Legendäre Tore und Stimmung: Das Team Hamburg konnte den neunten „Tag der Legenden“ für sich entscheiden. Am Abend trafen sich zahlreichen Prominente auf einer Feier im Kiez-Theater Schmidts Tivoli.

Um 11.40 Uhr klettert Reinhold Beckmann auf den Stuhl im großen Frühstückssaal des Spielerhotels „Royal Meridian“ an der Alster. „Moin, moin zum Schützenfest!“, begrüßt der TV-Moderator die anwesenden Fußball-Legenden, die nach und nach eingetrudelt sind. Manni Kaltz und Sergej Barbarez sind schon da, Bernd Hollerbach und Andre Trulsen, Kalle Riedle und Lothar Matthäus, Thorsten Fink und Olaf Thon. „Unser diesjähriges Motto ist auch ein kleiner Appell an euch“, sagt Beckmann. „Im letzten Jahr sind nur drei Tore gefallen beim 2:1 für Team Deutschland gegen Hamburg – in diesem Jahr erwarten wir deutlich mehr.“

Die Fußball-Legenden sind zum neunten Mal aus der ganzen Republik nach Hamburg gekommen, um Beckmanns Jugendinitiative „NestWerk“ zu unterstützen. Mehr als 200.000 Euro sind durch Ticketverkauf, Spenden und Sponsorengelder im vergangenen Jahr zusammengekommen. Geld, das direkt in die sechs Projekte fließt, mit denen NestWerk Jugendliche für Sport und Musik begeistert, ihnen Ausbildungsplätze vermittelt oder mit der Ferien-Initiative „Los geht’s!“ die Chance gibt, mal raus zu kommen. „Man denkt, die Situation für viele junge Menschen in Hamburg würde sich langsam verändern, verbessern“, sagt Reinhold Beckmann. „Aber dann erleben wir gerade bei diesen Ausflügen in den Wildpark ‚Schwarze Berge’ oder zu Kanutouren, dass viele von ihnen vorher noch nie aus ihrem Viertel rausgekommen sind.“

Das ist auch der Grund, warum Rekordnationalspieler Lothar Matthäus jedes Jahr wieder gerne dem Ruf von Beckmann ins Millerntorstadion nach Hamburg folgt. „Wer heute gewinnt, das ist doch zweitrangig“, sagt der 150-fache Nationalspieler. „Wichtig ist, dass am Ende genug Geld für den guten Zweck eingenommen wird. Deshalb spiele ich hier mit.“ Der Münchner freut sich besonders, dass erstmals Michael Ballack im Team Deutschland auflaufen wird. „Der ist ja zum Glück noch richtig fit.“

Premiere beim Tag der Legenden feiert auch ein Mann, der nicht auf dem grünen Rasen, sondern auf grauem Asphalt zur sportlichen Legende geworden ist. Als Schirmherr der Fußball-Gala ist erstmals Michael Schumacher dabei. „Für mich als Fußball-Fan, der leidenschaftlich gerne selbst spielt, ist dieser Tag etwas ganz Besonderes“, sagt der Formel-1-Weltmeister. Sein Können auf dem Rasen reiche vielleicht nicht aus, um normalerweise neben diesen großartigen Ex-Kickern bestehen zu können. „Bei präzisen Pässen aber sehe vielleicht ich sogar ganz gut aus.“

Auch Schumacher ist vor allem dabei, um NestWerk zu unterstützen: „Ich will gerne bei dieser sehr wichtigen und erfolgreichen Initiative helfen, benachteiligte Jugendliche zu stärken und ein Stück an ihrer Seite zu gehen.“ Viele Jugendliche müssten auf positive Erfahrungen verzichten, die ihre Entwicklung und ihr Selbstvertrauen fördern können. „Da bietet gerade der Sport eine große Chance, Erfolge zu erleben und Grenzen zu überwinden.“

Ab 14 Uhr stand dann der Fußball im Mittelpunkt. „Es wird proppevoll“, hatte Reinhold Beckmann den Ex-Profis im Hotel bereits angekündigt, die mit drei Bussen von der Alster nach St. Pauli kutschiert wurden. 23.000 waren im Millerntorstadion, um die einmalige Ansammlung der Welt-, Europa- und Deutschen Meister zu bestaunen. Riesenbeifall gab es schon beim Einlaufen für das Bayern-Dortmund-Duo Matthias Sammer und Jürgen Klopp. Gemeinsam betraten die Ex-Kontrahenten den Rasen. Sammer als Coach von Team Deutschland, Klopp als sein verlängerter Arm auf dem Spielfeld. Und wenig später wurden Michael Ballack und Lothar Matthäus ähnlich stürmisch vom Hamburger Publikum begrüßt.

