Durch zwei Treffer von Thomas Müller gewinnt der Weltmeister sein erstes EM-Qualifikationsspiel 2:1 gegen starke Schotten. Die Suche nach einem Lahm-Nachfolger läuft auf Hochtouren. Reus ist erneut verletzt.
Dortmund. Ganz am Ende gab es dann doch wieder Applaus. Dank zweier Tore von Thomas Müller gewann Deutschland sein erstes EM-Qualifikationsspiel gegen Schottland mit 2:1. Wirklich weltmeisterlich war der Sieg allerdings über weite Strecken nicht – gestört hat das aber auch niemanden. „Wichtig waren die drei Punkte. Wie wir die geholt haben, war egal“, sagte Torhüter Manuel Neuer bei RTL.
Fast schon grotesk war es aber vor allem vor dem Anpfiff. Der Titelträger musste nur 55 Tage nach dem Finale Pfiffe gegen seine Spieler befürchten – im eigenen Land. Wenige Minuten vor der Partie übermittelte der Deutsche-Fußballbund deshalb eine Botschaft über die Stadion-Videowände: „Hey, zeigt der ganzen Welt, dass wir die besten Fans der Welt haben!“, appellierte Kevin Großkreutz an seine Dortmunder. „Hier, in unserem Tempel, wird kein Weltmeister ausgepfiffen!“
Obwohl Mario Gomez in Brasilien gar nicht dabei war, ging es natürlich vor allem um den Stürmer, der gegen Argentinien von den Fans ausgebuht worden war. Doch als um 20.27 Uhr die Aufstellung verkündet wurde, fiel der erste Belastungstest aus – Gomez saß nur auf der Bank, Pfiffe für Ex-Borusse Mario Götze gab es nicht. Zunächst.
Überraschend tauchte dafür der Name Sebastian Rudy in der Startelf aus: Der Hoffenheimer, ein Mittelfeldspieler, durfte nach der wenig überzeugenden Vorstellung von Großkreutz gegen Argentinien auf der rechten Abwehrseite verteidigen. Der nächste Kandidat bei der schwierigen Suche nach einem Nachfolger für den zurückgetretenen Philipp Lahm. „Wir dürfen nicht verschweigen, dass wir auf den Außenverteidigerpositionen und auch in der Sturmspitze Probleme haben“, bekannte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach vor dem Anpfiff, „das sind unsere neuralgischen Punkte.“
Trotzdem hätte Thomas Müller bereits nach einer nur kurzen Aufwärmphase gegen die von rund 5000 Anhängern enthusiastisch unterstützen Schotten die frühe Führung köpfen können, vielleicht müssen. Nach einem weiteren Fehlversuch (9.) machte es der Bayern-Profi kurz darauf besser: Eine Flanke von Rudy zirkelte er mit dem Hinterkopf über Torwart David Marshall ins Tor (18.).
Auch in der Folge war auffällig, wie die Nationalmannschaft die Deckung des Gegners über die Außen zu überwinden versuchte, wobei sich auch immer wieder Rudy und Durm positiv einbrachten. Aber auch für die Gefahr vor dem eigenen Tor war Rudy in seinem dritten Länderspiel zuständig. Gleich mehrfach musste auch Manuel Neuer zu seinen berühmten Libero-Ausflügen ansetzen und holte sich als ehemaliger Schalker Szenenapplaus ab. Geht doch.
Dass die Schotten nicht zu unterschätzen waren, zeigte sich kurz nach Wiederanpfiff, als Stürmer Steven Naismith die komplette Abwehr schwindelig spielte, dann aber knapp verzog (48.).
Und dann kamen sie doch noch – die Pfiffe, als Götze vor der Südtribüne an den Ball kam (55.). Darüber aufgebrachte Fans stimmten wütend Götze-Sprechchöre an, die wiederum mit gellenden Pfiffen gekontert wurden. Dabei war es sportlich unterhaltsam genug. Erst kam erneut Naismith zum Abschluss (60.), fast im Gegenzug hatte Reus das 2:0 auf dem Fuß (62.). Löw stand sichtlich erbost am Spielfeldrand und musste mitansehen, wie sorglos seine Spieler zwischenzeitlich die defensive Ordnung vergaßen.
Die Strafe folgte umgehend. Nachdem ausgerechnet Götze den Ball im Mittelfeld verlor, stürmte Ikechi Anya mit einem 40-Meter-Sprint alleine auf Neuer zu (66.). Und diesmal war sogar Deutschlands Libero machtlos: 1:1.
Doch die schottische Freude über den Ausgleich dauerte nicht lange. Nur vier Minuten später war erneut Matchwinner Müller zur Stelle und stocherte den Ball nach einer Ecke zum 2:1-Siegtreffer über die Linie. Dass direkt vor dem Tor Schalkes Kapitän Benedikt Höwedes’ Foul spielte, störte am Ende niemanden mehr – nicht mal die Dortmunder. Einziger Wermutstropfen: Kurz vor Schluss verletzte sich erneut Marco Reus am linken Bein. Der Borusse musste unter Tränen vom Platz geführt werden, eine genaue Diagnose soll im Laufe des Montags folgen.
Deutschland: Neuer – Rudy, Boateng, Höwedes, Durm - Kramer, Kroos - Müller, Reus (90. Ginter), Schürrle (84. Podolski)– Götze. Schottland: Marshall – Hutton, Martin, Hanley, Whittaker – D. Fletcher, (58. McArthur), Mulgrew – Bannan (58. S. Fletcher), Morrison, Anya – Naismith (82. Maloney).Tore: 1:0 Müller (18.), 1:1 Anya (66.), 2:1 Müller (70.). Schiedsrichter: Svein Oddvar Moen (Norwegen). Zuschauer: 60.000. Gelb: Durm, Müller– Hanley, Morrison. Gelb-Rot: Mulgrew (90.+4).