Barcelona. Selbst das 0:3 beim FC Barcelona, bei dem sich die Bayern am Ende wie ein Schülerteam verhielten, lässt in München niemanden schäumen.
Pep Guardiola saß auch weit nach Mitternacht noch gestikulierend im "Salon Catalunya" des noblen Hotels Princessa Sofia in Barcelona und versuchte, das völlig missglückte Rendezvous mit seiner alten Liebe irgendwie in Worte zu fassen. Seine Spieler hatten da schon längst frustriert das Bankett verlassen. Das bittere 0:3 (0:0) beim FC Barcelona hatte nicht nur Trainer Guardiola bei der Rückkehr in seine Heimat, sondern den ganzen FC Bayern ins Mark getroffen.
An eine Sternstunde am kommenden Dienstag (20.45 Uhr/Sky und ZDF) beim Rückspiel in München wollte nach der Gala des überragenden Lionel Messi keiner mehr so recht glauben - auch wenn Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge bei seiner obligatorischen Rede trotz einer schlimmen 17-Minuten-Lektion verzweifelt bemüht war, mit Blick auf das ersehnte Finale in Berlin am 6. Juni Zuversicht zu verbreiten.
Pressestimmen zur Bayern-Pleite bei Barca
"Es hilft kein lamentieren, wir haben noch ein Spiel und wir heißen Bayern München - und manchmal gibt es bei Bayern München so etwas wie ein Fußball-Wunder", sagte der Bayern-Boss - und rund 500 Edelfans applaudierten spontan.
Matthäus kritisiert Guardiola: Entscheidungen nicht die glücklichsten
Fußball-Rekordnationalspieler Lothar Matthäus hat Bayern-Trainer Pep Guardiola nach der 0:3-Niederlage im Halbfinal-Hinspiel der Champions League kritisiert. "Nach wie vor halte ich ihn für einen tollen Trainer, aber zur Zeit sind seine Entscheidungen nicht die glücklichsten. Auch dann die Auswechslung von Thomas Müller war dann irgendwie ein Bruch. Die vielen Umstellungen, die vielen Positionswechsel und die vielen Positionen, die die Spieler spielen müssen, die sie nicht gewohnt sind, sind nicht förderlich für die Sicherheit und für die Kompaktheit", sagte Matthäus bei Sky Sport News HD.
Grundsätzlich könne der Trainer machen, was er wolle. Es habe fast alles funktioniert über knapp zwei Jahre. Gegen Borussia Dortmund und Barcelona habe ihn aber das Glück verlassen, so Matthäus. An eine Wende im Rückspiel glaubt der Weltmeister von 1990 nicht mehr: "Wenn alles normal läuft, dann geht es nur um Schadensbegrenzung. Ein Unentschieden gegen diese Übermannschaft von Barcelona wäre in der jetzigen Phase für den FC Bayern schon ein Achtungserfolg".
Neuer mit kleinlauten Parolen
Die Bayern klammerten sich nach der höchsten Auswärtspleite in der Champions League seit dem 0:4 im April 2009, damals auch im Camp Nou, an den letzten Strohhalm und vor allem an das Viertelfinale gegen den FC Porto. "Unser letzter Tropfen Hoffnung ist Porto", meinte der tief enttäuschte Torhüter Manuel Neuer.
+++ Reaktionen auf das 0:3 +++
Der überragende Weltmeister hatte nach einigen Weltklasse-Paraden am Ende auch nichts mehr gegen den genialen Messi ausrichten können, der in der 77. und 80. Minute traf und das 3:0 durch Neymar (90.+4) vorbereitete. Dennoch schob er tapfer hinterher: "Sag niemals nie!" Gegen Porto hatten die Bayern einem 1:3 eine 6:1-Gala in der Allianz Arena folgen lassen.
Ewige Torschützenliste der Champions League
Barcelona mit dem 111-Tore-Wundersturm Messi, Luis Suárez und Neymar sei zwar "eine andere Qualität", merkte Rummenigge an, "aber auch gegen Porto waren nicht viele Optimisten im Stadion. Wir haben die Verpflichtung, noch mal alles zu geben. Ich weiß nicht, ob es reicht. Aber wir sind stolz und werden noch einmal alles reinlegen." Im Moment deutet allerdings alles auf eine ähnliche Pleite hin wie im Vorjahr im Halbfinale gegen Real Madrid (0:1/0:4).
