Heute im WM-Halbfinale (20.30 Uhr hier im Liveticker) müssen Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira die Balldominanz der Spanier eindämmen.
Durban. Endlich Sommer! Als die deutschen Nationalspieler am Dienstagmittag mit der Chartermaschine in Durban landeten, wurden sie von sonnigen 26 Grad empfangen. Es dürfte allerdings ein kurzer Ausflug in die Wärme bleiben. Wenn die DFB-Auswahl heute (20.30 Uhr/ARD, Liveticker auf mobil.abendblatt.de) im WM-Halbfinale auf Spanien trifft, sind leichter Regen und nur noch 17 Grad rund um das 70.000 Zuschauer fassende Moses-Mabhida-Stadion angekündigt.
Überspitzt formuliert könnte man behaupten, dass es das Duell der "Jünger" Louis van Gaals ist. Der Niederländer förderte während seiner Zeit beim FC Barcelona (1997 bis 2000, 2002 bis 2003) Ausnahmespieler wie Xaxi oder Iniesta und führte bei den Katalanen die Philosophie der Amsterdamer Schule seines Landsmanns Johan Cruyff fort, die vor allem aus einem Merkmal bestand: schnellen, präzisen Pässen. Als van Gaal vor einem Jahr den FC Bayern übernahm, verfuhr er nach dem gleichen Muster. Weil Joachim Löw nach spanischem Vorbild das Kombinationsspiel zelebrieren lässt, profitiert der Bundestrainer davon, dass der Bayern-Block mit Philipp Lahm, Thomas Müller, Bastian Schweinsteiger und Miroslav Klose dieses Spielsystem verinnerlicht hat. Wenn Chefscout Urs Siegenthaler hinsichtlich der Grundidee des deutschen Spiels davon spricht, dass es um nichts anderes gehe als "um spielen und gehen, um das Spiel ohne Ball", meint er das sogenannte Dreiecksspiel: Während ein Spieler auf seinen Nebenmann passt, weiß der dritte Akteur bereits, wie er sich zu bewegen hat.
Die Könige dieses "dreidimensionalen" Spiels und dem Passspiel sind noch immer die Spanier, wie die Statistik von Fifa-Sponsor Castrol bei dieser WM aufzeigt. Von 3475 Pässen in fünf Spielen landeten 2797 beim eigenen Mann. Im Vergleich dazu spielte die deutsche Elf mit 2768 (2031 kamen an) rund 700 Pässe weniger. Als Strippenzieher im spanischen Mittelfeld betätigt sich Xavi mit 464 Abspielen und einer Erfolgsquote von 80 Prozent. Aber er ist nicht allein: In der WM-Rangliste der individuellen Laufleistung mit dem Ball rangieren, angeführt von Xavi, vier Spanier unter den ersten sechs. Unterbrochen wird diese Bastion allerdings von zwei Deutschen: Sami Khedira (24,3) und Bastian Schweinsteiger (23,2).
Siegenthaler, der im August beim HSV sein Amt als Sportdirektor antritt, saß beim Spiel der Spanier gegen Paraguay auf der Tribüne und tüftelt daran, wie die Balldominanz des Teams von der iberischen Halbinsel bekämpft werden könnte: "Paraguays Team hat den jeweils Ballführenden sofort mit zwei, drei Mann attackiert. Wie die Bienen sind sie ausgeschwärmt und haben sogar Torwart Casillas attackiert. Die Spanier sind fast verzweifelt und haben in der ersten Halbzeit gerade zweimal aufs Tor geschossen. Das könnte für uns in ähnlicher Form eine Möglichkeit sein." Besonders das bislang so formstarke Doppel Schweinsteiger und Khedira, aber auch die Außenspieler im Mittelfeld sind gefordert, die Ballzirkulation zu unterbinden.
Dass die Spanier im Vergleich zur EM 2008 noch nicht so glänzen konnten, irritiert Siegenthaler überhaupt nicht: "Wenn eine Mannschaft ein so hohes Level erreicht hat, kann der Fortschritt automatisch nicht mehr so intensiv sein. Dieses Niveau zu halten ist schon schwer genug."
Vorteile hat die deutsche Mannschaft bislang bei der Chancenverwertung: 16,5 Prozent aller Schüsse landeten im gegnerischen Tor, was den Bestwert aller Mannschaften bedeutet, während Spanien nur auf einen Wert von 6,7 Prozent kommt, dafür aber mit Sergio Ramos, Gerard Pique, Carles Puyol und Joan Capdevila mit erst zwei Gegentoren in der Abwehr glänzt. Keine leichte Aufgabe für Miroslav Klose, der mit seinem fünften Treffer bei diesem Turnier den Rekord Ronaldos von insgesamt 15 WM-Toren einstellen würde. Auf der anderen Seite stellt der bislang schon fünfmal erfolgreiche David Villa die deutsche Defensive auf die Probe.
Klar ist seit gestern: Nur bei einem Finaleinzug würden Trainer und Spieler - voraussichtlich am Dienstag - mit den Fans in Berlin feiern. Dies gab DFB-Manager Oliver Bierhoff bekannt. Erreicht Deutschland nur das Spiel um Platz drei am Sonnabend in Port Elizabeth, würde es nach der Ankunft in Frankfurt nur eine bescheidenere Verabschiedung am Flughafen geben. 2006 als WM-Dritter und 2008 als EM-Vize hatte sich die Mannschaft jeweils für die Unterstützung bedankt.
Dieses Mal richtete das Team vor dem Halbfinale eine Grußbotschaft an die DFB-Anhänger: "Unser Weg ist noch nicht zu Ende, die Party soll weitergehen."