Ex-HSV-Torhüter Claus Reitmaier brach sich beim Benefizspiel am Millerntor die Nase. Für eine Auswechslung sorgte mit Hasan Salihamidzic ein weiterer früherer Hamburger.
HamburG. Um 11.40 Uhr kletterte Reinhold Beckmann auf den Stuhl im großen Frühstückssaal des „Royal Meridian“ an der Alster. „Moin, moin zum Schützenfest!“, begrüßte der TV-Moderator die Fußball-Legenden. „Unser Motto ist auch ein kleiner Appell an euch“, sagte Beckmann, „2012 sind nur drei Tore gefallen beim 2:1 für Team Deutschland gegen Hamburg – in diesem Jahr erwarten wir deutlich mehr.“
Die 70 Fußballstars kamen zum neunten Mal aus der ganzen Republik nach Hamburg, um Beckmanns Jugendinitiative „NestWerk“ zu unterstützen. Mehr als 200.000 Euro waren allein im vergangenen Jahr durch Ticketverkauf, Spenden und Sponsorengelder zusammengekommen. Geld, das direkt in die sechs Projekte floss, mit denen NestWerk Jugendliche für Sport und Musik begeistert, ihnen Ausbildungsplätze vermittelt oder mit der Ferien-Initiative „Los geht’s!“ die Chance gibt, mal raus zu kommen. „Man denkt, die Situation für viele junge Menschen würde sich langsam verändern, verbessern“, sagte Beckmann. „Aber dann erleben wir gerade bei diesen Ausflügen in den Wildpark ‚Schwarze Berge’ oder zu Kanutouren, dass viele von ihnen vorher noch nie aus ihrem Viertel rausgekommen sind.“
Das ist auch der Grund, warum Rekordnationalspieler Lothar Matthäus jedes Jahr wieder gerne dem Ruf von Beckmann ins Millerntorstadion nach Hamburg folgt. „Wer heute gewinnt, das ist doch zweitrangig“, sagte der 150-fache Nationalspieler. „Wichtig ist, dass genug Geld für den guten Zweck eingenommen wird. Deshalb spiele ich hier mit.“ Der Münchner freute sich besonders auf Michael Ballack „Der ist ja zum Glück noch richtig fit.“
Premiere beim Tag der Legenden feierte auch ein Mann, der nicht auf dem grünen Rasen, sondern auf grauem Asphalt zur sportlichen Legende geworden ist. Als Schirmherr der Fußball-Gala war erstmals Michael Schumacher dabei. „Für mich als Fußball-Fan, der leidenschaftlich gerne selbst spielt, ist dieser Tag etwas ganz Besonderes“, sagte der Formel-1-Weltmeister. „Ich will gerne bei dieser sehr wichtigen, erfolgreichen Initiative helfen, benachteiligte Jugendliche zu stärken und ein Stück an ihrer Seite zu gehen.“ Viele Jugendliche müssten auf positive Erfahrungen verzichten, die ihre Entwicklung und ihr Selbstvertrauen fördern können. „Da bietet gerade der Sport eine große Chance, Erfolge zu erleben und Grenzen zu überwinden.“
Ab 14 Uhr stand dann der Fußball im Mittelpunkt. 25.000 waren im Millerntorstadion (Rekordbesuch!), um die einmalige Ansammlung der Welt-, Europa- und Deutschen Meister zu bestaunen. Riesenbeifall gab es beim Einlaufen für das Bayern-Dortmund-Duo Matthias Sammer und Jürgen Klopp. Gemeinsam betraten die Ex-Kontrahenten den Rasen. Sammer als Coach von Team Deutschland, Klopp als sein verlängerter Arm auf dem Spielfeld. Und wenig später wurden Ballack und Matthäus ähnlich stürmisch begrüßt.
