Madrid. Thomas Müllers Nicht-Nominierung für die Startelf gegen Atlético sorgt für Verwunderung. Bayern-Idol selbst zeigt sich “verärgert“.

Thomas Müller machte halbwegs gute Miene zum bösen Spiel. „Man ist nicht glücklich darüber“, sagte der Weltmeister zu seiner Reservistenrolle in Madrid, die heiß diskutiert wurde. „Aber für Enttäuschung ist, wenn man als Team erfolgreich sein will, in so einem Moment wenig Platz. Wir sollten da schon schauen, dass wir unsere Emotionen im Griff haben“, erklärte der in dieser Saison so zuverlässige Torjäger zu den Bankplätzen von ihm und auch Franck Ribéry beim 0:1 im Champions-League-Halbfinale gegen Atlético.

Bayern-Trainer Pep Guardiola hatte mit seinem Personaltableau im Hinspiel eine Angriffsfläche geboten. Am drastischsten brachte Ex-Bayern-Coach Ottmar Hitzfeld die allgemeine Verwunderung über die Münchner Offensivbesetzung am Mittwochabend im Estadio Vicente Calderón zum Ausdruck. „Das ist für mich eine riesige Überraschung. Müller ist für Bayern wie Messi für Barcelona“, erklärte Hitzfeld in seiner Funktion als Sky-Experte. „In ganz wichtigen Spielen sind die fast nicht zu ersetzen. Aber Guardiola ist ein mutiger Trainer.“

Mutig ja, glücklich nicht. Guardiola wollte das Spiel gegen einen Gegner, der Angriffspressing betreibe und tief verteidige „breit machen“. Dafür war aus seiner Sicht ein Linksfuß auf dem linken Flügel nötig (Douglas Costa) und ein Rechtsfuß auf der Gegenseite (Kingsley Coman). Außerdem wollte er einen Mittelfeldspieler mehr aufbieten. So war für Ribéry und Müller aus Guardiolas Sicht bis weit in die zweite Spielhälfte hinein kein Platz in der Bayern-Elf.

Bayern enttäuschen gegen Atlético Madrid

Antoine Griezmann im Zweikampf mit Xabi Alonso
Antoine Griezmann im Zweikampf mit Xabi Alonso © Getty Images | David Ramos
David Alaba klärt den Ball
David Alaba klärt den Ball © REUTERS | Sergio Perez
Manuel Neuer kann nur noch hinterherschauen
Manuel Neuer kann nur noch hinterherschauen © Bongarts/Getty Images | Alexander Hassenstein
Arturo Vidal liegt verletzt am Boden. Für den Münchener ging es aber weiter
Arturo Vidal liegt verletzt am Boden. Für den Münchener ging es aber weiter © Getty Images | David Ramos
Münchens Douglas Costa (l) gegen Madrids Koke Resurreccion
Münchens Douglas Costa (l) gegen Madrids Koke Resurreccion © dpa | Peter Kneffel
Saul Niguez feiert seinen Treffer
Saul Niguez feiert seinen Treffer © REUTERS | Juan Medina
Stefan Savic gegen Kingsley Coman
Stefan Savic gegen Kingsley Coman © REUTERS | Juan Medina
Pep Guardiola kann sich die Leistung seiner Mannschaft nicht mit ansehen. In der zweiten Halbzeit wurde es zwar deutlich besser, doch zum Ausgleich reichte es nicht mehr
Pep Guardiola kann sich die Leistung seiner Mannschaft nicht mit ansehen. In der zweiten Halbzeit wurde es zwar deutlich besser, doch zum Ausgleich reichte es nicht mehr © dpa | Juan Carlos Hidalgo
Der spanische Startrainer überraschte vor allem mit der Starelf-Nominierung aller seiner vier Landsleute
Der spanische Startrainer überraschte vor allem mit der Starelf-Nominierung aller seiner vier Landsleute © Imago/Cordon Press/Miguelez Sports
Thomas Müller durfte dagegen nur auf der Bank Platz nehmen
Thomas Müller durfte dagegen nur auf der Bank Platz nehmen © Imago/Eibner
Bayerns Top-Torjäger kam erst in der 70. Minute für für den indisponierten Thiago aufs Feld
Bayerns Top-Torjäger kam erst in der 70. Minute für für den indisponierten Thiago aufs Feld © Imago/Jan Hübner
Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge auf der Tribüne des Vicente Calderón
Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge auf der Tribüne des Vicente Calderón © Imago/Jan Hübner
ZDF-Experte Oliver Kahn ließ die Mentalitätsfrage anklingen
ZDF-Experte Oliver Kahn ließ die Mentalitätsfrage anklingen © Imago/Eibner
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Weiß Guardiola nicht, was andere wissen?