Damit das Schützenfest-Motto in die Tat umgesetzt werden konnte, hatten die Initiatoren eine Extra-Prämie ausgesetzt: eine Torschützenkönig-Trophäe. Das Pokal-Monstrum verfehlte seine Wirkung, sehr zur Freude der Zuschauer, nicht. Es dauert gerade einmal zehn Minuten, da waren die drei Tore aus dem Vorjahr bereits egalisiert. Das Team Hamburg führte nach einem Blitzstart durch einen herrlichen Volleyschuss von Michel Dinzey und zwei Treffern von Marius Ebbers mit 3:0. Dem schnellen Antritt des Ex-St.Pauli-Stürmers, der nun für den VfL 93 trifft, war die deutsche Innenverteidigung mit Thomas Berthold und Christian Wörns nicht gewachsen.

Das freundschaftliche Aufeinandertreffen der Legenden ist zweifellos für eine gute Sache, aber es gibt keinen Fußballer, der ein Spiel freiwillig verloren gibt. Die Zweikämpfe wurden intensiver. Und das hatte ernsthafte Folgen für das Team Deutschland: Erst musste Torwart Claus Reitmaier nach einem unglücklichen Zusammenprall mit Dinzey im Strafraum verletzt vom Platz. Kurz darauf folgte Ulf Kirsten - nach einem Foul, das eher eine Notbremse war, von Hasan Salihamidzic. Immerhin konnte Maurizio Gaudino, zusammen mit Tim Borowski aktivster deutscher Spieler, mit einem wunderschönen Tor per Hacke auf 1:3 verkürzen. Nach Toren von Sergej Barbarez und Borowski stand es zur Halbzeit 4:2 für die Hamburger, die von ihrem Trainer Helmut Schulte blendend eingestellt worden waren.

In der Halbzeit-Pause dann der Auftritt der größten Hamburger Fußball-Legende: Uwe Seeler wurde mit „Uwe-Uwe“-Sprechchören im St. Pauli-Stadion gefeiert.

Und kurz darauf betrat ein weiterer Liebling der Hamburger Fußball-Fans den grünen Rasen: Hermann Rieger. Der Kult-Masseur des HSV war von einem prominenten Fahrer ins Stadion kutschiert worden. Michael Schumacher hatte Hermann Rieger zum verletzten Stefan Schnoor gebracht, der sich nach seinem „Zusammenprall“ mit Schiedsrichter Bernd Heynemann auf dem Rasen krümmte. Und aufgrund der Behandlung nach erstaunlich kurzer Zeit wieder munter mitmischen konnte.

In der zweiten Halbzeit hatten die beiden Trainer ihre Mannschaft komplett ausgetauscht. „Ich habe keine Problem mit der Qualität, sondern mit der Quantität“, sagte Helmut Schulte, der mit Thomas Doll, Thomas von Heesen, Mehdi Mahdavikia, Wolfgang Rolff, Ivan Klasnic oder Martin Driller problemlos weitere Legenden auf den Rasen schicken konnte. Und schließlich auch noch Hans-Jörg Butt im Sturm einwechselte.

Auf der Gegenseite bewies Matthias Sammer mit der Hereinnahme von Jürgen Klopp und Michael Schumacher ein glückliches Händchen. „Schumi“ selbst leitete nämlich mit einem präzisen Pass die Aufholjagd von Team Deutschland ein. Seine Steilvorlage erlief Lothar Sippel, und dessen Flanke verwandelte Alexander Zickler per Kopfball zum 3:4. Da geriet der Sieg der Hamburger noch einmal ernsthaft in Gefahr. Doch am Ende konnten die Elb-Kicker zwei Trophäen unter Konfetti-Regen in den grauen Hamburger Himmel recken: Marius Ebbers als bester Torschütze. Und Helmut Schulte als Sieger-Trainer.

Für Schulte ist es der sechste Triumph im neunten Vergleich. Ein echter Erfolgscoach eben. Am Millerntor ist Schulte, der als Sportchef mit Rapid Wien die Teilnahme an der Europa League geschafft hat, ja schon längst eine Legende. Und für Reinhold Beckmann ein Garant, dass auch in Zukunft für Hamburgs Jugendliche reichlich Tore beim Tag der Legenden fallen werden.