/FC Liverpool). Geboren am 12.01.1994; 5 Länderspiele
    Nummer 14: Emre Can (Abwehr/FC Liverpool). Geboren am 12.01.1994; 5 Länderspiele © Imago/Eibner
    Nummer 16: Jonathan Tah  (Abwehr/Bayer Leverkusen). Geboren am 11.02.1996; 1 Länderspiel
    Nummer 16: Jonathan Tah (Abwehr/Bayer Leverkusen). Geboren am 11.02.1996; 1 Länderspiel © Witters
    Nummer 17: Jérôme Boateng  (Abwehr/Bayern München). Geboren am 03.09.1988; 58 Länderspiele
    Nummer 17: Jérôme Boateng (Abwehr/Bayern München). Geboren am 03.09.1988; 58 Länderspiele © Witters
    Nummer 6: Sami Khedira (Mittelfeld/Juventus Turin). Geboren am 04.04.1987; 59 Länderspiele, 5 Tore
    Nummer 6: Sami Khedira (Mittelfeld/Juventus Turin). Geboren am 04.04.1987; 59 Länderspiele, 5 Tore © Witters
    Nummer 7: Bastian Schweinsteiger (Mittelfeld/Manchester United). Geboren am 01.08.1984; 114 Länderspiele, 23 Tore
    Nummer 7: Bastian Schweinsteiger (Mittelfeld/Manchester United). Geboren am 01.08.1984; 114 Länderspiele, 23 Tore © Imago/Eibner
    Nummer 8: Mesut Özil (Mittelfeld/FC Arsenal). Geboren am 15.10.1988; 72 Länderspiele, 19 Tore
    Nummer 8: Mesut Özil (Mittelfeld/FC Arsenal). Geboren am 15.10.1988; 72 Länderspiele, 19 Tore © Witters
    Nummer 9: André Schürrle (Mittelfeld/VfL Wolfsburg). Geboren am 06.11.1990; 51 Länderspiele, 20 Tore
    Nummer 9: André Schürrle (Mittelfeld/VfL Wolfsburg). Geboren am 06.11.1990; 51 Länderspiele, 20 Tore © Witters
    Nummer 10: Lukas Podolski  (Mittelfeld/Galatasaray Istanbul). Geboren am 04.06.1985; 127 Länderspiele, 48 Tore
    Nummer 10: Lukas Podolski (Mittelfeld/Galatasaray Istanbul). Geboren am 04.06.1985; 127 Länderspiele, 48 Tore © Witters
    Nummer 11: Julian Draxler (Mittelfeld/VfL Wolfsburg). Geboren am 20.09.1993; 18 Länderspiele, 1 Tor
    Nummer 11: Julian Draxler (Mittelfeld/VfL Wolfsburg). Geboren am 20.09.1993; 18 Länderspiele, 1 Tor © Witters
    Nummer 13: Thomas Müller (Mittelfeld/Bayern München). Geboren am 13.09.1989; 70 Länderspiele, 31 Tore
    Nummer 13: Thomas Müller (Mittelfeld/Bayern München). Geboren am 13.09.1989; 70 Länderspiele, 31 Tore © Witters
    Nummer 15: Julian Weigl (Mittelfeld/Borussia Dortmund). Geboren am 08.09.1995; 1 Länderspiel
    Nummer 15: Julian Weigl (Mittelfeld/Borussia Dortmund). Geboren am 08.09.1995; 1 Länderspiel © Witters
    Nummer 18: Toni Kroos (Mittelfeld/Real Madrid). Geboren am 04.01.1990; 64 Länderspiele, 11 Tore
    Nummer 18: Toni Kroos (Mittelfeld/Real Madrid). Geboren am 04.01.1990; 64 Länderspiele, 11 Tore © Witters
    Nummer 21: Joshua Kimmich (Mittelfeld/Bayern München). Geboren am 08.02.1995; 1 Länderspiel
    Nummer 21: Joshua Kimmich (Mittelfeld/Bayern München). Geboren am 08.02.1995; 1 Länderspiel © Witters
    Nummer 19: Mario Götze (Angriff/Bayern München).  Geboren am 03.06.1992; 51 Länderspiele, 17 Tore
    Nummer 19: Mario Götze (Angriff/Bayern München). Geboren am 03.06.1992; 51 Länderspiele, 17 Tore © Witters
    Nummer 20: Leroy Sané (Angriff/FC Schalke 04). Geboren am 11.01.1996;  2 Länderspiele
    Nummer 20: Leroy Sané (Angriff/FC Schalke 04). Geboren am 11.01.1996; 2 Länderspiele © Witters
    Nummer 23: Mario Gomez (Angriff/Besiktas Istanbul). Geboren am 10.07.1985; 63 Länderspiele, 27 Tore
    Nummer 23: Mario Gomez (Angriff/Besiktas Istanbul). Geboren am 10.07.1985; 63 Länderspiele, 27 Tore © Witters
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    Höwedes ist ein Mentalitätsspieler

    Mertesacker spielte danach nur noch die letzten vier Minuten im WM-Finale. Bei Höwedes wird das wohl anders sein: „Er hat bisher sehr gute Leistungen gebracht“, sagte Schneider, der nur Sachen öffentlich sagt, die Löw auch denkt. „In bestimmten Spielen erfordert es eine defensivere Variante.“ Höwedes ist sie und dürfte in einem möglichen Viertelfinale gegen Spanien oder Italien wohl wieder auf dem Platz statt nur daneben gefragt sein.

    Die EM sei ein „Mentalitätsturnier“, hat Sami Khedira gesagt. Benedikt Höwedes hat sich als Mentalitätsspieler erwiesen. So einen Teamgeist hat der deutschen Mannschaft schon einmal gutgetan.