Augsburg. Dortmunds Star verpasst erneut ein großes Turnier. Götze macht in der Enttäuschung einen Fehler, Khedira stiftet Verwirrung wegen Reus.
Der Schock kam für die meisten aus dem Nichts: Der DFB wünschte "alles Gute", Mario Götze freute sich "auf unser nächstes Turnier" und Borussia Dortmund schickte eine virtuelle Torte. Am Morgen waren die sozialen Medien noch voller spezieller Geburtstagsgrüße, doch am Dienstag um 12.41 Uhr war Marco Reus endgültig zu einer tragischen Figur des deutschen Fußballs geworden.
Zu diesem Zeitpunkt verkündete Bundestrainer Joachim Löw das bittere EM-Aus des Geburtstagskindes (27) und sorgte damit für einen echten Paukenschlag. Drei Tage zuvor hatte Löw die Trainingspause des Dortmunders, der wegen einer Verletzung im letzten Vorbereitungsspiel schon die WM 2014 verpasst hatte, noch als "reine Vorsichtsmaßnahme" bezeichnet. Spätestens seit Dienstag wissen alle: Es war deutlich mehr.
Löw: Reus kann nur "geradeaus laufen"
"Er hat massive gesundheitliche Probleme und kann im Moment nur geradeaus laufen", sagte Löw und schaute vom Podium aus in verdutzte Gesichter: "Die Mediziner waren sehr, sehr skeptisch, dass er in den nächsten Wochen bei einem zehrendem Turnier voll belastet werden kann."
Das sei für "uns wie für ihn eine bittere Entscheidung und eine Enttäuschung für uns alle", berichtete Löw, der Reus als letzten der vier Gestrichenen nach Julian Brandt, Karim Bellarabi und Sebastian Rudy nannte: "Ein Marco Reus in sehr guter Form und gesund und fit wäre eine enorme Bereicherung für uns gewesen."
Waren die Mitspieler wirklich überrascht?
Doch wieder einmal spielte sein Körper dem Flügelflitzer einen Streich. Wie fast immer in den letzten Jahren, wenn es wichtig wurde. Deshalb ist "Woodyinho", wie Reus sich in den sozialen Medien nennt, vielleicht der noch größere Pechvogel als Holger Badstuber oder Ilkay Gündogan, die nach der WM 2014 auch diese EURO (10. Juni bis 10. Juli) verpassen werden. Denn bei Reus kommt der Schock immer erst kurz vor dem Ziel.
Der deutsche EM-Kader für Frankreich:
Deutschlands Kader für die Fußball-EM in Frankreich
Ob die Nachricht seines erneuten Rückschlags die Kollegen genauso überraschte wie die Öffentlichkeit, darf nur spekuliert werden. "Happy Birthday! Ich freue mich schon auf unser nächstes gemeinsames Turnier", twitterte Reus' bester Kumpel Mario Götze am Morgen. Direkt nach Löws Verkündung löschte Götze den Tweet und schrieb stattdessen: "Herzlichen Glückwunsch, aber wir sind wirklich traurig. Unglaublich. Das tut mir weh. #vivelafreundschaft." In der Eile oder unter dem Einfluss des Schocks verlinkte Götze den Tweet sogar mit einem Fake-Account seines Freundes.
Sami Khedira, zuletzt mehrfach Kapitän der DFB-Elf, berichtete, er habe mit Reus kurz gesprochen: "Er wirkte sehr gefasst, obwohl das natürlich ein bitterer Schlag ist. Kurioserweise berichtete Khedira dann von "länger anhaltenden Problemen am Schambein", die im DFB-Camp bis dahin nicht thematisiert wurden. Die Rede war lediglich von Adduktorenproblemen, offenbar eine Folge der ursprünglichen Problematik.
Der WM-Stachel saß bei Reus tief
Vielleicht das größere Problem wird nun sein, wie Reus den erneuten Rückschlag verkraftet. Nach dem WM-Aus vor zwei Jahren lehnte er die Einladung des DFB zum Endspiel ab. Dass Götze bei der Siegerehrung demonstrativ sein Trikot gezeigt hatte, bekam Reus schon gar nicht mehr mit: "Ich hatte den Fernseher zu diesem Zeitpunkt schon ausgeschaltet, bin schlafen gegangen". Erst drei Monate später gab er dem "kicker" das erste Interview und berichtete von "einer sehr langen Zeit, die ich in dieser Form nicht wieder erleben möchte".
Nun wiederholt sich die Geschichte. Diesmal wie vor der WM galt er nicht nur als Stammspieler, sondern auch potenzieller Star des Turniers. Doch die einzige Konstanz in seiner Karriere ist die Verletzungsanfälligkeit. 21 kurze und lange Zwangspausen sind seit August 2013 für ihn notiert - als einzige Titel dagegen zwei Supercup-Siege.
Und offenbar lastet auch ein Turnierfluch auf dem 27-Jährigen: Schon die WM 2010, wo er als Überraschungskandidat galt, verpasste er. Bei der EURO 2012 kam er nur zu zwei Einsätzen. "Aber ich bin überzeugt, dass er noch seine Chance bekommen wird auf großer Bühne", sagte Khedira. Doch wie viele Chancen noch kommen, ist fraglich.