Bayerns Sportvorstand kritisiert die Mannschaft, der Präsident wütet zurück. Sammer „solle die Kirche im Dorf lassen“ und nicht über das Ziel hinausschießen, sagt Uli Hoeneß, der sich um die Außenwirkung sorgt.

München. Nur Platz zwei nach fünf Spieltagen in der Fußball-Bundesliga - für Matthias Sammer offenbar Grund genug, bei Branchenprimus Bayern München eine Grundsatzdebatte anzustoßen.

Mit seiner Kritik an der Mannschaft spaltet der Sportvorstand die Führungsriege beim Fußball-Rekordmeister. Präsident Uli Hoeneß jedenfalls weist die Aussagen Sammers nach dem 2:0 gegen Hannover 96 scharf zurück bestellt den Chefkritiker zum Rapport. Ehrenpräsident Franz Beckenbauer dagegen nennt die Vorhaltungen „legitim“.

Sammer hatte am vergangenen Sonnabend dem Team mangelnde Einstellung vorgeworfen. Die Spieler versteckten sich hinter Coach Pep Guardiola und müssten jetzt endlich mal „raus aus der Komfortzone“, sagte er. „Wir spielen zum Teil lethargisch, wir spielen ohne Emotionen Fußball, wir machen Dienst nach Vorschrift“, hatte Sammer unter anderem gesagt.

„Wir werden sicherlich darüber reden“, kündigte Hoeneß am Montag in der Bild-Zeitung an, „weil ein Eindruck vom FC Bayern entsteht, der nicht gut ist. Man hat den Eindruck, als ob wir von fünf Spielen drei verloren und zwei unentschieden gespielt hätten. In Dortmund lachen sie sich doch tot.“ Die Borussia ist mit der Maximalausbeute von 15 Punkten zwei Zähler vor den Bayern Tabellenführer.

„Der Feind sitzt draußen“

„Ich verstehe, dass Matthias den Finger in die Wunde legen will“, sagte Hoeneß dem Fachmagazin kicker: „Allerdings finde ich nicht, dass wir eine Wunde haben.“ Er empfahl Sammer, „die Kirche im Dorf zu lassen. Matthias muss aufpassen, dass er nicht über das Ziel hinausschießt. Wenn man so etwas jede Woche macht, verbrennt man sich irgendwann dabei. Der Feind sitzt draußen, nicht bei uns. Unsere Lage in der Bundesliga ist nicht dramatisch, dazu kommt das überragende Spiel im Supercup gegen Chelsea.“ Deshalb sei die Kritik „zum jetzigen Zeitpunkt nicht notwendig“.

Hoeneß mahnte: „Wir müssen alle aufpassen! Dieses immer weiter, immer höher wird irgendwann gefährlich, wenn wir da mitmachen.“ Die Profis seien „Menschen, die sich auch mal Nachlässigkeiten erlauben. Wenn nur noch Roboter auf dem Rasen stehen, brauchen wir nicht mehr ins Stadion zu gehen.“ Die Mannschaft habe „erstklassigen Charakter. Sie wird den Schalter umlegen, da habe ich keinen Zweifel.“

Hoeneß weiter in Richtung des früheren Profis Sammer. „Mancher, der früher Fußball gespielt hat, scheint zu vergessen, wie das schon früher war nach Länderspiel-Reisen. Man kann jetzt noch gar keine Top-Form haben, zumal wir ja auch viele Verletzte haben. Aber ich bin überzeugt: Wenn wir erst mal komplett sind und es darauf ankommt - dann sind die Spieler da.“

Beckenbauer: Sammer hilft Guardiola

Laut Beckenbauer habe Sammer jedoch „das Recht dazwischenzuhauen, wenn er Fehlentwicklungen sieht“. Der Sportvorstand sei „dicht an der Mannschaft und täglich beim Training“, sagte der „Kaiser“ der Bild-Zeitung, und erkenne „Anzeichen vielleicht früher als andere. Ich denke, Matthias handelt nach dem Motto: Wehret den Anfängen! Und das finde ich auch in Ordnung.“

Sammer unterstütze Guardiola, „das ist richtig so“. Beim Pay-TV-Sender Sky ergänzte Beckenbauer, es sei Sammers Aufgabe, zu kritisieren: „Ich finde die Aussagen legitim.“ Trainer Pep Guardiola müsse nicht geschützt werden, sagte dagegen Hoeneß. „Ich mache mir überhaupt keine Sorgen.“

Rekordnationalspieler Lothar Matthäus betonte indes, er sei „echt geschockt“ gewesen, als er Sammer nach dem Hannover-Spiel im Interview gesehen habe. „Die Spieler brauchen jetzt Vertrauen - und nicht öffentliche Kritik. Das führt zu noch größerer Verunsicherung. Aber das ist eben Matthias. Ob das aber der richtige Zeitpunkt ist, weiß ich nicht...“, sagte Matthäus in der Münchner tz.

Nicht die erste Aktion Sammers

Wie vor knapp einem Jahr beim 2:0 in Bremen („Wir waren nicht richtig hellwach, wir waren nicht richtig gallig. Wir waren zu lätschern“) erhebt Sammer die Stimme. Damals schmeckte das Trainer Jupp Heynckes überhaupt nicht - und in der ersten Königsklassen-Partie danach setzte es am 2. Spieltag eine 1:3-Niederlage bei BATE Borissow in Weißrussland.

Bleibt im Sinne der Bayern-Fans zu hoffen, dass der diesjährige Auftakt in der Champions League gegen ZSKA Moskau (Dienstag, 20.45 Uhr - im Liveticker auf abendblatt.de) für die Münchner erfreulicher verläuft.