Damit das Schützenfest-Motto in die Tat umgesetzt werden konnte, hatten die Initiatoren eine Extra-Prämie ausgesetzt: eine Torschützenkönig-Trophäe. Das Pokal-Monstrum verfehlte seine Wirkung nicht. Es dauerte gerade einmal zehn Minuten, da waren die drei Tore aus dem Vorjahr egalisiert. Das Team Hamburg führte nach einem Blitzstart durch einen herrlichen Volleyschuss von Michel Dinzey und zwei Treffer von Marius Ebbers mit 3:0. Dem Antritt des ehemaligen St.-Pauli-Stürmers war die deutsche Innenverteidigung mit Thomas Berthold und Christian Wörns nicht gewachsen.
Reitmaier und Kirsten vorzeitig runter
Das freundschaftliche Aufeinandertreffen der Legenden ist zweifellos für eine gute Sache, aber es gibt keinen Fußballer, der ein Spiel freiwillig verloren gibt. Die Zweikämpfe wurden intensiver. Und das hatte ernsthafte Folgen für das Team Deutschland: Erst musste Torwart Claus Reitmaier nach einem unglücklichen Zusammenprall mit Dinzey im Strafraum verletzt vom Platz. Kurz darauf folgte Ulf Kirsten - nach einem Foul, das eher eine Notbremse war, von Hasan Salihamidzic. Immerhin konnte Maurizio Gaudino, zusammen mit Tim Borowski aktivster deutscher Spieler, mit einem wunderschönen Tor per Hacke auf 1:3 verkürzen. Nach Toren von Sergej Barbarez und Borowski stand es zur Halbzeit 4:2 für die Hamburger, die von Trainer Helmut Schulte blendend eingestellt worden waren.
In der Halbzeit-Pause dann der Auftritt der größten Hamburger Fußball-Legende: Uwe Seeler wurde mit „Uwe-Uwe“-Sprechchören im St.-Pauli-Stadion gefeiert. Und kurz darauf betrat ein weiterer Liebling der Hamburger Fußball-Fans den grünen Rasen: Hermann Rieger. Der Kult-Masseur des HSV war von einem prominenten Fahrer ins Stadion kutschiert worden. Michael Schumacher hatte Hermann Rieger zum verletzten Stefan Schnoor gebracht, der sich nach seinem „Zusammenprall“ mit Schiedsrichter Bernd Heynemann auf dem Rasen krümmte. Und aufgrund der Behandlung nach erstaunlich kurzer Zeit wieder munter mitmischen konnte.
In der zweiten Halbzeit hatten die beiden Trainer ihre Mannschaft komplett ausgetauscht. „Ich habe keine Problem mit der Qualität, sondern mit der Quantität“, sagte Helmut Schulte, der mit Thomas Doll, Thomas von Heesen, Mehdi Mahdavikia, Wolfgang Rolff, Ivan Klasnic oder Martin Driller weitere Legenden auf den Rasen schicken konnte. Und schließlich auch noch Hans-Jörg Butt im Sturm einwechselte.
Auf der Gegenseite bewies Sammer mit der Hereinnahme von Klopp und Schumacher ein glückliches Händchen. „Schumi“ selbst leitete die Aufholjagd von Team Deutschland ein. Seine Steilvorlage erlief Lothar Sippel, und dessen Flanke verwandelte Alexander Zickler per Kopfball zum 3:4. Da geriet der Sieg der Hamburger in Gefahr. Doch am Ende konnten die Elb-Kicker zwei Trophäen unter Konfetti-Regen in den grauen Hamburger Himmel recken: Marius Ebbers als bester Torschütze. Und Helmut Schulte als Sieger-Trainer.
Für Schulte war es der sechste Triumph im neunten Vergleich. Ein echter Erfolgscoach eben. Am Millerntor ist Schulte, der als Sportchef mit Rapid Wien die Teilnahme an der Europa League geschafft hat, ja schon längst eine Legende. Und für Reinhold Beckmann ein Garant, dass auch in Zukunft für Hamburgs Jugendliche reichlich Tore beim Tag der Legenden fallen werden. Die wichtigste Nachricht des Tages war aber, dass 260.000 Euro Reinerlös in die Jugendprojekte fließen kann.