Louis van Gaal, der Entdecker von Thomas Müller, sagte einmal einen schönen Satz: „Müller spielt immer.“ Das galt schon, als Müller 20 war, ein Jungprofi und noch nicht Weltmeister. Mit 26 aber ist Müller ein Leader und gereifter Star, dem der 19-jährige Coman vorgezogen wurde. Guardiola musste doch wissen, dass Müller auch Rechtsaußen spielen kann. Da, wo Bundestrainer Joachim Löw ihn in der Regel in der deutschen Nationalmannschaft aufbietet, jene Position, auf welcher Müller mit den Jahren zum Weltstar gereift ist.

So wichtig wie Lionel Messi! Dieser Hitzfeld-Vergleich mag überzogen wirken, aber Müllers Funktion im Bayern-Team 2016 ist ähnlich. Acht Tore in elf Spielen hat er in der laufenden Königsklassensaison erzielt. Er war es, der die Bayern beim dramatischen Achtelfinalsieg gegen Juventus Turin mit seinem Kopfballtor in die Verlängerung und vor dem Ausscheiden bewahrt hatte. Und Müller war in Form: Er hatte die Bayern erst vor einer Woche mit zwei Toren gegen Werder Bremen ins Pokalendspiel gegen Borussia Dortmund befördert.

Guardiolas K.o.-Auswärtsbilanz bei Bayern

19.02.2014

FC Arsenal - FC Bayern 0:2 Achtelfinale

01.04.2014

Manchester United - FC Bayern 1:1 Viertelfinale 

23.04.2014

Real Madrid - FC Bayern 1:0 Halbfinale

17.02.2015

Schachtjor Donezk - FC Bayern 0:0 Achtelfinale

15.04.2015

FC Porto - FC Bayern 3:1 Viertelfinale

06.05.2015

FC Barcelona - FC Bayern 3:0 Halbfinale

23.02.2016

Juventus Turin - FC Bayern 2:2 Achtelfinale

12.04.2016

Benfica Lissabon - FC Bayern 2:2 Viertelfinale 

27.04.2016

Atlético Madrid - FC Bayern 1:0 Halbfinale

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Bayerns Co-Trainer Hermann Gerland erklärte Guardiolas Maßnahme schon vor dem Spiel allerdings so: "Sie (Thomas Müller und Franck Ribéry/Anm.d.Red.) haben zuletzt sehr viel gespielt. Franck hatte auch leichte Probleme, er musste gestern das Training abbrechen. Es passiert ja häufiger mal, dass ein Spieler draußen bleibt, wo man nicht mit rechnet. Heute sind das der Thomas und der Franck. Beide können ja eingewechselt werden. Müller ist immer locker, aber ich denke nicht, dass er vor Freude gesprungen ist.“

Lahm glaubt an einen Müller-Treffer

Schon beim 0:1 im Halbfinal-Hinspiel 2014 bei Real Madrid hatte Guardiola bis zur 74. Minute auf Müller verzichtet. Und im Halbfinale 2015 in Barcelona wechselte er den Angreifer im Hinspiel beim Stand von 0:1 aus; das Spiel endete 0:3. "Vielleicht gibt es nächste Woche wieder eine neue Option“, sagte der Bayern-Coach in Madrid.

In München, in der Allianz Arena, wird Guardiola kaum erneut auf die Publikumslieblinge Ribéry und Müller verzichten. Davon geht auch Müller aus. „Ich bin schon verärgert, dass wir kein Tor erzielt haben“, sagte er in den Katakomben des Atlético-Stadions. Spieler wie er sehen sich jetzt gefragt, um das Endspiel in Mailand doch noch zu erreichen. Aus seinem Frust schöpft er Motivation: „Wir werden die Emotionen gut umwandeln und in München richtig einen raushauen.“ Kapitän Philipp Lahm setzt auf seinen besten Kumpel im Team: „Ich bin mir sicher, dass Thomas Müller noch ein Tor macht im Halbfinale.“

Statistik

Madrid: Oblak - Juanfran, Gimenez, Savic, Filipe Luis - Gabi, Fernandez - Saul (85. Thomas), Koke - Griezmann, Torres. - Trainer: Simeone

München: Neuer - Lahm, Martinez, Alaba, Bernat (77. Benatia) - Alonso - Thiago (70. Thomas Müller), Vidal - Costa, Coman (64. Ribery) - Lewandowski. - Trainer: Guardiola

Schiedsrichter: Mark Clattenburg (England)

Tor: 1:0 Saul (11.)

Zuschauer: 52.127

Gelbe Karten: Saul (2) - Costa (2), Benatia, Neuer, Vidal (3)

Erweiterte Statistik (Quelle: deltatre):

Torschüsse: 11:19

Ecken: 5:5

Ballbesitz: 31:69 %