Müller: "Es wäre eine Sensation"
Erst einmal überhaupt gelang es einer Mannschaft in der Königsklasse, einen derartigen Rückstand noch zu drehen: 2004 gewann La Coruna nach einem 1:4 beim AC Mailand daheim noch 4:0. "Das Ding noch zu drehen, wäre eine Sensation", betonte deshalb auch Thomas Müller.
Aufholjagden deutsche Clubs
Zumal die Bayern im Camp Nou zwar bis zum Rückstand "heldenhaft verteidigten" (Rummenigge), ansonsten aber ohne die verletzten Superstars Arjen Robben und Franck Ribéry, die auch am Dienstag fehlen werden, herzlich wenig zu bieten hatten. Vor allem das Mittelfeld um die Auslaufmodelle Xabi Alonso und Bastian Schweinsteiger bekam das Geschehen nicht in den Griff. Guardiola fehlen aber die Alternativen.
Klägliches Verhalten in der Schlussphase
Zudem hinterließ die Schlussphase, in der der FC Bayern wie eine Schülermannschaft auftrat, tiefe Spuren. "Man muss das als Mannschaft weiter verteidigen und darf sich nicht so auflösen", sagte Jerome Boateng, den Messi beim 0:2 vorgeführt hatte. Sportvorstand Matthias Sammer ärgerte vor allem, "dass es nicht das erste Mal passiert ist. Wir haben es gegen Porto und gegen Dortmund gehabt. Da müssen wir uns cleverer und ruhiger anstellen."
+++ Emotionen pur: Der Liveticker zum Nachlesen +++
Sammer wollte trotzdem "keine Kritik an die Mannschaft" richten: "Das hat sie nicht verdient." Selbst Guardiola behauptete eisern, "sehr stolz" auf seine Spieler zu sein. "Wir hatten in den letzten Monaten viele Probleme, aber wir haben es trotzdem geschafft, ins Halbfinale vorzudringen und hervorragende Spiele auf hohem Niveau zu spielen. Ich kann meinen Spielern wirklich keinen Vorwurf machen - im Gegenteil: sie bekommen ein ganz, ganz dickes Lob."
Lahm: "Es ist wieder alles auf Null"
Es klang schon wie das Fazit auf eine Saison, die statt des erträumten Triples nach dem Aus im DFB-Pokal wohl "nur" die deutsche Meisterschaft und damit das Single einbringt. Doch noch steht das Halbfinal-Rückspiel an.
Während Sammer "im Fußball immer an alles glaubt", aber in Barcelona nicht bereit war, "irgendwelche Parolen rauszuhauen", versprach Kapitän Philipp Lahm zumindest, "dass die Mannschaft alles daran setzt, das Spiel zu gewinnen."
Auch ein Rezept hatte sich der Weltmeister unmittelbar nach Spielschluss schon zurecht gelegt. "Eins ist klar: Wir dürfen nicht alles nach vorne werfen, sonst werden wir so ausgekontert wie hier. Es ist wieder alles auf Null." Naja, nicht ganz.
Statistik
Barcelona: ter Stegen - Alves, Pique, Mascherano (89. Bartra), Alba - Busquets - Rakitic (82. Xavi), Iniesta (87. Rafinha) - Messi, Suarez, Neymar. - Trainer: Enrique
Bayern: Neuer - Rafinha, Benatia, Jerome Boateng, Bernat - Alonso - Lahm, Schweinsteiger, Thiago - Lewandowski, Thomas Müller (79. Götze). - Trainer: Guardiola
Schiedsrichter: Nicola Rizzoli (Italien)
Tore: 1:0 Messi (77.), 2:0 Messi (80.), 3:0 Neymar (90.+4)
Zuschauer: 95.639
Beste Spieler: Messi, Iniesta, Neymar - Neuer
Gelbe Karten: Alves (6), Pique (2), Neymar - Alonso (2), Benatia (2), Bernat (3)
Torschüsse: 16:7
(sid)